Archive for August 2010

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August 31, 2010

Peter Praschl tummelt sich jetzt im Feuilleton der Welt. Der Artikel aus den letzten zwei Wochen, der am besten zu ihm passte, vielleicht auch weil er über einen Kauz ist, war Warten auf Godard.

Angst essen Hirn auf

August 31, 2010

„Rund 90 Prozent der BILD.de-Leser wollen Sarrazin sogar als Bundeskanzler…“

2:30 Penguin Cafe Orchestra – Telephone and Rubber Band (1981)

August 31, 2010

Das Penguin Cafe Orchestra hat Instrumentalmusik zwischen E und U gemacht, die immer sehr englisch im Sinne von unkonventionell und unkompliziert war. Mein Lieblingsstück von ihnen hätte mit 11 Minuten 46 Sekunden leider den zeitlichen Rahmen dieses Projekts gesprengt, der Titelname ist mindestens so schön wie die sehr einfühlsame Musik:
The Sound of Someone You Love Who’s Going Away and It Doesn’t Matter

Der Tagestrack ist vergleichsweise locker und unernst. Die Melodie besteht aus Telefontönen, dazu werden diverse Streichinstrumente gespielt. Eigentlich recht unspektakulär, aber auf jeden Fall originell und versponnen. Also genau die Art von ein itzekleines bisschen abgefahrener Musik auf die ich stehe.

(Die Liste aller seit dem 1. Februar ausgewählten 185 Stücke ist hier.)

2:31 Robert Wyatt – Out of Season (1997)

August 30, 2010

A late sparrow fledgling
Bathing in dust
Beneath the gaping mouth
Of the post box
(Hungry for letters home)

Zu Robert Wyatt gäbe es so einiges zu erzählen. Ende der Sechziger Drummer bei der avantgardistischen Prog- bzw. Jazzrockkapelle Soft Machine. Anfang der Siebziger fällt er sturzbesoffen bei einer Party aus dem Fenster im 4. Stock und ist anschließend querschnittsgelähmt. Sein Markenzeichen ist seine hohe, absolut unverwechselbare Stimme. Er ist bis heute, glaube ich, überzeugter Kommunist. Ich persönlich finde ja, dass niemand dem lieben Gott, wie man ihn sich so mit Bart und weißen Haaren vorstellt, ähnlicher ist als Robert Wyatt. Erstaunlicherweise habe ich noch nichts von ihm ausgewählt obwohl ich jede Menge Tonträger von ihm habe; eigentlich war ich davon ausgegangen, dass ich irgendwann Shipbuilding, das den Falklandkrieg thematisiert, aussuchen würde – meinetwegen auch in der Fassung vom Knödelbarden Elvis Costello – aber erschreckenderweise habe ich irgendwie die mp3 verlegt bzw. wohl eher nie gerippt. Shleep, die CD, auf der der Tagessong drauf ist, war mein 1997er Lieblingsalbum. Sie ist gekennzeichnet von einer außerordentlich hohen Konsistenz.

Out of Season ist eine impressionistische Angelegenheit. Posaune und Trompete vermählen sich gar wundersam zu einem haikuartigen Text über einen Spatzen, der spät flügge geworden, im Staub badet und neben dem Briefkasten mit dem riesigen, hungrigen Schlitzmaul auf Post wartet. Wenn das mal kein Selbstporträt des Künstlers als Vögelein ist. Hoffen wir, dass Robert all die Briefe bekommen hat, die er erwartet hat. Er ist dieses Jahr übrigens 65 geworden.

(Die Liste aller seit dem 1. Februar ausgewählten 184 Stücke ist hier.)

Happy Burzeltag!

August 30, 2010


Guck mal, die fabulösen vier spielen nur für Dich!

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August 30, 2010

History will be kind to me for I intend to write it.

Winston Churchill

2:32 Erik Satie – Gymnopédie No. 3 (1888, Branford Marsalis 1986)

August 29, 2010

In dieser Reihe destilliere ich die besten Stücke aus meiner MP3-Sammlung von knapp 30.000 Titeln. Dass es schon wieder ein Instrumental geworden ist – There She Goes von den La’s war das beste Lied – passt, denn Gesang würde von der reinen Musik ja im Grunde nur ablenken, sie quasi verdünnen. Und in dieser Logik ist noch ein dritter Punkt im Zusammenhang mit der Interpretation der heute ausgewählten Komposition zu nennen. Normalerweise werden die Gymnopédies von Satie auf dem Klavier gespielt und sie haben diesen leichten, schwebenden Klang, bei dem ich mir immer Ballerinas vorstelle, die in der Luft tanzen. Aber hier ist es anders. Der Jazzer Branford Marsalis bläst die fragile, tastende Tonfolge der Melodie auf seinem Sopransaxophon. Und das führt nun zur völligen Ablösung der Musik vom Körperlichen, sie wird rein zerebral und zwar dadurch, dass nun nicht mehr diskrete Töne angeschlagen werden, die man mit Schrittfolgen assoziieren könnte, sondern stattdessen die Melodie stetig nach oben fließt. Was ich euch heute vorstelle ist somit gewissermaßen das Destillat eines Destillats eines Destillats.

(Die Liste aller seit dem 1. Februar ausgewählten 183 Stücke ist hier.)

She’s Hit

August 28, 2010

was a song by Nick Cave & the Birthday Party in the early eighties but these days it is the name of a band of four very young lads from Glasgow. Besides Nick Cave I hear Jesus & the Mary Chain and Gallon Drunk – who were probably influenced by Nick Cave themselves – in their music. They are making lots of noise and like the Vinyl Villain who went to a concert of theirs yesterday I haven’t been excited by a band like this for a long, long time. My Bloody Valentine 1991 would probably go back too far but Radiohead 2001 sounds pretty realistic.

