Archive for Februar 2024

3758

Februar 29, 2024

Ein schwankendes Schiff

bei völliger Windstille

It’s the age, stupid!

3757

Februar 28, 2024

„Du hast nichts gesagt.

Nach deinem Tod blüht alles.

Ich wander allein.“

[Mary Timony – No Thirds]

3756

Februar 28, 2024

Wenn gegen Ende

die Geige beschleunigt und

gen Himmel abdreht

[Roxy Music – Out of the Blue]

3755

Februar 28, 2024

wenn in der u-bahn

plötzlich eine junge frau

für einen aufsteht

3754

Februar 28, 2024

Die ersten Schritte

nach dem Aufstehn ein Humpeln

seit drei Monaten

Welches Glück

Februar 28, 2024

Welches Glück, ein Bad zu haben

Welches Glück, dass das Bad gut temperiert ist

Welches Glück, eine Dusche zu haben

Welches Glück, dass aus dem Brausekopf Wasser fließt

Welches Glück, dass das Wasser klar ist

Welches Glück, dass es nicht riecht

Welches Glück, dass es warm ist

Welches Glück, dass es nicht siedet

Welches Glück, dass der Wasserstrahl weich ist

Welches Glück, dass die Chromarmatur glänzt

Welches Glück, das Wasser auf der Haut zu spüren

3753

Februar 28, 2024

Ich hätte jetzt gern

eine Bundeskanzler:in

mit Kriegserfahrung

3752

Februar 28, 2024

Vor dem Verstummen

Schnell noch ein Haiku schreiben

Die Worte retten

3751

Februar 27, 2024

Zweieinhalb Stunden

ruhig auf nem Stuhl sitzen

Schmerzen aushalten

3750

Februar 26, 2024

Wo der Weg langgeht,

ist eigentlich völlig schnurz

Man muss ihn nur gehn

3749

Februar 26, 2024

we are approaching

an ultimate level of

sophistication

[The Smile – Bending Hectic]

3748

Februar 25, 2024

Die Waisenmädchen

entdecken das Piano

im Kirchenkeller

[Margherita Vicario – Gloria!]

3747

Februar 25, 2024

Der Weg ins Weiße

Auf sich alleine gestellt

Alle Männer gleich

[Min Bahadur Bham – Shambhala]

3746

Februar 25, 2024

Anfangs wegpennen

Im Laufe der Vorstellung

Langsam aufwachen

3745

Februar 25, 2024

Fanny et Lena

Le couple franco-allemand

se radicalise

[Claire Burger – Langue Etrangère]

3744

Februar 24, 2024

Unter den Sohlen

Aus dem Nichts in der Hornhaut

Kleine Orgasmen

3743

Februar 24, 2024

Nach dem Zebramahl

macht der Löwe Siesta,

lässt die Löwin ran

[Romuald Karmakar – Der unsichtbare Zoo]

3742

Februar 24, 2024

Gemeinsam zu zweit

fremde Menschen anlächeln

Wer kriegt mehr Feedback?

[Kazik Radwanski – Matt and Mara]

3741

Februar 24, 2024

Musik, ganz leise

„And now comes my favourite part.“

Ja! Dayvan Cowboy!

[Atom Egoyan – Seven Veils]

3740

Februar 23, 2024

Geldübergaben

Architekturzeitschriften

Kein Wort verloren

[Thomas Arslan – Verbrannte Erde]

3739

Februar 23, 2024

Münchener Mädchen

ne Super-8-Kamera

in die Hand geben

[Edgar Reitz, Jörg Adolph – Filmstunde_23]

3738

Februar 23, 2024

Stimme verloren

Irrungen und Wirrungen

Liebe gewonnen

[Nathan Silver – Between the Temple]

3737

Februar 23, 2024

Fünf Stunden im Stau

Im Regen hat es gekracht

Um halb drei im Bett

3736

Februar 22, 2024

Ein leichtes Tröpfeln

Die Natur für uns allein

dank Regenradar

3735

Februar 22, 2024

Am frühen Morgen

musikalisch richtig fest

umarmt zu werden

[Khruangbin – May Ninth]

3734

Februar 21, 2024

Aus Legosteinen

gemeinsam ein Haus bauen

und dann drin wohnen

[Kurt Rosenwinkel – Use of Light]

Elisabethpfad 9. Etappe: Amöneburg – Marburg 16

Februar 19, 2024

So leicht wie heute
wirst du lange nicht mehr sein
Steig so viel du kannst!

Heute die letzte Etappe. Frühmorgens bin ich etwas kurzatmig, wahrscheinlich wegen der Fettverbrennung. Ein Frühstück nach Maß. Eine Thermoskanne mit 0,75 l grünem Tee und Orangensaft, mehr kann man von einem Frühstück nicht erwarten (als Saftfastender).

Komme ins Gespräch mit der Hotelierin. Sie und ihr Mann kommen aus Friesland an der dänischen Grenze. Sie redet über ihre Tochter, die sich auf eigenen Wunsch mit 14 hat taufen lassen, ich rede übers Wandern. Es gibt eigentlich nur wenig direkten Bezug, aber es ist ein absolut befriedigendes Gespräch, wir hören uns gegenseitig zu. Immer wieder dieses schöne Gefühl, wenn man sich selbst öffnet, öffnet sich der andere auch.

Draußen ist es etwas ungemütlich, 5 Grad, diesig und feucht. Egal, da muss ich jetzt durch. Zumindest geht es erst einmal ein langes Stück bergab. Diese mystische Stimmung aufgrund des wabernden Nebels. Ich liebe sie.

Der Weg ist sehr angenehm zu gehen, erst asphaltiert, dann ein Schotterweg, der ein reiner Wiesenweg wird.

Zwischen Amöneburg und Kleinseelheim

Im Hintergrund hört man ganz leise Verkehr. Langsam hebt sich der Schleier des Nebels. Die äußeren Umrisse der Bäume werden sichtbar.

Die Kirche in Kleinseelheim ist leider verschlossen, Gottesdienste – heute ist immerhin Sonntag – scheinen in der Gegend Mangelware zu sein.

Ich komme zum Elauer Wäldchen, wo früher Leinfasern produziert wurden. Dies benötigte viel Wasser und endete mit dem Wüstfallen von Elau.

Direkt dahinter der Klenseelemer Scheferboen. Bis 1976 gab es hier einen Gemeindeschäfer, dessen Vater 1900 zwei Robinien pflanzte und zehn Jahre später einen 4,50 m tiefen Brunnen aushob, um die Schafe zu tränken. Dieser Brunnen war vergessen und voller Unrat und wurde 2010 durch eine Privatinitative wieder hergerichtet.

Hinter Kleinseelheim: Der Schäferbrunnen

Ich laufe hier auf einem Wiesenweg zwischen den Äckern, hoch über mir das Zwitschern der Feldlerchen, ein sehr angenehmes Hintergrundgeräusch.

Am Elisabethbrunnen eine Frau, die von der gut sprudelnden Quelle trinkt. Es hängt dort zwar ein „Kein Trinkwasser“-Schild, aber sie sagt mir, das Wasser würde nur nicht regelmäßig kontrolliert, wäre aber einwandfrei. Ich tue es ihr gleich und muss mich ziemlich tief hinunterbücken. Das Wasser ist eisig und nur in kleinen Schlücken zu genießen. Eine schöne Erfrischung.

Elisabethbrunnen

Ich komme nach Schröck. in der katholischen  Barockkirche eine ausführliche Infomappe für Pilger sowie Konserven und Essbares.

Schröck, katholische Kirche: In der Tradition von Elisabeth

Es geht nun an einer stark und schnell befahrenen Straße und durch eine etwas unübersichtliche Wegführung über eine Schnellstraße hinweg an der alten Schwerthinrichtungsstätte Rabenstein zur Fußgängerzone von Weidenhausen mit vielen Fachwerkhäusern. Über die Lahn und ich bin im Zentrum an der Universitätskirche, gehe durch den alten botanischen Garten. Dort schaue ich zwei Teichrallen beim Hahnenkampf zu.

Marburg, alter botanischer Garten: erste Krokusse

Ich bin jetzt am Ziel meiner Pilgerwanderung, der Elisabethkirche in Marburg, angelangt. Sie ist die früheste rein gotische Kirche Deutschlands. Der Grundstein wurde 1235, nur 4 Jahre nach Elisabeths Tod gelegt. Leider wird der Chorraum saniert und weder das Grab Elisabeths noch die Jesusfigur von Barlach sind zugänglich. Dafür kann man den Goldenen Schrein mit vier Szenen aus ihrem Leben sehen.

Marburg, Elisabethkirche: Goldener Schrein
Marburg, Elisabethkirche

Anschließend trinke ich in einem netten Studentencafe noch zwei frische Minztees  und mache eine Altstadtführung rauf und runter durch das Gassengewirr bis hoch hinauf zum Schloss auf den Spuren der Gebrüder Grimm. Eine sehr amüsante Schnitzeljagd, wo man genau hingucken musste, um die Motive aus den Märchen zu finden. Der langsam zunehmende Nieselregen tat meiner Entdeckungslust keinen Abbruch.

Marburg, Rathaus, hier war ich schon einmal vor über 40 Jahren auf einer Deutschlandradtour mit einem Vetter von mir gewesen
Marburg, Grimmpfad: Das tapfere Schneiderlein
Marburg, Grimmpfad: Schneewittchen
Marburg, Landgrafenschloss
Marburg, Grimmpfad: Hänsel und Gretel, schwer zu finden, an einem Spielplatz

Am Ende eine Karte mit Inspirationen für kommende Wanderungen:

Marburg, Karte mit drei Elisabethpfaden

Und ganz zum Schluss: Auf rund 200 Kilometern habe ich in zehn Tagen 7,5 Kilo abgenommen, also anderthalb Pfund pro Tag. Jetzt geht es ans Fastenbrechen. Der Apfel liegt bereit.

3733

Februar 18, 2024

Es gibt Lieder, die

mich einfach nur plattmachen,

wie ne Dampfwalze

[Mary Timony – Valley of One Thousand Perfumes]

3732

Februar 18, 2024

Straßenmusiker

und Bettler mit zwei Hunden

teilen brüderlich

3731

Februar 18, 2024

So leicht wie heute

wirst du lange nicht mehr sein

Steig so viel du kannst!

