Treffe ich heute
alte Leute, so seh ich
die eigne Zukunft
Treffe ich heute
alte Leute, so seh ich
die eigne Zukunft
Jeder geschlosse–
ne Raum ist ein Sarg. Mehr Luft.
Die letzten Worte
[Blumfeld – Verstärker]
Das i-Tüpfelchen
auf dem Berner Sennenhund:
weiße Schwanzspitze
Viele Windräder
zwischen Leipzig und Berlin
stehen heute still.
Fast alle abgeriegelt.
Energiewende. Real.
Landschaft, Geschichte/n,
Menschen, Tiere, Pflanzen, Sand
südlich von Hamburg
[Claus-Peter Lieckfeld – Heide]
… rosemary, and thyme,
and gather it up with a
rope made of heather
[Simon & Garfunkel – Scarborough Fair (wohl auf schottischem Trad. basierend)]
Farbe purpur-rot
Apogée noch nicht erreicht
Bukett sehr pflaumig
[Château Tanesse 2017, Cadillac, Côtes de Bordeaux]
Karte aufs Gerät
Die Bedienung dreht sich weg
Ich gebe PIN ein
Gegen die Strömung
– das Kaminfeuer knistert –
zur Quelle schwimmen
[Neil Young – Will to Love (1977 acoustic Chrome Dreams version) ]
Es geht jetzt doch wieder hier mit den Notizen weiter. Die 6. Etappe ging von Soltau nach Wietzendorf.
Morgens ein eher übersichtliches Frühstück in der Pension. Wir dürfen uns Butterbrote für den Tag schmieren, es ist jedoch alles genau abgezählt. Gastfreundschaft geht anders.
Die ersten 8 km nach Bispingen sind sehr abwechslungsreich. Zuerst geht es am mit Erlen bestandenen Ufer des Brunauer Sees entlang. In der Ferne hört man das Rauschen der Autobahn. Wir kommen raus an der Raststätte Lüneburger Heide West an der A7 und unterqueren die Autobahn das erste Mal. Nun kommen wir in die Behringer Heide, die Wasserscheide zwischen Weser und Elbe. Hinter Borstel in der Kuhle geht es bergauf in eine hügelige Heidelandschaft mit schönen Ausblicken.
Wir treffen kurz vor Bispingen auf die Luhe, die hier noch ein kleines Bächlein ist. In Bispingen machen wir eine kurze Cappuccinopause beim Bäcker, wo uns unsere das Geld gut zusammenhaltende Gastgeberin nochmals zufällig über den Weg läuft. Nach dem Kauf von weiterem Proviant im örtlichen wegen des Wochenendes sehr gut frequentierten Supermarkt gucken wir uns kurz die schlichte auf Feldsteinen errichtete Ole Kerk von 1353 an. Leider haben wir nicht viel Zeit zum Verweilen, es liegen noch 23 km vor uns und es ist schon Mittag.
Nun geht es parallel zur Bahnlinie nach Soltau durch den Wald an vielen bereits mit dem Kamm abgeernteten Blaubeersträuchern entlang. Im Hintergrund immer wieder der eintönige Ruf des Gartenrotschwanzes. Wir kommen jetzt ins Quellgebiet der Luhe, drei etwas höher gelegene Teiche, die ein Hund zur Erfrischung nutzt. Wir unterqueren die zwei separaten Fahrbahnen der A7 erneut in zwei bestimmt 100 Meter auseinander liegenden dunklen und feuchten Tunneln.
Der Wald weicht nun einer offeneren Landschaft. Der Mais steht kurz vor der Ernte und ist über drei Meter hoch. Die neuesten Errungenschaften von Düngung und Genetik haben wahre Wunder vollbracht. Auf den Wiesen sieht man diverse Schmetterlingsarten, ich kann Zitronenfalter, Kohlweißling und Admiral unterscheiden.