2:33 The Durutti Column – Messidor (1981)

August 28, 2010

Der Messidor ist der zehnte Monat im Republikanischen Kalender der Französischen Revolution. In ihn fällt der 14. Juli. Martialisch oder revolutionär kann man The Durutti Column’s Musik nicht gerade nennen, Vini Reilly, der sich hinter dem Bandnamen verbirgt, der fast so geschrieben wird wie eine anarchistische Miliz im Spanischen Bürgerkrieg, ist eher bekannt für leicht sphärische, etwas ins Ambient abdriftende Gitarreninstrumentals. Er hat seinen eigenen Pizzicatostil entwickelt und damit auch einen fließenden, perlenden signature sound, wo die einzelnen Töne vom Himmel herunterzutropfen scheinen. 1981 veröffentlichte er seine zweite Platte LC, auf der sich auch dieses Stück befindet, in dem die offene, freudige Melodie den gemächlicheren Rhythmus überholt und scheinbar vor ihm wegläuft.

(Die Liste aller seit dem 1. Februar ausgewählten 182 Songs ist hier.)

2:34 The Chills – This Is the Way (1986)

August 27, 2010

Fill your head with alcohol,
comic books and drugs.

Die Chills aus Neuseeland haben mir damals als ich sie Mitte der Achtziger das erste Mal auf Bayern 2 gehört habe wirklich the chills gegeben, also eine Gänsehaut. Vor allem dieses musikalisch und textmäßig sehr einfache Lied hatte es mir angetan, da es so eine überirdische Leichtigkeit ausstrahlt und die Melodie gleichzeitig einen ungeheuren Ohrwurmcharakter hat und doch so völlig chartuntauglich ist. Bei der Melodie muss ich an muscat denken, den Aperitivwein aus der Gegend von Perpignan. Er hat eine so starke Traubensüße, dass es im Kopf wehtut, wenn man ihn zu schnell trinkt. Das ist aber ein positiver Schmerz, so ähnlich wie wenn man vor Freude weint. Die Chills waren ein klassischer Geheimtipp von den Antipoden, wie fast alle Kiwibands waren sie auf dem Label Flying Nun zu finden. Erfolg haben sie außer in den Kreisen von aficionados von independent music kaum gehabt. Ihr Mastermind Martin Phillips hat dann vor ein paar Jahren noch eine Soloplatte rausgebracht und seitdem habe ich nichts mehr gehört von ihnen.

(Die Liste aller seit dem 1. Februar ausgewählten 181 Songs ist hier.)

2:35 Joy Division – Leaders of Men (1977)

August 26, 2010

When your time’s on the door
And it drips to the floor
And you feel you can touch
All the noise is too much
And the seeds that are sown
Are no longer your own

Endlich mal wieder was von Joy Division, ihr habt bestimmt genauso ungeduldig darauf gewartet wie ich selber. Dies ist ein sehr früher Song von ihnen und er befindet sich auf ihrer ersten Veröffentlichung An Ideal for Living, das ist die EP mit dem von Bernard Sumner gezeichneten, trommelnden Hitlerjungen auf dem Cover. Ich glaube nicht, dass man da sehr viel hineininterpretieren sollte, zu Beginn des Punk wurde gerne provoziert und was eignete sich dazu besser als Nazifiguren. Das Stück ist insofern bemerkenswert als Ian Curtis hier noch mit seiner natürlichen, weichen Stimme singt und sie nicht durch Verlangsamung der Bandgeschwindigkeit künstlich tiefer und dunkler gemacht wird bzw. er sie entsprechend verstellt. Somit ist sein Gesang weit weniger gravitätisch und apokalyptisch als sonst, ich persönlich mag ihn so besser. Ansonsten zeigen hier auch die anderen Bandmitglieder schon, was sie drauf haben. Peter Hook spielt mit seinem Bass am Anfang das Motiv, hält sich danach aber eher zurück, sein Bass brodelt im Hintergrund an der Oberfläche so dahin, man hört fette, riesige Blasen aufsteigen. Stephen Morris trommelt bereits unglaublich virtuos mehrere Rhythmen zugleich. Bernard Sumner gelingt es, seiner Gitarre verzerrte Akkorde zu entlocken, die für den passenden Verfremdungseffekt sorgen. Das ganze Stück hat bereits den typischen Joy Division Powersound; irgendwie kann ich mir keine Band vorstellen, die von ihnen bei einem gemeinsamen Konzert nicht an die Wand gespielt worden wäre. Sie waren einfach in einer anderen Liga als die anderen. Natürlich ist das keine Musik für jeden Abend, insbesondere die Ernsthaftigkeit und völlige Humorlosigkeit gehen nach einer Weile auf die Nerven, aber dennoch bin ich immer noch hin und weg, wenn ich zufällig einen ihrer exzellenten Songs höre, sie hauen mich jedes Mal um.

(Die Liste aller seit dem 1. Februar ausgewählten 180 Songs ist hier.)

Seltsam,

August 25, 2010

ich weiß immer noch nicht welchen Tag meines Lebens ich mehr verfluchen soll, den an dem ich meine erste Zigarette auf Lunge geraucht habe (vor ca. 22 Jahren) oder den, an dem ich die letzte Zichte geschmokt habe, Ende Juli 2008 kurz vor Léon auf dem Jakobsweg. Meine Kehle brennt heute abend mal wieder lichterloh. Nikotin ist die stärkste Droge, die ich kenne, ich bleibe dabei.

2:36 Kammerflimmer Kollektief – Alles Glühen (2005)

August 25, 2010

Wie die Tage draußen so werden auch die Musikstücke in diesem speziellen Teil des Internetzes immer kürzer. Auch die Allmählichkeit der Verkürzung, die man bei kurzem Zeithorizont kaum bemerken kann, läuft in der Natur und hier ziemlich parallel. Heute kann man unter dieser Adresse mal wieder gesangloser Musik lauschen. Das Kammerflimmer Kollektief aus Karlsruhe schafft es, Elektronik, Ambient, Jazz und Improvisation so zu vermischen, dass am Ende eine Musik herauskommt, die einen genauso an einen warmen Sommerregen wie an ein knisterndes Kaminfeuer erinnern kann. Die Sechs sind Meister der Eklektik, sie verbinden das Beste aus den verschiedenen Musikwelten zu etwas ganz Neuem, etwas ihnen völlig Eigenem.

(Die Liste aller seit dem 1. Februar ausgewählten 179 Songs ist hier.)