3730

Februar 18, 2024

Der Morgenländer

Augen weit aufgerissen

nach meinem Anblick

[Stadtallendorf]

3729

Februar 18, 2024

Auf dem Wiesenweg

Oben zwitschern Feldlerchen

Links und rechts Acker

3728

Februar 18, 2024

Ein Frühstückspläuschchen

Genug Flüssigkeit getankt

Es kann losgehen

3727

Februar 18, 2024

Bitte Tür schließen

steht an der Kirchenpforte

Doch die Tür ist zu

3726

Februar 18, 2024

Der Morgennebel

Die Konturen der Bäume

Eine Welt entsteht

3725

Februar 18, 2024

Nach Glockenschlägen

morgens um 6 Entspannung

In Halbschlaf gleiten

Elisabethpfad 8. Etappe: Stadtallendorf – Amöneburg 12

Februar 17, 2024

Menschen stehen an
Es gibt Bratwurst mit Pommes
Ein Duft, der betört

Heute der vorletzte Tag mit der kürzesten Etappe. Trotzdem kein Zuckerschlecken. Eine gewisse Fasten- und Wandermüdigkeit macht sich im Laufe der Etappe bei mir breit. Die Waden ziehen, die Kniee sind eingerostet, Anfechtungen machen sich bemerkbar.

Das Frühstück sehr übersichtlich, leider kein Tee – das ist ein Problem für den Flüssigkeitshaushalt, wer trinkt schon einen Liter Wasser frühmorgens, ich nicht – aber etwas exotisch. Kombucha mit Ingwer. 2,4% Zucker, mit Kohlensäure, brennt etwas.

Stadtallendorf: Mein Frühstück

Geschichtsexkurs: Vor dem 2. Weltkrieg war Stadtallendorf noch ein Dorf mit 1.500 Einwohnern. Während des Krieges wurde es dann laut dem Dokumentationszentrum der größte Rüstungsindustriestandort Europas. Zwangsarbeiter aus vielen Nationen produzierten Sprengstoff für die Wehrmacht. Nach dem Krieg ließen sich viele Vertriebene in der Region nieder. Es siedelten sich diverse Industrieunternehmen an, was zu einem Wirtschaftsboom führte. Von den heute über 21.000 Einwohnern sind etwa ein Viertel Muslime.

Es geht halb zehn los, ich lasse mir viel Zeit, bin nicht motiviert. Draußen bin ich erst einmal desorientiert, laufe in die falsche Richtung, aus der ich gestern gekommen bin. Muss erst wieder den Weg finden, da ich etwas abseits bin. Das Wetter bedeckt, es muss geregnet haben, ein Gefühl der Klammheit. Temperaturcheck 8 Grad. Bingo!

Der Weg nach Westen ist leicht kurvig und abschüssig und läuft zwischen den Feldern lang. Man hat eine weite Sicht über die Felder und Wiesen. Aus einer Asphaltstraße wird ein Feldweg, der sehr angenehm zu gehen ist. Meine Anwesenheit scheucht die unauffälligen hellbraunen Feldlerchen auf, die tirillierend durch die Lüfte schweben.

Nach knapp einer Stunde komme ich in Langenstein an, benannt nach dem 10 t schweren, über 5 m hohen Menhir aus der Jungsteinzeit, wohl einer der Größten Deutschlands.

Langenstein: Namensgebender Menhir

Die schnucklige Jakobuskirche weist eine Besonderheit auf. Ein freischwebendes zweischichtiges und zweifarbiges Netzgewölbe im Chorraum. So etwas gibt es in Deutschland nur noch in Frankfurt (St. Leonhard) und in Meisenheim.

Langenstein, Jakobuskirche: Netzgewölbe

Als ich aus dem Ort heraustrete, fällt in der Ferne ein die Landschaft dominierender Hügel mit einer Kirche drauf auf. Es ist mein Etappenziel, Amöneburg. Einerseits ist es schön, sein Ziel so direkt vor Augen zu haben, man kann einschätzen, wie weit es weg ist. Andererseits zollt es einem natürlich auch Respekt ab, insbesondere die erhöhte Lage, da ist noch etwas physikalische Arbeit angesagt heute.

Langenstein: Blick auf Amöneburg

Mein Tempo ist heute gemächlich, ich bin um 14 Uhr im Hotel angemeldet, acht km in drei Stunden, die Zeit läuft nicht weg.

Ich gehe nun weiter zwischen Feldern und Wiesen, komme bald zum nächsten Ort, Kirchhain, den ich mehr oder weniger komplett durchqueren muss. Das Autokennzeichen ist hier jetzt MR für Marburg. In der nach 1945 wiederaufgebauten katholischen Elisabethkirche stempele ich in der Taufkapelle meinen Pilgerausweis, in dem noch Platz ist, pro Tag kriege ich meist mehrere Stempel zusammen.

Neben dem Standesamt steht eine längere Schlange an einem Imbiss, wo es Bratwurst mit Pommes gibt an. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen. So langsam beginne ich mich sehr auf das Ende meines Fastenintermezzos zu freuen.

Kirchhain: Standesamt

Aus Kirchhain raus geht es über die recht stattliche Ohm im Zickzack über Felder und Wiesen. Eine Gruppe von Landschaftspflegern macht ein Feuer. Es geht nun spürbar aufwärts, ich komme ins Schwitzen, ziehe die Jacke aus und binde sie mir um.

Aufstieg nach Amöneburg: Hinweis

Nach gut der Hälfte des Anstiegs lächelt  mich eine Liegebank an und ich kann nicht widerstehen. Vor meinen Augen ein grüner, rundlicher Hügel mit Steinen und Gebüsch drauf. Es hat etwas Künstliches, Steingartenartiges. Auf jeden Fall entspannend.

Aufstieg nach Amöneburg: Aussicht von der Liegebank

Oben angekommen, habe ich noch eine halbe Stunde Zeit und entscheide mich für den Mauerrundweg.

Amöneburg, Mauerrundweg

Man muss wissen, Amöneburg liegt komplett oben auf dem Hügel und wird zu großen Teilen auch heute noch von einer Stadtmauer umgeben. Der Weg bietet Ausblicke nach Kirchhain, wo ich gerade herkomme und nach Stadtallendorf, wo ich übernachtet habe. Es gibt einige Tore zu sehen sowie die alles überragende katholische Stiftskirche von 1871.

Amöneburg, Mauerrundweg: links Stadtmauer, rechts Stiftskirche

Der Blick nach Westen gibt einen Ausblick auf den Charakter der morgigen, letzten Etappe. Viel Grün, viel Natur, kaum Orte. Marburg ist von hier noch nicht zu sehen.

Amöneburg, Mauerrundweg: Blick nach Westen

In der geräumigen Stiftskirche fällt mir auf, dass ich, wenn ich mich recht erinnere, in keiner Kirche, die ich auf dieser Wanderung bisher besucht habe, auch nur eine Menschenseele getroffen habe. Das scheint mir doch schon sehr bezeichnend.

Den Elisabeth-Altar hinter dem Hochaltar finde ich genauso wenig wie den Pilgerstempel. Dafür eine Elisabethfigur, ich glaube, die erste, die ich im Blog präsentiere.

Amöneburg, Stiftskirche: Elisabethfigur

Ich schrieb es bereits, dies ist eine geschichtsreiche Region. 721 soll der angelsächsische Benediktinermönch Bonifatius sein Missionswerk mit einer Klostergründung hier begonnen haben. Wenn man der Statue Glauben schenken darf barfuß, knapp 50 Jahre alt und 1,80 m groß.

Amöneburg: Bonifatiusstatue

Nach dem Rundgang begebe ich mich ins Hotel, meine letzte Nacht auf dem Elisabethpfad möchte ich genießen.

Amöneburg: Himmelbett

3724

Februar 17, 2024

Menschen stehen an

Es gibt Bratwurst mit Pommes

Ein Duft, der betört

3723

Februar 17, 2024

Frau entschuldigt sich

Ihr Setter am Grundstückszaun

hat mich angebellt

Nawalny

Februar 17, 2024

Ich muss sagen, ich verstehe die Russen nicht. Und will sie auch nicht verstehen. Als Alexej Nawalny in Berlin in der Charité nach dem Giftgasanschlag aufgepeppelt wurde, dachte ich, er würde mit Frau und Kindern in Deutschland bleiben, auf jeden Fall nicht wieder – zumindest zu Putins Zeiten – in die Diktatur zurück, die sich von ihm entledigen will. Ein Selbstmord auf Raten. Wofür? Es muss seine russische Seele gewesen sein, dass er wieder zurück musste. Was muss er Russland geliebt haben. Was konnte er in der strengen Haft ausrichten? Mehr oder weniger nichts. Man wurde Zeuge, wie einem bei lebendigem Leibe ganz langsam die Haut abgezogen wurde. Er wusste, was ihn erwartete und muss das in Kauf genommen haben. Hoffentlich war sein Tod nicht umsonst und die Russen wachen so langsam mal auf und entledigen sich ihres mordenden Despoten. Julija Nawalnajas erste kämpferische Reaktion gibt auf jeden Fall Anlass zur Hoffnung.

Elisabethpfad 7. Etappe: Ziegenhain – Stadtallendorf 25

Februar 17, 2024

Unter den Füßen
flitzt der Weg weg. Allmählich
wechselt die Landschaft

Heute ist mein 7. Wander- und 8. Fastentag, das Letzere ist ein persönlicher Rekord.

Morgens mache ich meinen zweiten Einlauf. Die Details erspare ich lieber der Leserschaft, auf jeden Fall ist mein Darm jetzt noch sauberer als zuvor.

Heute frühstücke ich im Hotel. Na ja, ich nehme halt das zu mir, was ich in der letzten Woche zu mir genommen habe. Die kleine Karaffe Orangensaft ist schnell „gekaut“. Dazu bestelle ich grünen Tee und bekomme eine aromatisierte Plörre, ich werde nie verstehen, wie man so etwas mögen kann. Das 2. Kännchen, das übrigens noch nicht einmal den Teepott ganz füllt, ist dann ein schwarzer Assam, purer Genuss.

Ich trete kurz nach 9 raus. Und bin sofort geflasht von dem hellen Licht und habe dieses glücklichmachende Gefühl der grenzenlosen Freiheit, hingehen zu können, wohin ich will. Beim Fasten werden Glückshormone wie Serotonin ausgeschüttet, wahrscheinlich ist das die profane biochemische Erklärung. Die Wolkendecke reißt auf, die Temperatur ist frühlingshaft, ich binde meinen Anorak mit Doppelknoten um den Bauch.