Am Kreuzberg, den man als Erhebung kaum erkennt, machen wir gegen 14 Uhr unsere Pause. Der Himmel ist jetzt bewölkt, das Thermometer hat die 30 Grad durchbrochen. Eine Gruppe von vier jungen Wanderinnen mit Rucksäcken kommt uns entgegen, die über ein Buch sprechen. Im Hintergrund ein paar Windräder – die ersten, die mir seit Hamburg auffallen – sie drehen sich damit die Südländer auch schön günstigen Ökostrom beziehen können. Weiter geht es vorbei an einem Roggenfeld, über das eine Schwalbe so tief fliegt, dass sie mit ihrem Bäuchlein fast die Halmenden touchiert. Regen kündigt sich an, es bleibt aber im weiteren Verlauf nur bei einigen Tropfen.
Wir kommen jetzt wieder in den Wald – über 60% der Lüneburger Heide besteht aus Wald, nur 1/6 aus Heide – und hören schon bald lautes Kindergeschrei von hinter den Bäumen. Es handelt sich um die Fahrgeschäfte des Heide Park Resorts Soltau, insbes. der passenderweise Scream genannte 100 Meter hohe Turm, den die Passagiere mit bis zu knapp 100 km/h in ihren Kabinen hinunterstürzen. Wir überqueren den endlosen Parkplatz, der bei weitem nicht vollständig gefüllt ist, aber doch ganz gut belegt. Hinter dem Erlebnispark tauchen wir wieder in den Wald ein und machen eine Trinkpause auf einem Campingplatz, wo sie gerade Bingo spielen. Der Weg zurück gestaltet sich schwierig, geradeaus kommt man nicht weiter, die Campingplatzwege sind labyrinthisch angelegt und es geht nur auf demselben verschlungenen Pfad zurück, den wir auch gekommen waren.
Die letzten Kilometer durch den Wald – wiederum mit Stimmen bzw. Musik im Hintergrund – sind für die Füße keine Freude mehr. Wir gehen an der Böhme durch den Böhmewald zu der Therme – wir können zwei Radlerinnen sogar den Weg dahin weisen – und weiter in den Ort. Die 18 Uhr Kirchenglocken begrüßen uns. Unsere Unterkunft liegt an der stark befahrenen Straße nach Lüneburg direkt neben der Glockenkirche, das Hotel Heideparadies.
Wir hatten Glück. Der große Regen kam an dem Tag, wo wir die Radenbachschleife um Undeloh vorgesehen hatten, also eine entbehrliche Wanderung im Kreise. Wir verbrachten den Vormittag im Heideerlebniszentrum, wo man so einiges über die Geschichte sowie die Fauna und Flora der Heide erfahren konnte. Z. B., dass abplaggen – hiervon kommt das Wort Plackerei – bedeutet, die Heide mitsamt der oberen Humusschicht mit den Händen abzutragen, eine Sauarbeit. Man tat dies, damit die Heide sich regeneriert und nutzte die Plagge zusammen mit dem Kot der Heidschnucken als Dünger für die nährstoffarmen, sandigen Böden.
Nachmittags machten wir noch eine Minirunde um Undeloh im nachlassenden Regen. Man hätte nun denken können, dass die nächste Etappe nach diesem Quasiruhetag besonders leicht werden würde, dem war aber leider nicht so. Trotz der nährreichen Milch mit fast 4% Fett vom Bauernhof waren unsere Füße von Anfang an schwer, und das besserte sich auch nicht im Laufe des Tages. Die Bewölkung löste sich auf, die Sonne kam raus, die Temperaturen wurden sommerlich.
In der Undeloher Heide hörten wir mehrmals dumpfe Geräusche. Geschützdonner vom Truppenübungsplatz Munster bzw. Bergen, bestimmt 25 km Luftlinie entfernt. Die anderen Tage waren schon mehrmals Düsenjäger für uns unsichtbar oberhalb der Wolken geflogen, das Militär ist in dieser Gegend weiterhin sehr präsent. Plötzlich tauchen vor uns Tiere auf, direkt am und auf dem Weg grast eine Heidschnuckenherde mit einigen Ziegen, die sich auch an eine Eiche stellen und die unteren Blätter abfressen. Der Schäfer ist etwas weiter hinten ins Gespräch mit dem Förster vertieft, der seinen Geländewagen an einem Heideweg abgestellt hat.