2:37 Serge Gainsbourg – Aéroplanes (1976)

August 24, 2010

Elle est marrante c’est une fan
Du cap’tain Cook
Elle a sur lui tout un press-book
Aussi sur Tarzan dont elle est folle comme Jane
Je la vois assez l’enlacer et lui de liane en liane
Pousser son cri en volapük
Du coté de Pamanbuk
Et moi Chita le singe qui leur cavale au cul dans la savane

Ein weiteres Liedchen des großen Serge, endlich eins von meiner Lieblingsplatte, dem Konzeptalbum L’Homme à Tête de Chou, wo es um einen Vierzigjährigen geht, der sich in eine Shampouineuse(!) verliebt. Ich habe es das erste Mal in Deinem Studio in Bel Air in Luxembourg gehört, mon trésor. Weißt Du noch, es war ganz am Anfang vor vielen, vielen Jahren, sozusagen in mythischer Vorzeit. Allein für dieses Album lohnt es sich, glaube ich, die französische Sprache zu erlernen, wobei man schon ziemlich tief in die verschiedenen Bedeutungen, unter anderem auch der sexuellen Art, der Worte eindringen muss. Dieses Lied ist in der Mitte der Platte anzutreffen, die beiden haben sich im Frisörsalon bereits kennengelernt, Marilou, so heißt die Auserwählte, hat Reggae getanzt und seine Phantasie angeregt, aber die beiden haben ihre Bekanntschaft noch nicht im Schlafgemach intensiviert. Hier faltet Marilou ganz unverfänglich Papierflieger aus Reiseprospekten und er malt sie sich als Jane aus (er war gerade mit einer zusammen) und sich selbst als Cheeta. Was für seine Bescheidenheit und seinen Realitätssinn spricht, King Kong wäre ja theoretisch auch eine Option gewesen.

(Die Liste aller seit dem 1. Februar ausgewählten 178 Songs ist hier.)

2:38 Bill Wells & Maher Shalal Hash Baz – The Dust of Months (2006)

August 23, 2010

Dieses Instrumentalstück gehört in die Kategorie musikalischer Archetyp. Beim ersten Hören ist man sich sicher, dass man die Melodie kennt. Sie ist universal, sie gehört uns allen. Natürlich mag ich das Zaghafte und das sehnsüchtig Schmachtende an ihr. Sentimentalität wird sowieso total unter- (nicht über-, ätsch!) -schätzt. Das Orchester von Maher Shalal Hash Baz verspielt sich auch hier wieder wunderschön und gerade diese menschlich-allzumenschliche Komponente macht seinen ganz speziellen Charme aus. Man hört diese Amateure musikalisch dilettieren und man kann nicht anders als ihre tastenden, leicht schrägen Töne lieben. Perfektion wird überschätzt, so stimmt’s.

Aufmerksam geworden auf die Band bin ich übrigens über den Eintrag hier, der auch noch genau die CD Osaka Bridge bespricht, auf der der Tagestrack drauf ist.

(Die Liste aller seit dem 1. Februar ausgewählten 177 Songs ist hier.)

2:39 The Velvet Underground & Nico – Femme Fatale (1967)

August 22, 2010

See the way she walks
Hear the way she talks
You’re put down in her book
You’re number 37, have a look
She’s going to smile to make you frown, what a clown
Little boy, she’s from the street
Before you start, you’re already beat

Vor um die zwanzig Jahren habe ich mir eingeredet, dass dieses scheinbar so harmlos klingende Liedchen genau die Frauen beschreibt, in die ich mich immer wieder verliebe. Heute kann ich das nicht mehr ganz nachvollziehen. Als ich vor über sieben Jahren schon mal über das Album geschrieben habe, wo das Lied drauf ist, selbst da war mir schon klar, dass es sich wohl eher um einen Mythos handelt und dass es wahrscheinlich so ist, dass femmes fatales eher für sich selbst – als für die Männer, denen sie den Kopf verdrehen – tödlich sind (siehe z. B. Nico, die hier auch den Sprechgesang bestreitet, wobei mich die Livefassung mit Lou Reed damals noch mehr mesmerisiert hat). Mit anderen Worten dieser Song ist eine Erinnerung an die Wirren der Jugend, meine ehemals intime Beziehung zu ihm ist jetzt einer abgeklärteren, eher freundschaftlichen Haltung gewichen.

(Die Liste aller seit dem 1. Februar ausgewählten 176 Songs ist hier.)

2:40 Serge Gainsbourg – Ford Mustang (1968)

August 21, 2010

On s’fait des langues
En Ford Mustang
Et bang!
On embrasse
Les platanes
„Mus“ à gauche
„Tang“ à droite
Et à gauche, à droite

Außerdem waren in der engeren Auswahl zwei NDW-Lieder, das supermonotone Anna von Trio und Andreas Doraus – auch wegen des Kinderchors – leicht infantiles Fred vom Jupiter. Aber Serge und Jane waren einfach cooler. Wie sie hier von einem Zungenkuss in einem Ford Mustang, mit dem sie eine Allee runterfahren, singen, der dazu führt, dass der Wagen sich um die Platanen wickelt und in der Mitte auseinanderbricht, das hat einfach Klasse. Andere Marken, die im Lied genannt werden: Kool, Coca-Cola, Browning, ein Zippo-Feuerzeug, ein Kleid von Paco Rabanne und Aspirin. Alles Sachen, die im Auto nach dem Unfall gefunden wurden, außerdem ein Scheibenwischer, flüssiges Make-Up, ein Blitzlicht, ein Schallplattenwechsler, ein Band von Edgar Allan Poe, ein Superman-Comicheft, ein Foto von Marilyn Monroe.

(Die Liste aller seit dem 1. Februar ausgewählten 175 Songs ist hier.)

2:41 Buzzcocks – Walking Distance (live 1978)

August 20, 2010

Wenn man es sich mal überlegt, dann sind die Buzzcocks im Grunde ja die englischen Ramones. Kurze, schnelle, melodische Songs sind auch ihr Markenzeichen. Hier spielen sie ein Instrumental, das ohne den kurzen Soundcheck und die Ansage in diesem wunderbar weichen, nordenglischen Akzent nur gerade mal zwei Minuten gedauert hätte. Der Titel des Stücks passt übrigens perfekt zum Ort des Geschehens. Die Gruppe spielt im Apollo in Manchester, locker fußläufig zu erreichen von ihrer Heimatstadt Bolton. Fast hätte ich allerdings ein Reggae-Instrumental gewählt, Izzy Royal’s Coronation Dub, eines der Lieblingslieder von John Peel, das auch in seiner bekannten Box drin war. Meine mp3 rauscht und knistert wie Schwein, man hört förmlich wie John Peel die Single zu Tode geliebt hat.