Bald biege ich nach rechts auf den mit Radfahrern gemeinsam genutzten geteerten Deich links der Schwalm ab, links von mir z. T. überschwemmte Flächen, später dann ein riesiges Rückhaltebecken rechts. Es riecht hier nach stehendem Wasser, wie in einem Hafen, ich mag den Geruch. Ich träume heute morgen mehrmals vor mich hin und verpasse Abzweige, merke meine Fehler aber meist recht früh. GeoApp-Checken ist angesagt. Hier auf dem Deich treffe ich mehrmals auf Gassigeher und es fällt mir auf, dass Herrchen – egal welchen Alters – häufig versuchen, ihre Hunde vor mir zu dressieren wie mit „Sitz“ o. ä., Frauchen hingegen völlig entspannt sind und ihre Hunde nicht belästigen. Dafür gibt es bestimmt tiefenpsychologische Gründe.

Ziegenhain, Damm der Schwalm

Hinter der Rückhaltemauer geht es unter der Bahn durch und ich komme hoch nach Treysa. Am Anfang der Altstadt rechts gleich die Kirche St. Martin, bekannter unter dem Namen Totenkirche. Eine dreischiffige Basilika vom Ende des 12. Jahrhunderts. Man kann den Übergang von der Romanik zur Gotik hier sehr gut studieren. Im unteren Bereich noch Rundbögen, oben und im Chor dann gotische Spitzbögen. Mir fällt beim Kirchturm zum ersten Mal auf, wie die Fenster nach oben immer größer und länger werden. Er wurde auch in mehreren Bauphasen gebaut, was mich an Einfamilienhäuser in Südeuropa erinnert, wo ja auch stockwerkweise gebaut wird, bis wieder neues Geld da ist. Nach der Reformation wurde diese Kirche nur noch für Beerdigungen genutzt, daher der Name. 1830 schlug der Blitz ein und das Dach stürzte ein. Die Kirche ist bis heute eine Ruine, wird aber immer wieder saniert.

Treysa, Totenkirche

Unweit der Kirche entdecke ich eine ungewöhnliche und originelle Skulpur mit einer großen Liebe zum Detail, die verschiedene Märchen- und Fantasiewesen abbildet. Da sind z. B. der gestiefelte Kater, Laurin, das geflügelte Waldwesen, der Mann mit der Wolfsmaske und die dreigesichtige Frau (jung, mittelalt und alt). Die linke freie Brust steht für die Lebensspende. Die Spindel, die sie in der Hand hält, steht für die ewige Wiederkehr und das Myterium des Lebens.

Treysa, Skulptur „Märchenbuch“ von Elisabeth Wade, 1992
Dreigesichtige Frau aus „Märchenbuch“

Wie in den meisten Städten auf dem Weg auch hier viele Fachwerkhäuser, die Mehrzahl sehr gut in Schuss.

Treysa, Fachwerkhaus

Ich gehe nun die Steingasse hinab und treffe auf das Hospital Zum Heiligen Geist, das früher auch Pilgern freistand. In der Ecke steht eine Figur von Elisabeth der Vogelsängerin, der Wohltäterin des Hospitals. Als ich gerade davor stehe und das Foto (s. u.) mache, gibt mir ein Sattelzugfahrer, der von unten von einer Baustelle kommt, ein Zeichen. Ich stehe offensichtlich im Weg und gehe zur Seite. Nun fährt er mit seinem Ungetüm weit ausladend um die Ecke und er schrappt mit seiner Plane an dem Kapitell der Elisabeth vorbei und es rieselt herunter. Das löst bei mir einen seelischen Schmerz aus. Ich rufe ihm erbost hinterher, er hört natürlich nichts. Für sein Fahrzeug ist diese Passage einfach zu eng, wobei der alternative Weg wohl noch knapper bemessen ist, wie mir ein Ortsansässiger sagt. Um etwas Neues zu bauen, muss das alte zerstört werden, könnte man zynisch denken.

Treysa, Hospital
Treysa, Elisabeth die Vogelsängerin an Hospital,  das Kapitell  lädiert

Aus Treysa raus geht es nach einem Anstieg über die Hephata,  ein Diakoniezentrum für Behinderte. Ich sehe in Treysa mehrere Gruppen von Gärtnern, meist junge Leute, die die Grünanlagen in Schuss halten, das ist schön anzusehen.

Weiter geht es an der Wiera, und der B454 in die Wieraauen, hier scheinen die Wegbetreiber etwas durcheinander gekommen zu sein, erst weist ein Holzschild nach Süden, ich gehe geradeaus nach Westen nach meiner App und etwas später sind wieder Markierungen auf meinem Weg. Der Weg wird hier zunehmend matschig und ist von Baufahrzeugen kaputt gefahren. Über mir eine fertiggestellte Brücke der A49 (2. Verbindung Kassel – A5 neben der A7) , die Ende des Jahres für den Verkehr freigegeben werden soll.

Hinter Treysa, Brücke der A49 (noch nicht eröffnet)

Ich befinde mich heute im Flow, der Weg flutscht nur so unter mir weg. Temperaturcheck, 14 Grad, Bingo! Ich genieße den Wechsel von der Stadt in die Natur und umgekehrt. Nach einer längeren Strecke auf dem eher reizarmen Land sind meine Sinne scharf auf Stadteindrücke wie Menschen, aber auch Architektur. Neue Perspektiven insbes. auf dem Land eröffnet gelegentliches Anhalten und Umdrehen, der Rückblick darauf, wo man herkommt, ist oft überraschend.

Nach einer Passage durch einen Wald komme ich nach Klauseborn, eine rege sprudelnde Quelle, die regelmäßig untersucht wird. Drumherum verschiedene Texte neben dem Einweihungsgebet, das mich als Rastenden direkt anspricht, ein kurzer Extrakt aus dem Werther, der gleich so eine romantische-schwärmerische Stimmung erzeugt. Es ist schön, dass es solche Orte gibt und Menschen, die sich darum kümmern.

Momberg, Klauseborn: Gebet
Momberg, Klauseborn: Quelle
Momberg, Klauseborn: Wertherexzerpt

In Momberg hole ich mir in der katholischen Johanneskirche – hier war die Gegenreformation erfolgreich – meinen Pilgerstempel ab. Diese geräumige neugotische Kirche wurde von 1867 bis 1870 unter der Leitung eines Maurermeisters mithilfe der Bevölkerung errichtet. Heutzutage völlig unvorstellbar.

Momberg, katholische Johanneskirche

Auf dem Weg in den nächsten Ort Speckswinkel ist auffällig, dass die Strecke durch Treckerspuren matschig, zerfurcht und mit vielen Pfützen nur schwer begehbar ist. In Speckswinkel kommt mir auf der anderen Straßenseite ein kleiner Junge einsam und allein entgegen, fängt plötzlich an zu rennen und ruft mir trotzdem noch verschämt „Hallo“ entgegen, was ich natürlich erwidere.

Durch Stadtallendorf muss ich einmal komplett durch, mein Hotel ist auf der anderen Stadtseite. Die katholische Stadtkirche St. Katharina ist hier ungewöhnlicherweise im Innern barock ausgestattet, eine Abwechslung nach den doch oft eher nüchternen Kirchen der Gegend.

Stadtallendorf, Katholische Stadtkirche

Je weiter ich komme, desto stärker zieht mir ein etwas unangenehmer Geruch nach Verbranntem in die Nüstern. Darauf angesprochen, sagt mir die Dame an der Hotelrezeption, dass könnte entweder die Schokoladenfabrik oder die Eisengießerei sein. Es war Letztere.

Mein geräumiges, ruhig gelegenes Zimmer mit TV, Tisch, Stuhl, Bank, Schrank, Garderobe, großem Spiegel, Kühlschrank, Bad ist sehr gut eingerichtet und für 55 Euro ein Schnapper.

3722

Februar 16, 2024

„Hallo Einsamkeit,

Du bist die Einzige, die

mich nie allein ließ“

[Mary Timony – The Guest, verkürzt übersetzt]

3721

Februar 16, 2024

Der Wind übertönt

das Brummen/Rauschen/Brausen

der Windradflügel

3720

Februar 16, 2024

Ein goldgelber Strahl

Nicht besonders ergiebig

Du musst mehr trinken!

3719

Februar 16, 2024

Der kleine Junge

auf der anderen Seite

rennt und ruft: „Hallo“

3718

Februar 16, 2024

Schneeglöckchen sprießen

Die ersten Gänseblümchen

Die Gänse turteln

Speckswinkel

3717

Februar 16, 2024

Windräder in Schwung

Im Wind wehende Blätter

Den Wind im Ohr

3716

Februar 16, 2024

Knisternde Blätter

Im Wald klingelt ein Handy

Zwitschernde Vögel

3715

Februar 16, 2024

Die Verdauung still

Das Geräusch der Fußschrite

Der Geist auf Touren

3714

Februar 16, 2024

Der Einlauf reinigt

Die Riemen festgezogen

Die Sonne blinzelt

3713

Februar 16, 2024

Unter den Füßen

flitzt der Weg weg. Allmählich

wechselt die Landschaft.

Elisabethpfad 6. Etappe: Homberg/Efze – Ziegenhain 24

Februar 15, 2024

Nieselregen, mild
Gespräche am Wegesrand
Pausen genießen

Der aufmerksame Leser wird sofort merken, dass in der Überschrift etwas nicht stimmt. Die beiden Etappen, die ich hier zusammengelegt habe, sind auf dem Elisabethpfad 32 km lang. Ich bin allerdings den kürzeren Jakobsweg gegangen, aber dazu später mehr. Nun von Anfang an.

Nach der Brechstangenetappe gestern mache ich heute eher piano, piano. Frühstückshighlight ist der milchige Mangosaft, den ich gestern beim Südasiaten am Markt gekauft habe. Ich kaue ihn mit Inbrunst. Im wahrsten Sinne, denn es sind Fruchtstücke drin, eigentlich ein No-Go beim Saftfasten, aber wer wird schon so streng sein? Dafür muss ich übrigens bezahlen, da ich später fürchterlichen Hunger kriege.

Ich verlasse „meine“ Einliegerwohnung, ziehe die Tür zu und nach ca. 10 Schritten bekomme ich Phantomschmerzen, ich habe meinen Wanderstock vergessen! Ich freunde mich schon mit dem Gedanken an, dann halt „ohne“ weiterzustapfen (das Morgen-High), als ich es nach 5 Minuten Gehen doch wage, meine Gastgeberin telefonisch bei der Arbeit zu stören. Sie sagt kein Problem und ist sogar eher da und kommt mir mit dem Teil entgegen. Ich bin platt!

Mir fällt ein neues Spiel ein. Ich rate die Außentemperatur. 10 Grad. Check mit der Wetter-App: Bingo! Kann man auch gut zu mehreren spielen. Heute nieselt es übrigens fast den ganzen Tag, aber es macht nichts mit Kapuze kann man das gut aushalten. Ich muss nicht mal den Schirm aufspannen. Nehme mir vor, auf der Regenradar-App nur noch die dunkelblauen Flächen ernst zu nehmen.

