Les jeux sont faits: Poe,
Kafka, Beckett and Camus
Splendid company
[Paul (Auster) is dead]
Les jeux sont faits: Poe,
Kafka, Beckett and Camus
Splendid company
[Paul (Auster) is dead]
Der Blick von außen
„Fichte spricht, bevor sie bricht.“
Überm Nebelmeer
[Paul Scraton – Harzwanderungen. Auf Heines Spuren durch den deutschen Wald.]
Neun Tage spaziert
Sonnenaufgang am Brocken
Die Ilse hinab
[Heinrich Heine – Die Harzreise]
Rund tausend Haikus
Das Lebenswerk von Bashō
Teich. Froschsprung. Platschen.
Wir wachen alle
eines Tages als Käfer
auf dem Rücken auf
Hochsommer am See
Gegen Ende noch einmal
vom Leben kosten
Frau und Kind flüchten
Den Soldaten an der Front
Lieder vorsingen
[Matti Friedman – Wer durch Feuer: Krieg am Jom Kippur und die Wiedergeburt Leonard Cohens]
Perspektivwechsel
Unter halbgeschlossenen
Lidern zublinzeln
[Arne Piewitz alias Henning Venske – Ich war der Märchenprinz]
21.06.1941
Es heißt immer, es sei die Liebe, nach der wir ein Leben lang suchen, oder es sei Ruhm. Es ist keins von beiden. Was wir suchen, ist Verständnis. Wir suchen dauernd ein anderes Herz, das wir anrühren können und das uns anrühren kann. Unermüdlich wie ein ausgehungertes Tier suchen wir danach. Denn unser Herz ist immerzu einsam. Immerzu allein. Und wo immer wir dieses Verständnis auch zu finden meinen, bei einem Mädchen, bei einem Jungen, einem gebrechlichen Greis oder einer alten Schrulle, bei einem Säufer, einer Prostituierten, einem Verrückten, einem Kind, dahin gehen wir, und nichts auf der Welt kann uns zurückhalten.
Patricia Highsmith: Tage- und Notizbücher
Mittendrin schwimmen
in einem Gemälde aus
dem 19. Jahrhundert
Finger auf die Stirn
Ausatmen in Pulsader
Hand auf dem Gesicht
[Atemübung aus Gabriele von Arnim – Der Trost der Schönheit]
Landschaft, Geschichte/n,
Menschen, Tiere, Pflanzen, Sand
südlich von Hamburg
[Claus-Peter Lieckfeld – Heide]
Das Stockholm-Syndrom
des geschlagenen Opfers,
das keinen erkennt
[Anna Felnhofer – Fische fangen, Bachmannpreis 2023]
Manchmal reicht ein Schrei,
um aus der Vereinsamung
herauszukommen
[Martin Piekar – Mit Wänden sprechen / Pole sind schwierige Volk, Bachmannpreis 2023]
Seinen Job machen
Viel mehr als einen Schreibtisch
braucht man dafür nicht
[Mario Wurmitzer – Das Tiny House ist abgebrannt, Bachmannpreis 2023]
Transtrømer, der nach
seinem Schlaganfall beinah
nur noch Haikus schrieb
Der Sohn gestorben
Nur sein kauendes Pferdchen
hört dem Kutscher zu
[Helga Schubert – Über Anton Tschechow (Erzählung Gram)]
Die große Liebe
nur eine Kopfgeburt
wie Musik und Sex
[Haruki Mukarami – Südlich der Grenze, westlich der Sonne (e-book)]
In Barfußschuhen
pilgern sie ökumenisch
in Gegenrichtung
[Angela Pfotenhauer und Elmar Lixenfeld – Meine Via Regia und meine auch]
Un père qui boit trop
vu avec les yeux d’enfant
de son fils ainé
[Jean-Louis Fournier – Il a jamais tué personne, mon papa]
Wird man gewaltsam
zurückgeholt, geht einen
nichts mehr etwas an.
[Peter Nadas – Der eigene Tod (e-book)]
Risse im Gebälk
nachdem plötzlich Halbschwester
bei Lesung auftaucht
[Julia Schoch – Das Vorkommnis (e-book) ]
Jedes Wort einzeln
bis zur Neige auskosten
als wärs das Letzte
Ausnahmslos jedes
von ihr geschriebene Wort
verschlingen müssen
Die kriegen uns nicht.
Ein lang gehegter Entschluss
Was bleibt von Liebe?
Es ist alles klar.
Von Anfang an. Sie hat’s getan.
Und am Ende nichts.
If you wander far enough
you will come to it
and when you get there
they will give you a place to sitfor yourself only, in a nice chair,
Robert Creeley (via)
and all your friends will be there
with smiles on their faces
and they will likewise all have places.
Ein Junge wächst auf
in den Sechzigern im Pott.
Der Blick von unten.
Vor einigen Jahren
kam mir mittags
ein weißhaariger Mann
auf einem Fahrrad
die Taubenstraße
zwischen Hausvogteiplatz
und Gendarmenmarkt entgegen.
Es war Rainald Goetz.
Er hat mich nicht erkannt.
Ende des Weltkriegs
Schon alles erlebt haben
mit dreizehn Jahren
Ein Weidmann erzählt
slowakische Geschichten
aus dem Waldrevier
[Rudo Moric – Aus des Försters Tasche]
Und wenn die Beatles
nur eine lokale Band
geblieben wären
[Christian H. Smith – Through a Glass Onion, übersetzt von Stefan Kalhorn]
Weitergehen, mehr
braucht es nicht, dass am Ende
meist alles gut wird.