(Die Liste aller seit dem 1. Februar ausgewählten 174 Songs ist hier.)

2:42 Townes van Zandt – Waiting Around to Die (1969)

August 19, 2010

Now I’m out of prison, I got me a friend at last
He don’t drink or steal or cheat or lie
His name is Codeine, he’s the nicest thing I’ve seen
Together we’re gonna wait around and die

Das Lied hat Townes van Zandt mit Anfang 20 geschrieben und es nimmt im Grunde sein Leben vorweg. Früh als manisch-depressiv diagnostiziert, hat er sich langsam aber sicher zu Tode gesoffen und gespritzt. Sein 52 jähriges Leben hätte mit dem Songtitel überschrieben werden können, er hat es nicht auf die Reihe gekriegt. Und hat trotzdem phantastisch trockene und luzide Songs geschrieben, die ihm großen Respekt bei Musikern und Kritikern eingebracht haben. Ich bin kein Fan, dafür kenne ich seine Musik auch zu wenig, aber dieses Lied ist so abgründig und wird von ihm mit gerade mal 24 so nüchtern-klar und schicksalsergeben vorgetragen, dass ich einfach hinhören musste, was er da so sang und dann war es auch schon um mich geschehen und er hatte mich postmortal am Haken.

(Die Liste aller seit dem 1. Februar ausgewählten 173 Songs ist hier.)

2:43 Stereo Total – Orange Mécanique (2005)

August 18, 2010

Next to me were some gloopy lewdies
I asked them for
synthemescal
vellocetanol
or euphorisaker

Oh! This would sharpen me up
And make me ready for a bit of the old
Ultra violence

Endlich eine Berliner Band, es wurde aber auch so langsam Zeit. Die einleitenden Worte – z.T. aus Burgess Buch, nehme ich an – spricht zwar eine Französin mit starkem accent auf englisch, aber das passt ja eigentlich janz jut (zu Weltstadt und so). Die Melodie hat so eine neoklassisch-grandiose Anmutung à la Also sprach Zarathustra, nur besser weil nicht ganz so überkandidelt. Dann setzen sphärische Klänge ein, Theremin ick hör dir trapsen, und das Stück entführt uns in einen Klub außerhalb der Milchstraße, ich rat mal, Andromedanebel vielleicht? Esoterisch angehauchte Rentnerinnen sehe ich dazu jetzt eigentlich nicht tanzen, eher Elfen und andere alterslose Fabelwesen. Jedenfalls eine sehr schöne auditive Überraschung heute morgen in der U2 kurz nachdem sie in den Untergrund zwischen Mendelssohn-Bartholdy-Park und Potsdamer Platz eingetaucht ist. Den hammerharten, auf den Zuschauer keine Rücksicht nehmenden Film muss ich auch mal wieder angucken.

(Die Liste aller seit dem 1. Februar ausgewählten 172 Songs ist hier.)

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August 17, 2010

verkatert aufwachen gegen rechts

2:44 Captain Beefheart & His Magic Band – Abba Zaba (1967)

August 17, 2010

Babbette baboon abba zaba zoom

Hier geht es um einen kalifornischen Schokoriegel mit Erdnussbutter in der Mitte. Don Van Vliet läuft bereits in diesem frühen Stück von dem Debüt Safe As Milk zu poetisch-dadaistischer Hochform auf. Ich hätte jetzt Stein und Bein schwören können, dass ich den Song das erste Mal am Monopteros in Gesellschaft einiger bizarrer Gestalten im Sommer 1985 auf Bongo Fury, der Livekollaboration mit Frank Zappa auf einem ollen ITT-Cassettenrecorder gehört habe, aber wie ich gerade feststellen muss, scheint er auf der Platte gar nicht drauf zu sein. Mein Musikgedächtnis ist wohl auch nicht mehr das, was es mal war. Egal, auf jeden Fall ein leicht abgedrehtes Stück Westküstenrock, ganz nach meinem Gusto.

(Die Liste aller seit dem 1. Februar ausgewählten 171 Songs ist hier.)

Spanischer Wein

August 16, 2010

Ich muss unbedingt noch was über Cariñena schreiben, einen Rotwein aus der Gegend von Saragossa – hi Anton! – der alles was ich bis jetzt an Rebensaft aus spanischen Landen genossen habe, locker in den Schatten stellt. Bei Rioja habe ich ja immer das Gefühl, dass die Spanier versuchen, einen Bordeaux zu machen, ihn aber entweder zu lang im zu feuchten Keller lassen oder was anderes falsch machen. Jedenfalls ist Rioja für mich ein Synonym für Dezeption. Der Cariñena hingegen hat alles, was ein guter Rotwein braucht, eine gute, nicht zu dunkle Farbe, viel Körper, etwas Tannin, aber nicht zu viel, eine gewisse smoothness, bei Pomerol heißt das gras, auf deutsch sagt man Samtigkeit. Ich habe übrigens zwei Flaschen davon zu einem Vortrag gekriegt, den ich kurz vor dem Sommerurlaub gehalten habe. Eine habe ich noch. Nochmal herzlichen Dank für die Entdeckung an den Spender.

2:45 Fehlfarben – Gottseidank nicht in England (1980)

August 16, 2010

Und wenn die Wirklichkeit dich überholt,
hast du keine Freunde, nicht mal Alkohol,
du stehst in der Fremde, deine Welt stürzt ein,
das ist das Ende, du bleibst allein.