Wir nähern uns Wilsede, dem Heidedorf schlechthin und treffen zunehmend auf meist betagte E-Bikefahrer, Tageswanderer, sowie Pferdekutschen. Im Ort nehmen wir den gut 1 km langen Wanderweg Lila Krönung zum Totengrund. Dieser ist die Keimzelle des Naturschutzgebietes Lüneburger Heide, er wurde 1906 von privat erworben. Die Aussicht hinunter in den Heidegrund ist lohnend, neben der Heide wachsen hier vor allem Wacholderbüsche in verschiedensten Formen wie oval, eher flach ausgestreckt oder als Säule.
Weiter geht es auf einem anderen Weg zurück zum Dorf, wo wir weiterwandern gen Wilseder Berg, der mit 169 m höchsten Erhebung der norddeutschen Tiefebene. Trotz der vielen Touristen finden wir eine Holzbank für die Mittagspause. Man sieht im Norden in der Ferne Windräder auf Hamburger Gebiet. Beim Abstieg kommen uns zwei Arten von E-Bikern entgegen, diejenigen, die ihr Gefährt mühsam den Weg hochschieben und diejenigen, die die Fahrt im Sattel mit Motorhilfe wagen.
Durch Heidelandschaft geht es nach Niederhaverbeck. Hier erfrischen wir uns im Schatten von Bäumen, der Rhabarbersaft weckt meine Lebensgeister. Wir haben von hier noch rund acht km bis zum Ziel, die sich allerdings ewig hinziehen. Die Sonne brennt runter, Schatten ist kaum vorhanden und unsere Wasservorräte erschöpfen sich langsam. Ich bin im Tunnel unterwegs, Blick starr vor mich auf den Boden gerichtet. Es bleibt nicht aus, dass wir einen Abzweig verpassen und ein gutes Stück in die falsche Richtung laufen. Kurz vor der Bundesstraße treffen wir noch auf eine zweite, kleinere Heidschnuckenherde. Die junge Schäferin ist mit drei angeleinten Hütehunden unterwegs. Auf dem Parkplatz neben der Straße wehen uns verführerische Essensdüfte in die Nüstern, in einem Wohnmobil werden Bratkartoffeln (s. u.) bei offenem Fenster in der Pfanne gewendet. In Behringen kommen wir völlig dehydriert an und inhalieren in unserer Unterkunft in Nullkommanix eine Flasche Mineralwasser. Zum Abendbrot leiste ich mir eine Quittenkaltschale mit Matjes und knusprigen, schön dunklen Bratkartoffeln mit Speck, so mit die besten, die ich je gegessen habe.
Ich werde morgens geweckt vom Wiehern eines Pferdes auf der Koppel neben unserem Airbnb-Einliegerstudio in Handeloh-Böckel. Wir frühstücken auf der kleinen Terrasse davor. Das Eiweißbrot ohne Mehl auf Basis von Haferflocken mundet gut, evtl. statt des Knäckebrots eine gute Wahl abends im Kampf gegen den Reflux.
Wir gehen auf einer Allee mit Kopfsteinpflaster zurück zum Hauptweg. An der Bahnlinie lang geht es durch Handeloh, große Grundstücke, es scheint kein richtiges Zentrum zu geben, die Gegend erinnert mich generell mit dem vielen Rasen an den Parkcharakter von Neuengland, es gibt zwar Zäune, aber der Charakter ist offen und großzügig.
Wir nähern uns der Seeve, einem mäandernden Heideflüsschen, das in die Elbe mündet. Im Führer schreiben sie, das Wasser wäre ganzjährig 6-8 Grad kalt. An der Stelle, wo ich die Hand ins Wasser getaucht habe, waren es deutlich über 10, evtl. sogar 15 Grad. Der Klimawandel macht auch nicht vor der Heide halt. Die Vegetation ist dicht, eine Art Urwald, man hört viele Vögel.