[Wolfgang Büscher – in Porträts, Filmprojekt von Thomas Henke via kraulquappe]
Morgen früh sind wir
unserem Sieg (schon) wieder
einen Tag näher
Immerzu höre ich von ihr reden
als wär sie an allem schuld.
Seht nur, wie sanft und bescheiden
sie unter uns Platz nimmt!
Warum besudeln wir denn
ihren guten Namen
und leihen ihn
dem Präsidenten der USA,
den Bullen, dem Krieg
und dem Kapitalismus?
Wie vergänglich sie ist,
und das was wir nach ihr nennen
wie dauerhaft!
Sie, die Nachgiebige,
führen wir auf der Zunge
und meinen die Ausbeuter.
Sie, die wir ausgedrückt haben,
soll nun auch noch ausdrücken
unsere Wut?
Hat sie uns nicht erleichtert?
Von weicher Beschaffenheit
und eigentümlich gewaltlos
ist sie von allen Werken des Menschen
vermutlich das friedlichste.
Was hat sie uns nur getan?
Hans Magnus Enzensberger, 1964
In Jerusalem
Mit Kertész still durch Jena
Delir im Koma
[Friedrich Christian Delius – Die sieben Sprachen des Schweigens]
What a strange writer
To read this book took me years
I regretted it
[D. T. Max – Every love story is a ghost story. A Life of David Foster Wallace]
Spiegel der Seele
Die Privatbibliothek
Fixierte Neugier
Vor fünfzig Jahren:
eine Woche Leichtigkeit,
dann der Terror live.
Freilich muss man aushalten lernen, was Jünger schreibt. Man muss einmal mehr auf Zehenspitzen durch die Hölle wandern. Mag sein, dass das erst dann gelingt, wenn man gewisse Leseerfahrungen gemacht, und das Stadium überwunden hat, in dem man Werke nur noch daraufhin liest, ob sie politisch korrekt sind.
Jürgen Nielsen-Sikora in Glanz & Elend zur Neuausgabe von Ernst Jüngers Strahlungen
Es ist extrem schwer,
sich von Büchern zu trennen.
Keiner möchte sie.
[frei nach Verabredungen mit einem Dichter – Michael Krüger (Frank Wierke)]
Denk ich an Deutschland
Sich am Nordkanal kreuzen
Walross und Tanzbär
[Wolf Biermann trifft Heine in der Elphi]
Neugierig bleiben,
das Wundern nicht verlernen,
seinen Weg gehen
[Werner Herzog – Jeder für sich und Gott gegen alle]
Lockere Essays
über Leute und Orte,
sich selbst nicht schonend
[Paul Theroux – Figuren in der Landschaft]
Drastische Szenen
zu Kriegsende, plastisch erzählt.
Familienforschung.
[Ralf Rothmann – Im Frühling sterben]
In Zelle schreiben
In Gruppe drüber sprechen
Verrohung stoppen
Weiche Stimme liest
vom Kampf des jungen Selbst mit
unwirtlicher Welt.
[Werner Herzog – Vom Gehen im Eis (Hörbuch)]
Keinen Berg zwischen
Eisenach und Budapest
zu Fuß auslassen.
[Rebecca Maria Salentin – Klub Drushba]
Die Malven blühen
Der Sperber im Rüttelflug
Zwei Bücher verschenkt
Am besten schläft man
mit dem Kopf und den Füßen
in Nord-Süd-Richtung.
[Bernd Brunner – Die Kunst des Liegens]
Konflikt auflösen
durch geschicktes Ausnutzen
des Gegners Schwäche
[Molière – Der Geizige, Hans Otto Theater, Am Tiefen See, Potsdam]
T. S. Eliot – The Waste Land
Das russische Volk
propagandaberieselt
Oblomow im Bett
Auf dünnem Faden
meines Atems auf Morgen
wartend wie Spinne
[Ivo Andrić – Insomnia, leicht adaptiert]
Wie Poe bin ich oft
bereits nach einem Glas Wein
völlig betrunken.
Held meiner Jugend
Auf dem Trip zum nächsten Kick
Splitterfasernackt
[Unterwegs (Hörspiel) von Jack Kerouac, der gestern hundert geworden wäre]
Kuschlige Nächte
in Laubhütten neben Hund
auf Blättern und Gras.
[Manuel Larbig – Waldwandern]
Mondlandung verpasst
Mädchen nahegekommen
Mutter verloren
[Ulrich Woelk – Der Sommer meiner Mutter]
Leben und Schreiben.
Der Text als Wünschelrute,
die weiß, wohin’s geht.
Im wilden Osten,
im Wohlstandsbauch des Westens.
Man bleibt unter sich.
[David Wagner & Jochen Schmidt – Drüben und drüben: Zwei deutsche Kindheiten]
Von Ziegen, Schwänen,
Mauerseglern, Nachtschwalben,
Ameisen, Hasen…
[Helen Macdonald – Abendflüge]
Mit offenem Ohr
begleitet Sohn die Mutter
auf dem letzten Weg.
[Jürgen Wiebicke – Sieben Heringe]
Theaterdonner.
So ’ne Leber, kein Rückgrat.
Der Rest ist Schweigen.
[Klaus Pohl liest Sein oder Nichtsein]
Junger Schwede reist
durch ein Land in Ruinen,
schildert das Elend.
[Stig Dagerman – Deutscher Herbst]
Schonungslos notiert.
Wie graue Zellen langsam
zu Schlamm mutieren.
[Michael Buselmeier – Elisabeth: Ein Abschied]