Ich gehe zum Marktplatz um drei Dinge zu erledigen. Als erstes mache ich ein Foto von der Brunnenskulptur Brüderchen und Schwesterchen nach dem Grimmschen Märchen. Da ist es ja vor allem interessant, dass es der Junge und nicht das Mädchen ist, der seinen Durst nicht zügeln kann, von dem verhexten Wasser trinkt und dann in ein Reh verwandelt wird. Ganz anders als anfangs in der Bibel, als Eva…

Homberg/Efze: Brüderchen und Schwesterchen

Punkt 2 auf meiner Liste ist die Stadtkirche, die ja gestern schon geschlossen war als ich ankam. Es steht ein Aufsteller dort mit „Geöffnet von 10-16h“, es ist kurz nach 9. Aber ich habe Glück, die Kirchenpforte ist schon auf! Ich trete ein in die gotische Hallenkirche und bin überwältigt von der Höhe der Säulen, die buchstäblich zum Himmel streben und der Helligkeit. Das Kreuzrippengewölbe ist unübersehbar. Ein bisschen fühle ich mich erinnert an die Kathedrale von Astorga auf dem Jakobsweg in Nordspanien, wobei die Säulen dort noch höher waren und die Helligkeit fast in den Augen weh tat.

Homberg/Efze: Marienkirche

Im Chorraum ist das sogenannte Reformationsfenster mit Luther und Melanchthon oben links und Zwingli und Calvin rechts daneben. Man hat es erst 1893 eingesetzt.

Homberg/Efze: Marienkirche, Reformationsfenster

Auf der Westseite ist ein Kreuzweg in Sandsteinreliefs von um 1500 in 7 Stationen dargestellt, vor denen die Gläubigen früher niederknieten.

Homberg/Efze: Marienkirche, Kreuzwegrelief

Nach der Besichtigung der Kirche gehe ich für Punkt 3 zum Rathaus in der Nähe, weil es nur dort um diese Zeit einen Pilgerstempel gibt. Ich klopfe an die Tür, öffne und „erwische“ die Dame beim Telefonieren. Sie legt bald darauf auf und stempelt mir eine Heilige Elisabeth – die Erste, meist sind das die Silhouetten der Kirchen – in den Ausweis. Sehr schön.

Ich wandere nun aus der Stadt hinaus auf der Ziegenhainer Straße. Lustige Zeitgenossen, die hier in Homberg wohnen

Homberg/Efze, Gruselkabinett auf dem Dach

Es geht jetzt die vielbefahrene Ausfallstraße mit wenig oder keinem Seitenstreifen durchs Industriegebiet und an einer Kompostieranlage Richtung Sondheim. Der Jakobsweg ist zwar kürzer als der Elisabethpfad, aber schön ist anders.

Auf dem Jakobsweg

Der Weg zieht sich endlos in die Ferne. Nicht nach vorne gucken, einfach nur gehen und genießen. Immerhin ist da ein Baum am Rand, für Abwechslung ist also gesorgt. Außerdem werden die Gerüche jetzt intensiver. Man merkt, dass die Viehwirtschaft hier eine größere Rolle spielt.

Hinter Wernswig: Der Weg ist nicht zu verfehlen

Vor Frielendorf der Silbersee – wisst ihr noch Karl May – ein ehemaliger Braunkohletagebau. Der Regen hat kurz aufgehört, die Sonne blinzelt durch die Wolken.

Frielendorf: Silbersee

Die Orte verkümmern hier zusehends. Supermärkte schließen, Cafes gibt es kaum noch, ein Kino habe ich auf dem ganzen Weg noch nicht gesehen. Gasthöfe schließen wegen Unrentabilität. Essen kann man, wenn überhaupt, nur noch Döner, Pizza oder asiatisch. Tankstellen, oft die letzten Treffpunkte, machen zu. Ohne Führerschein und Auto ist man hier völlig aufgeschmissen. Die glorreiche Vergangenheit ist hier definitiv vorüber. Der Letzte macht das Licht aus.

Frielendorf, hier war mal ein Supermarkt
Frielendorf, Lore

In Frielendorf mache ich im Niesel auf einer Bank meine Mittagspause. Ein Mann auf einem Rad mit Dackel kommt auf mich zu. Er ist 5 Jahre älter als ich. Wir reden übers Wetter (besser zuviel als zu wenig Regen) und den weiteren Weg zu meinem Etappenziel, der vor allem aus geteerten Radwegen bestehen soll. Er ist etwas verwundert, dass ich so eine lange Strecke zu Fuß gehe.

Im nächsten Ort in Spieskappel sehe ich ein ca. 300 qm großes Grundstück, das zum großen Teil umgegraben ist. Die Erde schwarz und fruchtbar. Ich frage den Mann, ob er das alles heute gemacht hat. Nicht ganz, lautet die Antwort. Er möchte Blumen pflanzen, um die Bienen anzulocken für den Honig. Er hat einen östlichen Akzent. Viel Glück!

Im Wald kurz vor dem Spiesturm ein 35 m langer wohl von einem Unwetter entwurzelter Baum. Auch wieder symptomatisch.

Kurz vor dem Spiesturm: Hier stand mal ein Baum

Am Spiesturm, wo eine innerhessische Grenze verlief, gibt es eine phantastische Sicht auf die umliegenden Berge. Man sieht z. B. die mit 675 m höchste Erhebung des Kellerwaldes, den Wüstegarten direkt rechts vom Turm. Ich pausiere und genieße jeden Wasserschluck einzeln. Hier fühle ich mich wirklich wohl und mit mir eins und möchte gar nicht weitergehen.

Spiesturm, Rastplatz mit Aussicht

Auf den letzten Kilometern geht es nochmal direkt neben der Bundesstraße weiter. Wie man es vom Camino, aber auch nicht anders erwarten kann.

Ich latsche durch den Ort, erreiche mein Hotel, rufe die angegebene Nummer an und ein junger, breit grinsender, korpulenter Mann öffnet und reicht mir die magische Zimmerkarte.

3712

Februar 15, 2024

Nieselregen, mild

Gespräche am Wegesrand

Pausen genießen

3711

Februar 15, 2024

Karamellfarben

Der köstliche Mangosaft

mit den Fruchtstücken

3710

Februar 15, 2024

Wieso grüßen mich

manche Leute nicht zurück?

Nächstes Mal frag ich

3709

Februar 15, 2024

Aus der Hecke tönt

ein vielstimmiges Konzert

Die Sänger versteckt

3708

Februar 15, 2024

Ein Tag, ein Leben

Morgens kerzengerade

Abends krummbucklig

Elisabethpfad 5. Etappe: Spangenberg – Homberg/Efze 31 (+1)

Februar 15, 2024

Langsam ansteigend
Der kalte Wind ins Gesicht
Der Weg schnurgrade

Wache nach unruhiger Nacht um 5 auf. Die kalte Dusche ist so richtig kalt, wie ich es liebe. So geht Aufwachen. Ich trinke zwar Mineralwasser und Rhabarbersaft zum Frühstück, vergesse jedoch in die Küche zu gehen und mir einen Tee zu kochen. Das Ergebnis: Ich bin schon durstig, bevor ich überhaupt losgehe. Um zehn vor acht bin ich unterwegs. Es scheint über Nacht geregnet zu haben, jetzt ist es nur noch bedeckt. Die Sonne wird sich den ganzen Tag verstecken, aber es wird trocken bleiben.

Aus Spangenberg raus gehe ich an der munter vor sich hinströmenden Pfieffe und komme an einem längeren Komplex vorbei, einer Sägenfabrik. Der geteerte Radweg anschließend, der in etwa parallel zur Bundesstraße verläuft, ist wie Kanonenfutter für meine Füße, heute drehe ich auf. Das ist auch gut so, denn ich gehe heute zwei Etappen, weil ich nur eine Woche Zeit habe. Heute ist übrigens Halbzeit.

Über uns drei Wildgänse, die ihren Schwarm verloren haben. Ich treffe mehrere Hundebesitzer und muss feststellen, dass die Kackbeutel hier gerne an den Wegrand gestellt werden. Ich sehe 5 solcher Beutel. Ich hoffe mal, die Müllabfuhr kümmert sich drum.

In Mörshausen besuche ich die etwas muffig riechende romanische Kirche aus dem 12. Jahrhundert, stempele den Pilgerausweis und schaffe es, die größte Attraktion, den Schmerzensmann, eine gotische Säule im dunklen Kircheninneren nicht zu sehen. Kann es sein, dass romanische Kirchen generell innen dunkler sind als gotische Kirchen? Angesichts der Fenstergrößen scheint mir das plausibel.

Mörshausen: Romanische Kirche aus dem 12. Jahrhundert
Hinter Mörshausen: Hundekotbeutel

Auch hinter Mörshausen geht es auf einem asphaltierten Weg weiter. Es ist nur leicht wellig. In Adelshausen passiere ich erst einen Trupp Männer mit Warnwesten. Dann stoße ich auf eine Hinweistafel an einer Brücke. Es stellt sich raus, dass hier früher die Kanonenbahn von Berlin nach Metz passierte. Es ist die Bahn, die nach dem 1870/71er Krieg mit Frankreich gebaut wurde, um die Hauptstadt besser mit dem Westen des Deutschen Reichs zu verbinden. Einen anderen weiter westlich gelegenen Streckenabschnitt dieser Bahn, der z.T. in den Berg hineingebaut gewesen war, hatte ich vor einigen Jahren auf einer Radtour mit meinem Vater an der Mosel gesehen.

Wie mich eine zweite Hinweistafel lehrt, bin ich hier auf der historischen Straße Die Langen Hessen, die insbes. für den Güterverkehr zwischen Eisenach und Frankfurt genutzt wurden. Die Kurzen Hessen verlaufen über Alsfeld (Vogelsberg) und sind zwar eine Abkürzung, aber dafür der beschwerlichere Weg.

Adelshausen: Hier fuhr früher die Kanonenbahn nach oder von Metz

Hinter Adelshausen erstreckt sich das ausgedehnte Fabrikgelände einer Pharmafirma, das noch erweitert wird. Vor mir in großer Höhe kreist ein Greifvogel, wahrscheinlich ein schwarzer Milan. Es geht nun über die B83 an einem Kreisverkehr zur Domäne Fahre. Hier steht ein Eier- und Getränkeautomat, den ich mir ansehe. Es gesellt sich nun eine Appenzeller Sennenhündin zu mir, die mich ausgiebig beschnüffelt, etwas scheu ist, mir aber folgen möchte, wobei ich ihr klarmachen kann, dass das keine gute Idee ist. Love at first sight.