So schwer ist mir die Wahl noch nie gefallen, die Anzahl der exquisiten Musikstücke mit 2 3/4 Minuten Länge auf meinem iPod ist Legion. Aurora Borealis von den Meat Puppets z.B., eines der luzidesten Instrumentals überhaupt. Oder das erfrischende Gilles von dem Bretonen Miossec, oder das intime Spät von Tom Liwa. Oder Humor Me, einer der melodischsten Songs von Pere Ubu. Oder Southwood Plantation Road von der eine Beziehungskatastrophe ausmalenden Tallahassee der Mountain Goats. Oder wie Hille Perl was von Marais auf ihrer Kniegeige spielt. Oder Unhappy Birthday von wem wohl? Oder. Oder. Oder.

Ich überlege gerade, was ich 1980 so gemacht habe, wenn ich mich recht erinnere, ging das Jahr los mit unserem (David aus England plus Freund? plus mein Vater plus ich) 50 Kilometer-Langlaufmarathon von Kaprun nach Mittersill und zurück bei -15 Grad und saukaltem Gegenwind. Windchilltemperatur garantiert -25. Die erste Stunde waren meine Hände eiskalt gefroren obwohl sie in dicken Lederfäustlingen versteckt waren. Aber irgendwann hat sich die Körperbewegungswärme gegen die Außenkälte dann durchgesetzt, in der Gruppe wollte und konnte ich mich nicht blamieren, und meine Hände sind aufgetaut. Im Sommer war ich dann, glaube ich wieder mit David und zweien seiner Freunde im Schwarzwald und wir sind von einer Jugendherberge zur anderen gezogen. Freiburg, Titisee, Schluchsee, Ulm, Memmingen etc. Auf der ersten Etappe über den Feldberg hat es den ganzen Tag geregnet und meine Jeans war so nass, dass sie bestimmt 2-3 Kilo gewogen hat und erst nach Ewigkeiten wieder getrocknet ist. Das war die Zeit als es in Danzig mit Walesa und der Solidarnosc losging. Lustigerweise hatten wir auf unserer diesjährigen Jakobswegteilsteckenwanderung auch einen Tag mit Dauerregen. Von Varaire nach Cahors. Mit 35 km eine der längsten Etappen. Wir sind einfach durchgegangen durch den Wald mit zwei Pausen in Scheunen, wo wir uns unterstellen konnten, von 8 Uhr bis 14 Uhr. Ansonsten hätten wir uns erkältet. Nach 25 km war Schluss mit dem Regen, die Funktionsklamotten sind ratzfatz getrocknet und wir sind die letzten 2 Stunden in der Sonne nach Cahors. Die Aussicht von oben hinunter auf den Ort, der vom Lot wie von einem U umflossen wird, allein war es wert. Der Abstieg war allerdings Gift für meine Knie. Wieso schreib ich das alles? Weil ich auch mal was erzählen will.

Jetzt habe ich nichts über das Lied geschrieben. Das macht glaube ich nichts, da es für sich spricht. Einfach laut aufdrehen und die Zeitmaschine transportiert euch dreißig Jahre zurück. Und mithilfe der Coda gelingt dann wieder der Sprung zurück ins heute. Es klappt, glaubts mir.

(Die Liste aller seit dem 1. Februar ausgewählten 170 Songs ist hier.)

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August 16, 2010


(from here via here)

2:46 The Smiths – Handsome Devil (1983)

August 15, 2010

Let me get my hands
On your mammary glands
And let me get your head
On the conjugal bed

Ein weiteres frühes Lied der Band aus Manchester mit dem Allerweltsnamen. Die Lyrics gehen offensichtlich um Sex, wobei nicht ganz klar ist, ob zwischen pubertierenden Jungens oder zwischen einem Jungen und einer älteren Frau. Schwer vorzustellen, dass eine Band heutzutage mit einem derartigen Text nicht der politischen Inkorrektheit geziehen würde. Aber die Lyrics interessieren mich hier – bis auf den sehr prägnanten Titel – eigentlich weniger. Der Song hat vom musikalischen her etwas Bedrohliches. Er scheint sich im Verlauf zu beschleunigen, er rockt wie kaum ein anderes Lied der Smiths. Hier kommen die punkigen Wurzeln der Band zum Vorschein. Das ist hier die Peel-Session-Version, wie sie dann später auf Hatful of Hollow veröffenticht worden ist. Natürlich liebe ich auch den Garagensound, später waren die Produktionen dann glatter und perfekter. Hier hingegen kann man noch den ungeschliffenen Diamanten hören.

(Die Liste aller seit dem 1. Februar ausgewählten 169 Songs ist hier.)

2:47 The Dandy Warhols – Retarded (2000)

August 14, 2010

Well I really might seem retarded
But I really want to see you again

Samstag abend, es ist die Zeit für sonnige, leichte Musik. Dieses Liedchen der Dandy Warhols aus Portland an der Pazifikküste passt da sehr gut; die hymnische Melodie macht süchtig nach mehr, die Lyrics sind eher sinnbefreit, mehr braucht kein Mensch heute abend. Na dann feiert mal schön!

(Die Liste aller seit dem 1. Februar ausgewählten 168 Songs ist hier.)

2:48 Blumfeld – Superstarfighter (1994)

August 13, 2010

Als der Strom weg war
kamst Du zu mir
und Du sagtest: „Los komm, erklär mir
in den Liedern, die Du spielst
ist immer weniger von Dir selber drin.“
„Stimmt genau,“ sag ich
„die sind so wie ich selber bin.“

Das Lied habe ich das erste Mal in Bernard Lenoir’s abendlicher Independent Musik-Sendung auf France Inter gehört. Und es war damals seit langer, langer Zeit mal wieder eine deutsche Band, die mich beeindruckt hatte. Jochen Distelmeyer’s seltsam verschwurbelte, philosophisch angehauchte Texte gekoppelt mit einem gleichzeitig spröden und ohrwurmigen Gitarrensound hatten es mir sofort angetan. L’Etat et Moi blieb dann die einzige CD, die ich mir von Blumfeld angeschafft habe, zum einen habe ich sie aus den Ohren verloren, zum andern hatte ich bei jedem der wenigen, neuen Lieder, die ich im Laufe der Zeit von ihnen gehört habe das Gefühl, das ihre Musik immer beliebiger und softer wurde.

(Die Liste aller seit dem 1. Februar ausgewählten 167 Songs ist hier.)