Wir gehen die Variante über den Weiler Wehlen, hier ist die Quelle der Seeve. An einem alten, imposanten Laubbaum steht eine Wanne mit durch Wasser gekühlten Getränken. Der Rhabarbersaft (45%) stellt eine köstliche Erfrischung dar. Wir kommen mit einem älteren Ehepaar auf E-Bikes ins Gespräch, die den Eindruck machen, als wären sie bei Fridays for Future dabei. Von hier gibt es einen sandigen Reitweg durch die Heide. Die Sonne scheint, es summt überall. Zur kindlichen Ferienstimmung fehlt nur noch das Meer.
In Wesel machen wir neben dem Hexenhaus Mittagspause und trinken anschließend noch im von Wanderern und Radfahrern recht vollbesetzten Café einen Capuccino. Wir verlassen den Weg und müssen feststellen, dass der historische Schafstall in der Nur-Dach-Form leider im Coronasommer 2020 abgebrannt ist. Wir kommen nun in eine wunderschöne, blühende Heidelandschaft, die stark von Wanderern und Radfahrern frequentiert wird.
In Undeloh gehen wir in die schlicht eingerichtete, schnuckelige Feldsteinkirche. Als wir heraustreten, kommt uns ein relativ junger Mann mit sorgenvoller Miene entgegen, der mich mit Blick auf die Bandage an meinem linken Knie fragt, ob ich einen Muskelfaserriss habe. Ich kann seine Sorge zerstreuen. Es war wohl der Pfarrer. In Undeloh sind wir in einem Zentrum des Heidetourismus angekommen. Busladungen von betagten Zeitgenossen werden hier ausgespuckt.
In unserem Hotel, der Heiderose, bekommen wir das großzügige, jedoch recht dunkle Zimmer mit der Nummer 1. Die Infomappe verspricht eine Sauna im Keller. Aufgrund der wohl immer noch gültigen, strikten Coronaregeln (Abstände etc.) ist sie allerdings genauso wie das Schwimmbad geschlossen. Deutschland reguliert sich zu Tode, man sieht es auch gerade an der geplanten Cannabisfreigabe, dem nächsten Regulierungsmonster in der Pipeline.
Nach über drei Jahren fast täglichen Schreibens von Siebzehnsilbern, versuche ich gerade aus dem Haikugefängnis auszubrechen. Mal wieder auf einer Wanderung. Wir sind für zwei Wochen unterwegs auf dem Heidschnuckenweg von Hamburg-Fischbek nach Celle, einmal längs durch die Lüneburger Heide. Hier habe ich angefangen, darüber zu berichten.
Nachhallen lassen
Den ganzen Tag verträumen
The birds take over
Durch den Märchenwald
Die Vögel tirillieren
Das Bassherz schlägt tief
[Belbury Poly – The Path]
six heures de sommeil
lire un bon livre au lit
la grasse matinée
180 Grad
Wechsel der Körperstellung
Die Füße streicheln
Regen-Wiesen-Jog
Linkes Knie mit leichtem Schmerz
Geh-Intermezzo
Kimba setzt sich hin
vor den Mirabellenbaum,
wartet aufs OK
Mit Heckenschere
Eibe gestutzt, stehend auf
der Leiterplattform
Bruxelles. Les Venelles.
Gejetlagged, aus Montréal.
Stopp London-Heathrow.
[Swell – Sunshine, Everyday]
Junge Kollegen
lassen einen alten Sack
sich jünger fühlen
Im Paradies spielt
er Sopransaxofon und
das Stück geht wie folgt
[Branford Marsalis – Gymnopédie No. 3 (Erik Satie)]
Oben Wolkenmeer
Kimba macht in Stoppelfeld
Eskimorolle
Motorrad am Rand
Die Schutzplane weht im Wind
Kimba springt links weg
In Streuobstwiesen
Kimba Aug in Aug mit Fuchs
Reineke trollt sich
Das rotbraune jagt
das schwarzbraune Eichhörnchen
um den Apfelbaum
Aus Rüttelflug schießt
Sperber hinab ins Feld, greift
Maus mit dem Schnabel
Saufexperiment
von vier dänischen Lehrern
in Midlife-Crisis
[Thomas Vinterberg – Der Rausch]