Appenzeller Sennenhündin auf der Domäne Fahre

Hinter der Domäne komme ich zu den Fuldaauen, die Fulda ist hier ein schnell fließendes Flüsschen. An einem der vielen Klärwerke vorbei und über die Fuldabrücke geht es nach Malsfeld rein und die erste kurze Flachetappe von 12 km ist beendet, ich gönne mir eine Rast. Heißgetränke gibt es nur in der Supermarktkette. Allerdings ist der Tee aus. Wir lösen die Sache dann so, dass ich einen Pott heißes Wasser bekomme, den ich eigentlich nicht bezahlen darf, dann aber doch in Form eines Trinkgelds bezahle. In den Pott senke ich dann meinen eigenen Teebeutel.

Die Malsfelder Kirche gehört zu den Offenen Kirchen, eine Initiative, die ich immer mehr zu schätzen weiß, weil ich inzwischen in fast jede Kirche am Weg versuche, hineinzugehen und oft überrascht bin, was es dort alles gibt. Vom Gästebuch zu Teelichtern bzw. Kerzen, die man gegen eine Spende anzünden kann über Pilgerstempel, Papier für Bitten/Wünsche/Kritiken etc., die man einwerfen kann, Mineralwasser, 2nd hand Bücher, Luftpumpen und Flickzeug, Spielzeug für Kinder, Wetterstationen, Steckdosen (wichtig fürs Handy) etc. Es ist jedes Mal wie eine Wundertüte. Heute bekam ich sogar eine Hundepostkarte (mit Bibelvers) für 20 Cent.

Signet der Offenen Kirchen

Von Mörshausen ging es auf einem Schotterweg hoch nach Dagobertshausen, ein langsamer, schnurgerader Anstieg mit einer kühlen Brise von vorne. Links und rechts Felder. A propos die Gegend ist eines der ältesten Siedlungsgebiete in Deutschland. Ein wichtiger Grund ist die Fruchtbarkeit der Böden. Dagobertshausen begrüßt mich schelmenhaft.

Dagobertshausen steht Kopf

Der rote Kübel ist für mich ein bisschen wie ein Madeleine für Proust. Ich fuhr so eine Karre, natürlich in Tarngrün 1983/84 bei der Bundeswehr. Was für ein Schrottauto. Auf der Autobahn konnte man nicht mehr als 90 fahren, weil alles wackelte und einen Heidenlärm machte. Die Lenkung hatte weit über 90 Grad Spiel, Servolenkung gab es damals noch nicht. Ganz schlimm waren die abgedeckten Notlichter. Im Wald bei Übungen gaben die weniger Licht als ein Streichholz. Dass ich nie gegen einen Baum gefahren bin, ein Wunder. Das Verdeck habe ich nur selten zum Cabriofahren im Kofferraum versenkt. Ölwechsel und Inspektion inkl. Ölfilter wechseln, musste man natürlich selber machen. Festgefahren habe ich mich auch einmal, wurde vom Koffer (Unimog) aber wieder aus der Matsche gezogen. Ich bin dann bei der Marke geblieben, habe jedoch modernere, zivile Modelle bevorzugt.

Dagobertshausen, roter Kübel

Es sind jetzt keine 100 km mehr zum Ziel. Also auch auf der Entfernungsskala Halbzeit.

Dagobertshausen, Wegweiser

Es geht nun hinauf bis zum Waldrand. Am Scheitelpunkt öffnet sich ein phantastisches weites Panorama mit dem langen Gebirgszug des Hohen Meißner im Hintergrund. Die Landschaft hat etwas Magisch-Märchenhaftes.

Hinter Dagobertshausen, Blick auf Hohen Meißner

Gut vernehmlich ist auch schon ein Rauschen aus dem Tal, dass anschwillt, je weiter ich vorangehe. Es ist die A7, meine erste Autobahnüberquerung auf dieser Wanderung. A propos Autos, das hiesige  Kfz-Kennzeichen ist seit geraumer Zeit nicht mehr ESW für Eschwege sondern HR für Homberg oder MEG für Melsungen. Beide Kennzeichen gehören zum Schwalm-Eder-Kreis.

Zwischen Dagobertshausen und Ostheim, A7

Es geht weiter mit den geraden, ansteigenden Wegen, hier ein Blick zurück.

Blick zurück nach Ostheim
Hinter Ostheim: Blick zum Hohen Meißner

Vom Segelflugplatz am Mosenberg (402 m) geht es hinunter nach Homberg, allerdings verpasse ich einen Abzweig und bewege mich in Richtung des Nachbarortes Mardorf. Ich muss jetzt mühsam auf den geraden Feldwegen Zickzack laufen, z. T. sogar wieder bergauf, um schließlich nach Homberg zu kommen.

Eine wichtige Person für Hessen ist Philipp der Gutmütige, der 1526 die Homberger Synode einberuft, wonach mehr oder weniger ganz Hessen evangelisch wurde.

Homberg/Efze, Markt: Philipp der Großmütige

In Nordhessen sind Fachwerkhäuser sehr verbreitet, insbesondere in Homburg, wo der Markt von der Stadtkirche und diversen herausgeputzen Fachwerkhäusern eingerahmt wird. Hier befindet sich mit dem Gasthaus Krone von 1480 eines der ältesten Gasthäuser Deutschlands.

Homberg/Efze, Gasthaus Krone (geschlossen)

In Homberg komme ich leider etwas zu spät für die Kirche, die um 16h schließt. Ich kaufe ein paar exotische Säfte (Banane/Mango) im asiatisch ausgerichteten Tante Emma Laden direkt am Markt. Die Fachwerkhäuser sind zum Teil von Migranten bewohnt. Anschließend gehe ich zur Supermarktkette, um die Wartezeit rumzukriegen bis meine Landlady nach Hause kommt und trinke grünen Tee.

3707

Februar 14, 2024

Langsam ansteigend

Der kalte Wind ins Gesicht

Der Weg schnurgrade

3706

Februar 14, 2024

Fasten. Autark sein.

Leben von den Reserven

Sich selbst auffressen

3705

Februar 14, 2024

Aufrechter gehen!

In Augenhöhe gucken!

Dann verpasst man nichts.

3704

Februar 14, 2024

Wach und federleicht

Ich fliege über den Weg

Mit leerem Magen

3703

Februar 14, 2024

Schnurgeradeaus

Der einsame Wanderer

Bergauf. Der Wind kühlt.

Elisabethpfad 4. Etappe: Waldkappel – Spangenberg 21

Februar 13, 2024

Gefallne Blätter
Vom Wanderstock aufgespießt
Meine Copilger

Diese Nacht fünfeinhalb Stunden bis 4h30 durchgeschlafen, es wird langsam besser. Die Dusche mit alten Drehhähnen, mit denen man perfekt kaltes und heißes Wasser mischen kann. Ich lasse mir heute morgen Zeit, die Etappe ist ja nicht so lang. In der Barecke kann ich mir Wasser für grünen Tee kochen. Vorher gibt es Rhabarbersaft. Sozusagen English Breakfast für mich heute.

Ich ziehe kurz vor 9 los. Es ist knackig kalt, jetzt um den Gefrierpunkt, in der Nacht bis – 2, die Autoscheiben sind mit dickem Eis überzogen. Mir ins Gesicht scheint die Sonne, ideales Wanderwetter! Ein Mann mit einem lebhaften Deutsch Kurzhaar sagt mir, dass mich schöne Ausblicke vom Kamm, auf dem ich gehen werde, erwarten.

Kaum habe ich die letzten Häuser hinter mir gelassen, sehe ich auf dem Anstieg in den Wald vor mir zwei junge Rehe. Ich versuche mich anzupirschen, aber in ca. 100 m Entfernung nehmen sie Reißaus nach links ins Gebüsch. Es folgen noch zwei weitere Jungrehe.

Ein Weg voller Hindernisse

Es geht weiter bergauf in Richtung Taufstein (461 m). Andere Wanderer treffe ich heute auf den 9 km bis Reichenbach nicht. Ich mache immer wieder Fotos, checke die Wander-App, lasse mir Zeit, genieße den Weg und die Aussicht.

Zwischen Taufstein und Wollstein

Am Wegesrand wie auch schon gestern „Kunstwerke“ unter dem Rubrum Ars Natura, teilweise mehr, teilweise weniger gelungen. In einigen Fällen erkennt man das Kunstwerk nicht, weil es Natur ist, z. B. Baumstümpfe, drapierte Zweige etc. Recht originell und treffend fand ich die Baumsprüche.

Ars Natura: Christian Roosen mit Baumspruch

Kurz vor Wollstein höre ich Vogelschreie über mir. Es ist eine kleine Schar von Wildgänsen, die nach Osten zieht. Die Rastbänke am Rande des Weges sind manchmal mehr und manchmal weniger einladend.

Bank, gut in die Natur integriert

In unmittelbarer Nähe des Klosters Marienheide in Wollstein, das die „Schwestern von Bethlehem…“ beherbergt, überfliegt mich ein Militärhubschrauber in etwa 30 bis 40 m Höhe. In der Nähe des Aussichtspunkts mit Blick auf das einsam gelegene Kloster steht ein überdimensionales Metallkreuz auf der Wiese.

Wollstein: Kloster Marienheide

Als ich aus dem Wald herauskomme, blicke ich mich um und kann mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Draußen in der Natur ist auch das beste Navi immer noch häufig völlig verloren.

Auch KI kann irren

Ich komme nun zum Grenzstein von Hessisch-Lichtenau, wo mir plötzlich bewusst wird, dass es mir insbesondere an den Händen friert. Die Sonne ist unter den Wolken verschwunden und der Wind ist eisig und weht heftig. Ich habe doch tatsächlich meine Handschuhe vergessen. Ich versuche es mit den Zweitsocken, aber das macht die Hände zu unbeweglich. Schließlich nehme ich den Stock unter die Achsel und tue die Hände in die Hosentaschen.

Schachbrett als Schmetterling (Aufnahme)

Auf dem Boden liegen plötzlich tausende von Hülsen auf dem Weg rum. Nach genauerem Hinschauen dämmert es mir. Es sind die Fruchtbecher von Bucheckern, die ich bestimmt seit 45 Jahren nicht mehr bewusst wahrgenommen habe.

Myriaden von Bucheckern

Richtig ziehen tut es bei den großen Steinen, einem bizarr geformten Steinblock aus Dolomit.