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August 12, 2010

Sein Projekt war es, das Internet so vollzuschreiben, dass es platzte. Eines donnerstags abends im August fing er damit an. Nach drei Sätzen musste er allerdings erst einmal eine kleine Pause machen; Rom wurde ja auch nicht an einem Tag erbaut, dachte er so bei sich.

2:49 The Smiths – Girl Afraid (1984)

August 12, 2010

Girl afraid
where do his intentions lay?
Or does he even have any?

She says:
„He never really looks at me
I give him every opportunity
in the room downstairs
he sat and stared
in the room downstairs
he sat and stared
I’ll never make that mistake again!“

Boy afraid
prudence never pays
and everything she wants costs money

„But she doesn’t even LIKE me!
and I know because she said so
in the room downstairs
she sat and stared
in the room downstairs
she sat and stared
I’ll never make that mistake again!“

Mein Lieblingslied von meiner Lieblingsgruppe. Eine B-Seite. Tja, manchmal kommt es mir so vor, als lebte ich in einem B-Universum. Und ich lebe gerne da. Der Plot ist simpel. Er ist in sie verschossen. Sie in ihn. Beide sitzen in ihren Wohnungen und trauen sich nicht. End of story. Meine Interpretation. Morrissey’s Absichten waren eventuell andere. Ich mag an dem Song die Schnelligkeit (in der Erinnerung ist er viel schneller), den Punch, das Hingerotzte, das Punkige. Nur die frühen Smiths hatten diese Art von schnoddriger Dringlichkeit. Hier war Morrissey noch er selbst und kein Popstar. Zumindest noch nicht das, was er für einen Popstar hielt.

(Die Liste aller seit dem 1. Februar ausgewählten 166 Songs ist hier.)

2:50 Nick Drake – Milk and Honey (Jackson C. Frank, 1967/68)

August 11, 2010

Gold and silver
Is the autumn
Soft and tender
Are the skies
Yes and no
Are the answers
Written in
My true love’s eyes

I couldn’t decide if The Smiths Handsome Devil or The House of Love’s Man to Child was better so I went for this. I didn’t even know this song beforehand. It was recorded as a demo tape in Tanworth in Arden, the sound quality is rather poor, there are background noises which add a certain charm of imperfection and authenticity to it. For some reason I needed something pure and stark tonight. Here it is. An early Nick Drake recording where he covers someone else who did not become famous neither. Would it have changed something for Nick Drake if he had become succesful? In the past I had always hoped that it would not have changed a thing, that he would have killed himself anyway. But these days I am not so sure anymore. Does anybody know what I am talking about? I have no clue whatsoever why I wrote this in English by the way. Somehow it wouldn’t have felt right in German.

(Die Liste aller seit dem 1. Februar ausgewählten 165 Songs ist hier.)

Die Grenzen meiner Welt

August 10, 2010

In Anlehnung an Mek Wito eine geraffte Übersicht meiner ganz persönlichen vier geographischen Extrempunkte.

Norden:
Bollnäs, Schweden (61° 21′ N, 16° 24′ O)

Westen:
Ocean Beach, San Francisco, CA, USA (37° 45′ 34″ N, 122° 30′ 39″ W)

Osten:
Nevşehir, Kappadokien, Türkei (38° 37′ 35″ N, 34° 42′ 50″ O)

Süden:
La Restinga, El Hierro, Kanaren, Spanien (27° 38′ 27″ N, 17° 58′ 48″ W)

2:51 Yo La Tengo – Stockholm Syndrome (1997)

August 10, 2010

No, don’t warn me
I know it’s wrong, but I swear it won’t take long
And I know, you know,
It makes me sigh; I do believe in love

Hier geht es wohl um das nach einer mehrtägigen Geiselnahme in einer Bank in Stockholm 1973 benannte psychologische Phänomen, dass Geiseln zu ihren Geiselnehmern häufig ein Vertrauensverhältnis aufbauen und mit ihnen sympathisieren. Im Unterschied zu den meisten Yo La Tengo-Songs singen hier weder Georgia Hubley noch Ira Kaplan Lead. Es ist der Dritte im Bunde, James McNew, der Bassist mit der Bärengestalt, der mit seiner sanften Fistelstimme die Vocals beisteuert. Das Lied verläuft in sehr ruhigen Fahrwassern, hat aber eine Melodie, der man nur schwer widerstehen kann. Man ist sozusagen ihr Gefangener und man ist es liebend gerne. Stockholm-Syndrom halt.

(Die Liste aller seit dem 1. Februar ausgewählten 164 Songs ist hier.)

Ein Lothar Matthäus

August 10, 2010
  • läßt sich nicht von seinem Körper besiegen, ein Lothar Matthäus entscheidet selbst über sein Schicksal.
  • gehört in den Sportteil und nicht auf die Klatschseiten.
  • spricht kein Französisch.
  • auf neuem Kurs.
  • denkt um.
  • ist auch eher ein Kandidat für den Chef-Posten.
  • spricht nicht über Lothar Matthäus.
  • braucht keine dritte Person, er kommt sehr gut allein zurecht.
  • lässt sich nicht verarschen!
  • gibt nie auf.

(Quelle)

2:52 Red House Painters – Summer Dress (1995)

August 9, 2010

says a prayer as she’s kissed by ocean mist
takes herself to the sand and dreams

Leider hat es mein Lieblingslied von Mark Kozelek aka den Red House Painters, Katy Song aus chronologischen Gründen – es ist mit über 8 Minuten leider einige Minuten zu lang – nicht in dieses Projekt geschafft. Dafür aber dann dieses Kleinod, das nicht besonders typisch für Kozelek ist, da es dem Label Sadcore, das seiner Musik ansonsten anhaftet, nicht wirklich entspricht. Allein schon die Instrumentierung ist mit dem zusätzlichen Einsatz von Cello und Streichern wesentlich opulenter als der üblicherweise auf die einsame Akustikgitarre beschränkte typische RHP-Song. Das klaustrophobische, depressive Element ist hier einer fast schon freudigen Gelassenheit gewichen. Wie kann es auch anders sein, wo es doch um ein Sommerkleid geht, das die Schönheit derjenigen, die es trägt, noch hervorhebt. Langsam ist allerdings auch dieses Stück, dem anderen häufig mit den RHP in Verbindung gebrachten Genre Slowcore kann man es also weiterhin zurechnen.