Große Steine

Noch eines der für meine Begriffe interessanteren Werke aus der Reihe Ars Natura:

Ars Natura: Said Tabib – Sieben Wolken

Ich komme nun in den Ort Reichenbach, der fast auf der Hälfte meiner heutigen Etappe liegt. Menschen treffe ich hier keine. In der ursprünglichen Klosterkirche, die 1207 von den örtlichen Grafen an den deutschen Orden verschenkt wurde und damit dessen erste bedeutende Niederlassung auf deutschem Gebiet war, zünde ich ein Teelicht an und stemple den Pilgerausweis. Hinter dem Altar sind Wandzeichnungen mit Bibelszenen.

Reichenbach, Kirche

Ich entdecke eine Seite mit Hinweisen und Ratschlägen zu einem guten und abgeklärten Leben. Ich glaube, das kann man fast alles auch als Nichtchrist bzw. sogar Nichtgläubiger unterschreiben. Den Text durchzieht eine große Demut, aber auch eine Würde und ein Pragmatismus.

Desiderata in Reichenbacher Kirche

Im Zentrum von Reichenbach stehen diese Milchkannen, ich hatte das Bild auch schon in meinem Führer gesehen.

Reichenbach, Milchkannen

Hinter Reichenbach geht es in den Wald auf zum Teil matschigen Wegen hinauf auf den mit 522 m höchsten Punkt der Etappe, den Schlossberg mit der Burgruine Reichenbach, deren Turm durch die Spende eines Reichenbachers überdacht werden konnte. Der Blick geht bis zum Hohen Meißner, bei dem mich mal wieder stutzig macht, dass er mit 753 m noch nicht mal so hoch ist wie „unser Hausberg“, der Altkönig.

Burgruine Reichenbach: Blick auf den Ort, rechts der Hohe Meißner

Der Hohe Meißner gilt als die Heimat von Frau Holle aus dem Märchen der Gebrüder Grimm. So erklärt sich auch der Name der folgenden Skulptur. Man fragt sich, was die Dame da auf dem Kopf trägt, übliche Kopfhörer scheinen es nicht zu sein, evtl. Fernkopfhörer? Eventuell ist es andersherum und sie sendet nach außen. Vielleicht ist es auch einfach nur ein Geweih. Oder ein gewölbter, am Hinterkopf befestigter Knochen. Fragen über Fragen.

Ars Natura: Christian Huba – Holda
Hier war mal Wald

Und vergesst mir bitte die Tiere im Wald nicht. Die wollen auch mal schlafen und äsen…

Die Natur kommt zu Wort

Bei der folgende Holzskulptur hatte ich geraten, dass sie eventuell Zungenkuss heißen könnte, aber dem war nicht so.

Ars Natura: Halvor Machmor – Baumbuch

Am Ende der Wanderung sehe ich etwas Haariges auf dem Boden liegen. Es scheint kontraintuitiv zu sein, Haarkleid ausgerechnet im Winter abzuwerfen. Aber was verstehe ich schon von der Welt.

Da hat jemand Federn gelassen

In Spangenberg komme ich schnell zu meiner Privatunterkunft mit sonnigem Zimmer im 2. Stock. Hier wird mir neben einer dem immer durstigen Wanderer natürlich sehr willkommenen Flasche Mineralwasser auch ein Flasche Flens offeriert.

Es hat sich übrigens bei mir nach dem Trinken von zwei Gläsern des Sprudels die Verdauung zurückgemeldet. Man glaubt nicht, was sich nach 5 Tagen Fasten noch so alles im Darm befindet. Auf jeden Fall werde ich morgen noch einmal um gut ein Pfund leichter auf die über 30 km lange Etappe nach Homberg/Efze gehen. 😉

3702

Februar 13, 2024

Na, klare Pfütze

Was willst DU mir wohl sagen?

Alles sinkt hinab

3701

Februar 13, 2024

Na, trübe Pfütze

Was willst Du mir nur sagen?

Du bist so schön rund

3700

Februar 13, 2024

Mit klammen Fingern

DEN Reißverschluss aufziehen

und dann zumachen

3699

Februar 13, 2024

Nur kleine Schlücke

aus der Pulle mit Wasser

Grade mal vier Grad

3698

Februar 13, 2024

Bohrende Frage

tief in den Eingeweiden

Habe ich Hunger?

3697

Februar 13, 2024

Gefallne Blätter

Vom Wanderstock aufgespießt

Meine Copilger

Elisabethpfad 3. Etappe: Röhrda – Waldkappel 24 (+2)

Februar 12, 2024

Das war die bisher anspruchsvollste Etappe, 3 Berge, 600 Höhenmeter und bestimmt 2 km länger, weil ich jeweils zum anderen Ende des Ortes musste.

Geschlafen von 11 bis 4, danach gewälzt. Trotz des Fastens habe ich morgens Reflux, der mich aufweckt. In der nächsten Apotheke werde ich mir Heilerde und Melatonin kaufen. Längeres Gesprach mit der Gastgeberin, die mir grünen Tee kocht. Sie kommt aus Thüringen und ich bin mir recht sicher, welche Partei sie wählt. Aber sie scheint mir zumindest zuzuhören.  Sie hat nach der 4. Impfung „schlimm“ Corona gekriegt, dann Long Covid. Impfen ist für sie gestorben. Findet die grünen Minister gar nicht gut. Und Krieg auch nicht, wieso hören die nicht endlich auf? Außerdem bewegt sie die Inflation. Kroatien ist seit der Euro-Einführung so teuer geworden… Und die nicht klappende Integration der Asylanten. Ein etwas schwieriges Gespräch.

Ich komme erst um 9 los, es gibt gleich einen kleinen Schauer. Der Weg verläuft außenrum auf  der Straße, während man über einen steinigen Weg eine Abkürzung gehen kann. Man fragt sich, was die Wegmacher geraucht haben. Es geht nun unter kahlen Laubbäumen auf einem weichen Blätterteppich durch den Wald, immer bergauf bis zur Ruine Boyneburg, dem Dach der heutigen Etappe mit 508 m. Hier spielt die Sage Das Fräulein von Boyneburg der Gebrüder Grimm mit drei Schwestern, von denen sich die Jüngste nach der Weissagung vom Blitz erschlagen lässt, um ein fürchterliches Gewitter zu beenden. Ihr zu Ehren wird heute noch eine Brotspende zu Himmelfahrt verteilt. Man kann sich sehr gut vorstellen, dass der Blitz besonders gerne in diese völlig exponierte Burg einschlägt.

Boyneburg

Auf dem Abstieg fällt auf, dass zum einen die Markierung des Elisabethpfades lausig ist, was mir eigentlich egal ist, da ich die Wander-App E-Walk nutze. Aber man hat halt auch ganz gerne die Bestätigung aus der real world, dass man on track ist. Andererseits ist der Pfad an einigen Stellen von Baumstämmen und Ästen blockiert. Kurz vorher wies eine Tafel darauf hin, dass der Wald hier sich selbst überlassen wird, das Ergebnis ist undurchdringliche Wildnis.  Ich gehe weiträumig herum. Zudem ist der Waldboden sehr weich und rutschig.

Abstieg von Boyneburg
Die Landschaft nur für mich

Beim weiteren Abstieg nach Wichmannshausen komme ich mit einem Hundebesitzer ins Gespräch, der mir vom neuerlichen Drama der seit Jahrzehnten im Bau befindlichen A44 erzählt. Der Tunnel unter der Boyneburg ist fertig, wird aber noch nicht befahren, da ein anderer Tunnel neu ausgeschrieben werden muss. Er glaubt nicht daran, dass er bei Lebzeiten noch auf der Autobahn bis Eisenach fahren wird können, er ist 63.

Wichmannshausen, das in einem Talkessel liegt, wird außerdem von drei Bundesstraßen und der Bahnstrecke Göttingen-Bebra durchzogen. Zur Ruhe kommt man hier nicht.

Ich bin begeistert von dem Innenraum der Wichmannshäuser Kirche St. Martin. Ein blauer Himmel, zwei weiß-rot bemalte Holzemporen, eine schmucke Kanzel, ein Altarraum, der durch eine durchbrochene Wand  getrennt ist vom Besucherraum.

Kirche von Wichmannshausen

Im hinteren Bereich der Kirche eine Kopie – das Original ist in der Gedächtniskirche in Berlin – der Madonna von Stalingrad von Kurt Reuber, der hier bevor er an die Ostfront als Truppenarzt eingezogen wurde, Pfarrer war.

Wichmannshausen, Kirche. Madonna von Stalingrad

Von Wichmannshausen geht es nun auf einem geteerten Radweg nach Hoheneiche, wo ich vor der Kirche mit der Elisabethpforte mein Saftmahl einnehme. Die Sonne ist jetzt rausgekommen, die Temperatur fast 10 Grad.

Eine Bank ganz nach meinem Geschmack

Der Weg zieht sich nun durch den Wald. Ich komme gut voran. Vom Alpstein (398m), der 2. Erhebung des Tages gibt es eine wunderbare Sicht nach Norden zum nächsten Zwischenziel, Kirchhosbach. In der nahegelegenen Hütte hängen gestrickte Köstlichkeiten.

Blick vom Alpstein nach Kirchhosbach
Alles da für meine heutige Mahlzeit

In der Kirche von Kirchhosbach hole ich mir den schönen Pilgerstempel. Im Gästebuch ist der letzte Eintrag vom Oktober, ich bedanke mich kurz. Interessant, was die Kirchhosbacher so gelesen bzw. gesehen haben. Der geräumige Bücherschrank enthält u. a. zwei Kundera, Queneau, Ulla Hahn und eine Wander-DVD.

Bücherschrank in Kirchhosbach

Im Wald liegen bzw. stehen diverse Kunstwerke, bei denen man sich zuweilen fragt, ob die Natur das nicht viel besser kann (s. o.).

Das soll Kunst sein? Das hatten wir doch schon!

Vom Wald ist an vielen Stellen nicht mehr viel zu sehen, Bäume sind aufgrund von Unwettern umgestürzt bzw. in großem Stil gefällt worden. Das sind zum Teil fast schon apokalyptische Bilder. Das Holz wird zum großen Teil als Brennholz genutzt oder über Kassel nach China verschifft, wie mir gesagt wird.

Kahlschlag
Ganz schön viel Holz

Die letzte Anhöhe ist der Mäuseberg mit 415 m, neben der Centbuche, wo sich sieben Wege kreuzen. Von hier geht es nur noch bergab nach Waldkappel, wo ich mir im Getränkemarkt noch neue Säfte besorge. Die Wolken werden dunkler, es fängt an zu regnen, aber ich komme fast trocken in meiner Unterkunft am Ortsende an. Meine 87 jährige Gastgeberin begrüßt mich als ersten Pilger des Jahres. WLAN gibt es hier nicht und LTE und Handy funktionieren nur draußen auf der Terrasse. Die Temperatur sinkt auf drei Grad.

3696

Februar 12, 2024

B7, Züge

Wichmannshausen. Talkessel.

A4-4 Tunnel

3695

Februar 12, 2024

Dieses Gejammer

Was will sie, die Ilsebill?

Es geht uns zu gut

3694

Februar 12, 2024

Der Waldweg ein Bett

Rotbraune, feuchte Blätter

Die Füße juchzen

3693

Februar 12, 2024

Niemand unterwegs

Die ganze Welt gehört mir

Und den Piepmätzen

3692

Februar 12, 2024

Die Schlücke kauen

Sauerkirschsaft, süß-sauer

Dann grüner Tee. Los!

Elisabethpfad 2. Etappe: Creuzburg – Röhrda 19 (+3)

Februar 11, 2024

Stimmen hinter mir
Quietschende Regenjacke
Als wärs ein Seufzen

Ein völlig vernieselter Tag, an dem ich mich daran erfreue, dass das Teilstück zum überwiegenden Teil geteert ist, weil ich so dem Matsch entgehe. Außerdem überquere ich die ehemalige Grenze fünfmal. Aber im Einzelnen:

Ich wache schon wieder um 4 Uhr morgens auf, das scheint zur Gewohnheit zu werden. Anschließend fliegen mir Haikus zu und ich schaffe es später noch in den Halbschlaf. Der aktuelle Blick auf den Regenradar – gestern Abend sah es noch ganz anders aus – verheißt nichts Gutes. Am frühen Morgen soll es noch recht trocken bleiben, später alerdings sollen die Niederschläge zunehmen. Als ich das begreife, spute ich mich, verabschiede mich von der Servicekraft, bekomme von ihr noch einen Stempel mit der Burg in all ihrer Pracht in meinen Pilgerausweis und bin um 8h15 auf der Rolle.

Von Creuzburg nach Westen folgen der Jakobsweg und der Elisabethpfad, die oft identisch sind, zwei verschiedenen geteerten Routen. Ich gehe einen dritten Wiesenweg anfangs an der Werra entlang, die mich verblüfft, weil sie von West nach Ost fließt. Flüsse haben eben immer die Tendenz, zu mäandern und nicht direkt auf ihr Ziel zuzufließen. Manchmal geht es dann auch in eigentlich „kontraproduktive“ Richtungen. An der Brücke über die Ifta, die unweit in die Werra mündet, vereinigt sich mein Weg wieder mit dem Elisabethpfad. Es nieselt nun leicht und es geht bergauf bis zur alten innerdeutschen Grenze (1. Überschreitung) im Wald. An der Stelle ist eine Rastbank sowie eine metallene Deutschlandkarte. Quer verläuft der Kolonnenweg, mitten im damaligen Todesstreifen, heute das Grüne Band, dessen 1393 km man komplett abwandern kann.

Ehemalige innerdeutsche Grenze: Kolonnenweg kurz vor Willershausen, heute das Grüne Band

Hinter dem Wald geht es links auf der Straße hinunter nach Willershausen im ehemaligen Westen. Ich besuche die dreischiffige, schlichte Kirche, hole mir einen Stempel und gebe einen kleinen Obolus für die Restaurierung der von Pilzen befallenen Orgel.

In Willershausen ist auch im Februar noch Weihnachten

Die Autokennzeichen sind jetzt natürlich nicht mehr WAK (Wartburgkreis) oder EA (Eisenach), sondern meist ESW (Eschwege). Aus dem Ort heraus gehe ich auf einer Straße nach Norden, die auch wieder ansteigt. Auf der Bergkuppe im Wald ist erneut die alte Grenze (2. Übertritt). Ich bin also jetzt wieder in Thüringen. Es geht auf einem Betonplattenweg bergab, damit die DDR-Panzer schnell an die Grenze fahren konnten. In der DDR ging sehr viel Material wie z. B. Zement an den Grenzschutz und fehlte dann in der Privatwirtschaft. Ich komme in Ifta an und gehe in den Ort rein und damit ca. 300 m über den Wegabzweig hinaus. Das Gasthaus macht zwar eigentlich erst um 15h auf – jetzt ist es 11h – aber die Wirtin, die gerade noch fleißig saubermacht, kocht mir Teewasser und wir kommen ins Gespräch. Sie erzählt mir auf Nachfrage bzgl. der Stimmung von der Verunsicherung der Leute, die nicht genug mitgenommen werden von der Politik, möchte sich selber damit aber nicht auseinandersetzen, hat schon genug zu tun in ihrem Alltag. Das hört sich alles sehr nachvollziehbar an und doch… Nach 45 Minuten breche ich auf. Die Kirche mit dem Himmelszelt an der Decke und dem blutenden Pelikan auf der Kanzel ist geschlossen, heute ist kein Gottesdienst. Jede Kirche, die wertvolle Kunst enthält, ist normalerweise geschlossen.

Ich überschreite auf dem Weg nach Lüderbach ein drittes Mal die Ex-Grenze und bin wieder in Hessen im Werra-Meißner-Kreis. Ich habe heute hier die gesamte, herrliche Landschaft für mich.

Zwischen Ifta und Lüderbach

Ein paar Meter abseits des Wegs gehe ich ein paar glitschige Steinstufen hinunter zum Leprakreuz und stürze fast. Hier war wohl eine Station für aus den Kreuzzügen an Lepra erkrankte Rückkehrer.

Leprakreuz unweit Lüderbach

Kurz vor der Grabespyramide, mache ich einen 1,5 km Abstecher zum Baumkreuz. In der Ferne sehe ich einen Schimmel und zwei Braune mit Reitern, die weiter Richtung Lüderbach reiten. Ich schreibe das, weil ich heute quasi niemand auf dem Weg treffe. Das Baumkreuz ist eine Anpflanzung von Eschen und Linden in Kreuzform, da wo die B7 auf die alte innerdeutsche Grenze trifft. Es ist noch ein langer Abschnitt des damaligen Grenzzauns erhalten. Hier überquere ich die nicht mehr existierende Grenze ein viertes Mal, um gleich wieder zurückzukommen.

Teil des Baumkreuzes – hier Eschen – an der B7 mit altem Grenzzaun

Von hier mache ich noch einen Abstecher hoch zur Grabpyramide, wo der letzte Schlossherr von Lüderbach, Herr von Castellan, der keine Nachkommen hatte, mit seiner Schwester begraben ist.

Lüderbach, Grabpyramide

In Lüderbach ist die Kirche mit dem Schnitzaltar natürlich geschlossen. Ich mache meine Mittagsrast mit Gemüse-,  Kirschsaft und Ingwerwasser in einem schmucken überdachten Bushaltestellenhäuschen aus Fachwerk.

Lüderbach, Bushaltestellenhäuschen

Auf gerader Strecke geht es weiter nach Netra, wo die Kirche mit dem Wehrturm leider auch wieder zu ist. Am Ortsausgang steht ein langsan verfallendes Wasserschloss, um das sich niemand zu kümmern scheint.

Netra, Wasserschloss der Familie von Boyneburg

Noch knapp 3 km und ich bin in Röhrda, meinem Tagesziel angekommen. Die Regenjacke und der Rucksackschutz sind zwar nass geworden, aber ansonsten habe ich den Regentag recht trocken überstanden.

Weg vor Röhrda, man sieht die Kirche im Hintergrund

Die Inneneinrichtung der Kirche ist sehr einfach, das Buntglasfenster mit dem auferstehenden Jesus ist ein Blickfang.

Röhrda, ev. Kirche, Buntglasfenster

Ich kehre ein in die Pension Iris, bekomme einen Kräutertee kredenzt und lasse meine müden Knochen etwas zur Ruhe kommen.

3691

Februar 11, 2024

Eine Kohlmeise

zwitschert hoch oben im Baum

Wo genau sitzt sie?

3690

Februar 11, 2024

Wandern und Fasten

Täglich ein paar Gramm leichter

Gleich hebe ich ab!

3689

Februar 11, 2024

Wie ich auf Wandrer

neidisch war als Radfahrer,

wenn es steil hoch ging

3688

Februar 11, 2024

Stimmen hinter mir

Quietschende Regenjacke

Als wärs ein Seufzen

3687

Februar 11, 2024

Egal, ob du schläfst

Schön warm unter der Decke

Das Glück des Dösens

3686

Februar 11, 2024

Gefahr beim Fasten

Nicht wieder mit dem Essen

starten zu wollen

3685

Februar 11, 2024

Morgens um halb sechs

Verschiebt da jemand den Tisch?

Die Heizung läuft an.

3684

Februar 11, 2024

Sich verabschieden,

ohne dass es jemand merkt.

Das gibt zu denken.

3683

Februar 11, 2024

Fastend andauernd

gemahnt werden ans Essen

von den Mitmenschen

3682

Februar 11, 2024

In der Nacht um vier

Im Kopf summt ein Bienenschwarm

Im Hals ein Feuer

Elisabethpfad, 1. Etappe: Stedtfeld – Creuzburg 13

Februar 10, 2024

Die Sonne kommt raus
Der Bibelversautomat
Die Kemenate

Ich wache auf und denke es ist 6 Uhr, aber als ich genauer auf die Uhr sehe, stellt es sich raus, dass es 4 Uhr ist. Darauf eine Melatonintablette, mit der ich nach längerer Zeit wieder einschlafe, und dann nicht aus dem Bett komme. Zum Frühstück Orangensaft. Ich muss feststellen, dass ich doch wieder – wie schon auf der letzten Fernwanderung auf dem Heidschnuckenweg – das falsche Paar Wanderstöcke mitgenommen habe. Bei dem einen Wanderstock fehlt entweder ein Segment oder ich bin zu blöd, ihn auseinander zu ziehen. Die junge Frau an der Rezeption bucht versehentlich 50 Euro Depot für den Bademantel ab. Ob sie wohl meinte, ich hätte ihn in meinem 30 l Rucksack mitgenommen?

Um halb zehn bin ich endlich on the road. Draußen scheint die Sonne und es herrschen zweistellige Temperaturen. Obwohl ich das dünnere Hemd und das nicht ganz so warme Damart-Unterhemd anhabe, ist mir etwas warm. Ich gehe über einen Wiesenweg nach Stedtfeld rein.