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2:53 Lloyd Cole – How Wrong Can You Be? (rough mix 2005)

August 8, 2010

Von dieser instrumentalen Rohversion eines relativ neuen Titels von Lloyd Cole habe ich schon mal in meinem Vorgängerblog close your eyes geschwärmt und habe dem eigentlich nichts hinzuzufügen:

no expectations
die schönsten momente im leben sind eigentlich immer die, die man nicht erwartet hat, die ohne eigenes zutun über einen gekommen sind. für musik gilt das genauso. vielleicht sogar noch mehr. völlig nichtsahnend habe ich mir vorhin dieses instrumental angehört (link credit to the pinefox). und ich hatte plötzlich so ein kostbares gefühl der durchlässigkeit, der dünnhäutigkeit, der überempfindlichkeit, der fragilität. wie soll ich es beschreiben? meine ganze konzentration war nur noch auf die musik gerichtet, ich wollte sie mit den ohren und dem hirn aufsaugen, nichts verschütten, den genuss bloß nicht durch eine andere gleichzeitige aktivität verwässern. nur noch hinhören und hineinkriechen in das lied. natürlich ist die melodie melancholisch und doch ist das stück gleichzeitig sehr gelassen, es hat etwas souveränes, derjenige, der es komponiert hat, muss lebenserfahrung haben. es ist von lloyd cole, den ich etwas aus den augen verloren habe, von seinem letzten album antidepressant. es heißt how wrong can you be? …

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2:54 The Beatles – Julia (1968)

August 8, 2010

Half of what I say is meaningless
But I say it just to reach you, Julia
Julia, Julia, oceanchild, calls me
So I sing a song of love, Julia
Julia, seashell eyes, windy smile, calls me
So I sing a song of love, Julia
Her hair of floating sky is shimmering
Glimmering in the sun

Diese Liebesweise John Lennon’s ist gleichzeitig an seine früh verstorbene Mutter Julia wie auch an Yoko Ono, deren Vorname auf japanisch Meereskind bedeutet, gerichtet. Ich habe sie erst sehr spät Ende der Achtziger zum ersten Mal gehört und seitdem ist sie mein Lieblingslied der Beatles, die hier außer Lennon allerdings gar nicht mitspielen. Die sehr privat-persönliche Stimmung kommt auch darin zum Ausdruck, dass man als Zuhörer das Gefühl hat, dass John Lennon einem die intimen Worte direkt in die Ohrmuscheln flüstert. Dazu spielt er im gerade von Donovan in Rishikesh gelernten Fingerpicking-Stil akustische Gitarre. Die Melodie ist sehr einfach gehalten und hat etwas von einem besänftigenden Wiegenlied. Sie erinnert mich entfernt an Joni Mitchell’s Blue, das allerdings erst etwas später geschrieben wurde.

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2:55 The Feelies – Original Love (1980)

August 6, 2010

You don’t know what you’re after
You never seem to notice
The distance between us

Das ist jetzt schon das dritte Lied von den Feelies, aber erst das erste vom Debütalbum Crazy Rhythms. Sie sind vielleicht die Band, die meinem Faible für quirlig und virtuos vorgetragene Gitarrenmusik am ehesten entgegenkommt. Wie in so vielen ihrer Stücke ist auch hier wieder eine Leichtigkeit und Unschuldigkeit gekoppelt mit einer hohen Melodiosität und einer sanften Melancholie zu spüren. Die starke rhythmische Komponente sorgt für einen nahezu unwiderstehlichen Sog. An einer Stelle harmonieren die Gitarren so als hätte jemand aus ihren Saiten einen dunkelroten, mit vielen abstrakten Formen versehenen dichten Perserteppich geknüpft.

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2:56 Nirvana – Lake of Fire (1983/93, live)

August 5, 2010

Where do bad folks go when they die?
They don’t go to heaven where the angels fly
They go to the lake of fire and fry

Ein weiterer Song von Unplugged, Nirvana’s akustischem Spätwerk, das gleichzeitig ihr Meisterwerk war und kein halbes Jahr vor Cobain’s Kopfschuss aufgenommen und ein halbes Jahr danach veröffentlicht wurde. Eigentlich hat dieses Lied so gut wie nichts mit Nirvana zu tun, da es zum einen von den Meat Puppets stammt, einer psychedelischen Gitarrenband aus Phoenix, Arizona (ihr Stil wird häufig als cow punk bezeichnet) und zum andern die beiden Kirkwood-Brüder (die genialen Gitarristen der Meat Puppets) hier mit Cobain spielen, der nur singt. Wobei die intensive und emotionale Art wie er singt deutlich macht, dass ihm dieses Lied ganz besonders nah am Herzen liegt. Dave Grohl, Nirvana’s Drummer ist auch mit von der Partie und trommelt sehr einfühlsam und zurückhaltend, aber die Melodie wird einzig und allein von den zwei Meat Puppets gespielt. Hier noch das MTV-Livevideo weil es die Gänsehaut-Atmosphäre unwahrscheinlich gut rüberbringt.

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Es geht nichts mehr ohne Gehen

August 4, 2010

Nach 20 Tagen hintereinander mit nahezu 30 Km Fußmarsch pro Tag habe ich seit der Rückkehr am Samstag einen sich täglich verschlimmernden Muskelkater in meinen Beinen bekommen. Aus lauter Verzweiflung bin ich heute daher von meinem Arbeitsplatz in der Nähe des Gendarmenmarkts bis nach Wilmersdorf zu Fuß gelaufen. In nur etwas über einer Stunde. Die öffentlichen Verkehrsmittel sind auch nur etwa 50% schneller. Zumindest ist der Muskelkater jetzt nicht mehr ganz so schlimm. Überraschend auf dem Weg war wie leer das Zentrum von Berlin doch im Vergleich zu Paris z.B. ist. Da waren ein paar Touristen am KZ-Gedenkmal, ein paar mehr am Potsdamer Platz, aber ansonsten waren da zwischen 6 und 7 abends nur ein paar versprengte Figuren.