Stedtfeld, Steinstock

Hier geht es über die u. a. von Flixtrain befahrenen Bahnschienen der Strecke Eisenach – Bebra und ich stoße auf den Elisabethpfad, der enttäuschenderweise an einer Straße langläuft, neben der sich dann auch noch das langgestreckte Gelände des Klärwerks befindet. Warum um Himmels willen haben die Schöpfer des Elisabethpfades hier nicht den Rennsteig genutzt, der etwas weiter auf dem Bergkamm verläuft? Ich werde heute bestimmt 80% auf Asphalt – man sagt hier Bitumen – gehen, was unnötig ist und mich fuchsteufelswild macht.

Neben dem Elisabethpfad tanze ich heute auf verschiedenen Wegen…
Als Pilger kann man sich den Weg (nicht) aussuchen

In Hörschel mündet die aus Eisenach kommende Hörsel in die Werra und es beginnt an der Werra der Rennsteig. Den ich für den meistüberschätzten deutschen Wanderweg halte. Der Weg verläuft meist im Wald oben auf dem Kamm und es gibt kaum Ausblicke. Es ist eine Art Wanderautobahn, breit und befestigt. Die Wanderer, die sich dort tummeln, sind meist bierernst und rennen ohne nach links und rechts zu gucken.

An einem Spielplatz raste ich und spreche länger mit einem einheimischen Großvater, der mit seinen Enkeln bei dem schönen Wetter mal draußen ist. Er erklärt mir die Wegführung und weist mich darauf hin, dass es auf dem Radweg weitergeht und fast nur noch Bitumen bis Creuzburg zu erwarten ist. Er wird recht behalten. Neben mir fließt nun die recht hochstehende Werra, über mir ist die Talbrücke der A4, die ich schon unzählige Male überfahren habe. Ein junges Paar und ihr Söhnchen sind auf dem Rad kaum schneller als ich zu Fuß, es geht rauf und runter. Ich plage mich den ganzen ein bisschen mit diversen Hungerästen ab, die Umstellung des Körpers auf Fettverbrennung dauert ihre Zeit.

Nicht weit von der alten, innerdeutschen Grenze: Deutschland am Boden

Ich erreiche nun Spichra, wo ich mir in der schnuckligen evangelischen Kirche in der Sakristei einen Pilgerstempel für den Pilgerausweis selbst erstelle.

Spichra, evangelische Kirche von 1753

Aus Spichra heraus geht es auf besagtem Radweg schnurgerade. Wie ich auf der App sehe, hätte es vorher eine Möglichkeit gegeben, über einen niedrigen Höhenrücken durch den Wald auf einem Wanderweg abzukürzen, was ich natürlich verpasst habe. Ich verfluche völlig sinnbefreit die Wegmacher. Sie hatten sicher ihre Gründe, es ist mein Fehler, ich hätte mich vorher informieren müssen. Links vor mir grasen Wasserbüffel und Gallowayrinder in den überschwemmten Auen. Es handelt sich um das Stiftsgut Wilhelmsglücksbrunnen, wo heute eine Käsemanufaktur betrieben wird. Hier geht es runter vom Asphalt auf einen eingeweichten Weg zwischen den Wiesen. In der Ferne sieht man linker Hand schon mein Etappenziel, die Creuzburg.

Da es noch nicht einmal ein Uhr ist, mache ich eine Trinkpause auf einer Bank mit Tisch. Es sind doch einige Leute zu Fuß und auf dem Rad unterwegs, es ist ja Samstag. Ich komme nun zur Liboriuskapelle (an der Ostseite der alten Werrabrücke), in der sich Wandmalereien von Elisabeth von Thüringen befinden. Die Kapelle ist (natürlich) geschlossen. Ich sehe später Kopien von ihnen mit guten Erklärungen in der Nicolaikirche im Ort.

Werrabrücke, erbaut 1223 unter dem Landgrafen Ludwig IV., Elisabeths Ehemann

Über 700 Jahre hält die Brücke, dann kommen die Nazis und sprengen am 1.4.1945 sinnlos zwei Bögen der Brücke (Verbrannte Erde), um den Vormarsch der Amerikaner noch zu stoppen. Sie wurde dann 1952 wieder eröffnet. Die Werra ist heute unter der Brücke ein reißender Strom, der Strudel an den Pfeilern bildet.

In der eindrucksvollen, großräumigen Nicolaikirche lese ich, wie gesagt, über Elisabeths in Wandmalereien festgehaltenes Leben. Ich zünde ein Teelicht an und ziehe mir einen Bibelvers aus dem Automaten, der sinnigerweise mein größtes aktuelles Problem anspricht, den Durst. Es ist Johannes 4,14.

Creuzburg, Nikolaikirche

Ich gehe nun hoch zur Burg, wo mir beim Eintritt ins Hotel-Restaurant Bratengerüche entgegenschlagen. Mein Einzelzimmer ist schon – es ist halb zwei – bezugsfertig. Ich versuche nach dem Genuss meiner Säfte erfolglos eine Siesta zu halten und gehe dann runter und trinke zwei Kännchen grünen Tee.

Creuzburg, Gastraum des Burghotels/-restaurants

Nun sind meine Lebensgeister wieder geweckt. Zuerst gehe ich rüber zum Museum, das leider schon in 20 Minuten schließt. Ich gucke mir die Elisabethkemenate im Keller an, Elisabeth von Thüringen hat mehrere Jahre auf der Creuzburg gelebt und gewirkt, indem sie sich um die Armen gekümmert hat. Zwei ihrer drei Kinder sind hier geboren worden.

Elisabethkemenate
Kopie einer gotischen Elisabethfigur, Lindenholz
Elisabeth verabschiedet sich 1227 von ihrem Mann, Ludwig IV. in Schmalkalden. Er wird auf dem Kreuzzug sterben.

Über den Wehrgang geht es im 1. Stock hinüber zur aktuellen, sehenswerten Ausstellung mit vielen historischen und neuen Fotos des Ortes mit Erläuterungen.

Creuzburg, Wehrgang

Ich mache noch eine Tour durch den Ort und folge dem Märchen-Naturpfad mit Bäumen, die z. T. in Märchen eine Rolle gespielt haben.

Creuzburg

Elisabethpfad, Prolog: Eisenach Hbf – Stedtfeld 5

Februar 10, 2024

Gluckerndes Wasser
Wärme strömt in den Körper
Die Explosion!

Nach der Arbeit nehme ich den Zug von Berlin Hbf nach Eisenach um 15h26. Ich nehme Platz an einem Tisch, es stellt sich daraus, dass der Platz obwohl nichts angezeigt wird auf dem Display, von einem Mädchen reserviert ist, die netterweise darauf verzichtet und sich gegenüber hinsetzt, ich rutsche jetzt zum Fenster, so dass wir Beinfreiheit haben. Die Fahrt ist ereignislos, draußen ist es bedeckt und dämmert so langsam. In Erfurt steigen noch einige Leute zu, der Zug ist recht voll, drei von vier Plätzen an unserem Tisch besetzt.

In Eisenach ist es bereits dunkel um 18 Uhr. Ich gehe unter den Gleisen durch nach Norden. Es geht ein gutes Stück parallel zur Bahn, ich passiere einige Bahnunterführungen. Ich orientiere mich nun etwas nach Norden, es geht bergauf in eine Eigenheimsiedlung. Auf einer Sackgasse nach Westen, wo bei jedem zweiten Haus die Bewegungsmelder anschlagen und mir den Weg beleuchten, komme ich aufgrund der Steigung etwas ins Schwitzen.

Die Straße endet nun und ich komme auf den Weg am Waldrand, den ich mir auf der E-Walk App ausgeguckt hatte. Hier ist es nun stockduster, ich schalte meine Stirnlampe an. Der Boden ist durchgeweicht, es hat anscheinend viel geregnet in letzter Zeit. Momentan ist es allerdings trocken. Der Weg geht schon bald wieder bergab, offensichtlich standen die letzten Häuser, an denen ich vorher vorbeiging, oben auf einer Anhöhe. Der Weg geht leicht auf und ab weiter am Waldrand entlang. Ich sehe vor mir zu meiner Linken das Opelwerk mit einem riesigen, beleuchteten Logo. Hinter dem Werk ist links eine Baustelle mit neuen, noch unbezogenen Häusern. Ich gehe hinab und bin nun in dem Gewerbegebiet von Stedtfeld, wo sich auch meine Unterkunft befindet.

Im Hotelzimmer trinke ich den Rote Bete Saft als Hauptgang und den Orangensaft als Nachtisch. Danach gehe ich in die Sauna, das Thermometer zeigt ca. 20 Minuten nach dem Einstellen über 80 Grad, ich mache einige Aufgüsse und schwitze. Ich bleibe alleine. Die Dusche ist nicht sehr kalt. Nachdem ich mir noch verspätet die Nachrichten auf dem Handy angeguckt habe und bei zwei Talkshows zwischendurch eingenickt bin, lösche ich kurz nach 10 das Licht.

3681 In U-Bahn

Februar 10, 2024

Der Nachbar grummelt

Ich verstehe ihn fast nicht

Er will Geld von mir

3680

Februar 10, 2024

Anker geworfen

doch nur vorübergehend

Offene Weite

XIV

Februar 9, 2024

Knackender Ofen

Auf das Holz tröpfelnder Schweiß

Zischender Aufguss

Der nickende Chinese

unter der kalten Dusche

3679

Februar 9, 2024

Gluckerndes Wasser

Wärme strömt in den Körper

Die Explosion!

3678

Februar 9, 2024

Unter der Nase

Über der Oberlippe

Spüre das Streichen

[Tim Parks – Die Kunst stillzusitzen]

3677

Februar 8, 2024

Keiner sagt einem,

dass man eine Geschichte

schon mal erzählt hat.

Sprachmassaker

Februar 7, 2024

Einer der Köch*innen ist Pedro, ein junger Mann aus Mexiko der mehr vom Leben erwartet, als der Job ihm bietet. [q]

3676

Februar 7, 2024

Sie wirft, der Hund läuft

Die blaue Frisbeescheibe

Der Fänger im Flug

3675

Februar 7, 2024

Auf dem Weg zum Park

Die Sillage des Müllwagens

Meine Begleitung

3674

Februar 7, 2024

In Regenpfützen

Auf kahlen Ästen Sprossen?

Der Himmel bedeckt

Anleitung

Februar 7, 2024

1 Den Apfel vierteln

2 Den Grieps des Viertels rausschneiden

3 Das Viertel längs halbieren

4 Die zwei Achtel viermal quer schneiden

5 2-4 dreimal wiederholen

Ergebnis: Achtzig Apfelstücke