2:57 Aphex Twin – IZ-US (1997)

August 4, 2010

Stop making that big face!

Mit der Auswahl dieses Tracks habe ich mich selbst überrascht. Ich bin ja normalerweise nicht so der Fan von elektronischer Musik; bis jetzt habe ich erst ein derartiges Stück in diesem Projekt besprochen. Und es war ähnlich wie auch hier eine Art von synthetisch generierter Musik bei der man meinen konnte, dass der bzw. die Bediener den zur Sounderzeugung benutzten Maschinen Gefühle entlockt haben. Auf IZ-US höre ich eine diffuse, träumerische Sehnsucht gekoppelt mit einer tiefen Traurigkeit in den Synthesizerklängen. Als wären die Maschinen unsere Brüder und genauso wie wir völlig einsam und verloren im Kosmos. Die Drumprogrammierung ist nicht ganz so monoton und steril wie so oft; es liegt vielleicht auch daran, dass es sich nahezu ausnahmslos um relativ hohe Beckenklänge handelt. Insgesamt ist das Stück sehr vielfältig mit den Flötenlinien und einigen fetteren Bassbeats, die aber schön im Hintergrund bleiben. Meiner Meinung nach ist Richard D. James einer der ganz wenigen, die in der Lage sind, lebendige, abwechslungsreiche elektronische Musik mit einem human touch zu kreieren.

(Die Liste aller seit dem 1. Februar ausgewählten 158 Songs ist hier.)

2:58 Roxy Music – Virginia Plain (1972)

August 3, 2010

Baby Jane’s in Acapulco, we are flyin‘ down to Rio
Throw me a line I’m sinking fast
Clutching at straws can’t make it

Die erste Single von Roxy Music, die kurz vor den olympischen Sommerspielen in München im August 1972 rausgekommen ist und bis auf Nummer 4 in den britischen Charts kam. Lang, lang ist’s her, aber Falten hat dieses Stück in den 38 Jahren seitdem nicht gekriegt. Es ist so spritzig und stylish wie eh und je. Phil Manzanera’s kurzes Gitarrensolo ist angeblich völlig improvisiert. Brian Eno bearbeitet den Synthesizer und sorgt für die elektronischen Effekte, Bryan Ferry spielt die vibrierende Pianetlinie, Andrew Mackay die Oboe und das Saxophon. Der Name des Titels wird erst ganz am Ende genannt, es handelt sich natürlich um Tabak. Bryan Ferry hatte 1964 in seiner Zeit als Kunststudent ein Bild einer riesigen Zigarettenpackung mit dieser jungen Frau auf dem Cover gemalt, die inmitten einer Ebene steht. Ich glaube, ich kauf mir gleich auch ne Packung Van Nelle mit Blättchen, damit ich das Drehen nicht völlig verlerne. Der wilde Geruch von Tabak fehlt mir fast genauso sehr wie das teuflische Nikotin.

(Die Liste aller seit dem 1. Februar ausgewählten 157 Songs ist hier.)

2:59 The American Analog Set – Choir Vandals (2001, live)

August 2, 2010

Selten hat ein Titel so wenig auf die Musik – und auch die Musiker – gepasst wie hier. Die netten, lieben Boys aus Austin, Texas machen auch hier wieder sehr langsame und ruhige, geradezu zärtliche Musik, die die Ohren des Zuhörers umschmeichelt. Sie haben ihren eigenen hypnotisch-minimalistischen, harmonisch-melodischen Sound gefunden, keiner klingt wie sie. Das ist es, was eine gute Band für mich ausmacht: Die Einzigartigkeit des Klangs. Als kleine Abwechslung dienen die Breaks, die mich an diese Perforation am rechten Autobahnrand erinnern, die das Einschlafen des Fahrers verhindern soll, da der Wagen beim Drüberfahren leicht durchgerüttelt wird (weiß einer wie die heißt?). Mit so einer Pause hört das Stück natürlich dann auch auf. Man erwartet, dass es wieder anhebt, aber die Erwartung wird enttäuscht. Einen zusätzlichen Charme bezieht diese mp3 daraus, dass sie von einer Vinylscheibe mit einem kleinen Kratzer stammt. Das sich repetierende Knacken koinzidiert wunderbar mit dem permanent repetierten Motiv. Lang lebe die unperfekte Analog-LP.

(Die Liste aller seit dem 1. Februar ausgewählten 156 Songs ist hier.)

Ultreïa

August 2, 2010


Bevor es hier mit dem normalen Programm weitergeht, eine der beiden musikalischen Entdeckungen unseres diesjährigen Jakobswegteils. Das bekannteste Pilgerlied, gezupft und gesungen in der Herberge von Carrión de los Condes. Wir haben es in der Abtei von Conques vor dem Abendessen gesungen. Ultreïa heißt so viel wie „immer weiter“ (gehen) und „immer höher“ (im geistig/seelischen Sinne kommen). Das Wort rief uns auch ein illuminierter Rückkehrer aus Santiago zu, der uns auf der alten Eisenbahntrasse kurz vor Éauze morgens entgegenkam. Er sah aus wie ein Indianer mit seinem Federschmuck am Pilgerstab, den seltsam flattrigen, orangenen Kleiderfetzen am Leib, den Sandalen und dem auf den Rücken geschnallten aus Weide geflochtenen Korb mit seinem restlichen Gepäck (hauptsächlich dreckige Wäsche wie mir schien).

Hier noch der Text des Liedes:

Tous les matins nous prenons le chemin,
Tous les matins nous allons plus loin.
Jour après jour, St Jacques nous appelle,
C’est la voix de Compostelle.
Ultreïa ! Ultreïa ! E sus eia Deus adjuva nos !
Chemin de terre et chemin de Foi,
Voie millénaire de l’Europe,
La voie lactée de Charlemagne,
C’est le chemin de tous mes jacquets.
Ultreïa ! Ultreïa ! E sus eia Deus adjuva nos !
Et tout là-bas au bout du continent,
Messire Jacques nous attend,
Depuis toujours son sourire fixe,
Le soleil qui meurt au Finistère.
(Paroles et musique Jean-Claude Benazet)