Archive for Mai 2010

Präsidentenrücktritt

Mai 31, 2010
  • 1. Reaktion: Das ist kein großer Verlust.
  • 2. Reaktion: Was für ein Mimöschen.
  • 3. Reaktion: Als wenn Deutschland nicht schon genug Probleme hätte.
  • 4. Reaktion: Ein Staatsmann ist was anderes.
  • 5. Reaktion: Kein Wunder, er war ja Banker.
  • 6. Reaktion: SPaulus fand ich auch nie vertrauenserweckend.
  • 7. Reaktion: Die eigentliche Staatsmännin ist M.
  • 8. Reaktion: Life goes on.

3:35 Pixies – Bone Machine (1988, live 2004)

Mai 31, 2010

You look so pretty when you are unfaithful to me

Endlich ein Lied von den Pixies; es kommt mir so vor als wäre das jetzt der erste Song überhaupt von denen, den ich im Rahmen dieses Projekts gehört habe. Das kann eigentlich nicht sein. Oder haben die wirklich kein Stück, das länger als 3 Minuten und 35 Sekunden ist, gemacht? Live habe ich sie nie gesehen weder um 1990 als ich sie das erste Mal gehört habe – A. hat mir 1991 zum Geburtstag Bossanova geschenkt, ihr hörerfreundlichstes, sehr surfiges Album – noch bei ihrer Reuniontour, wo sie ja auch in Berlin waren und es dort ein großes Bloggerstelldichein gegeben hat. Was war damals so gut an den Pixies? Und ist es heute noch? Dass sie anders klangen, frischer, unbelastet von der Rockgeschichte, direkt und ins Herz gehend, keine Gefangenen machend. Sie waren der Zeitgeist und kündigten mit ihrer locker-flockig von der Leber gespielten Mucke den Zusammenbruch eines großen, politischen und geografischen Blocks an und zogen ihr Ding durch. Genau so eine Band bräuchten wir heute. Und ich wäre ihr erster Fan.

(Die Liste aller seit dem 1. Februar ausgewählten 120 Songs ist hier.)

3:36 The Stranglers – Golden Brown (1981, live)

Mai 30, 2010

Every time just like the last
On her ship tied to the mast
To distant lands
Takes both my hands
Never a frown with golden brown

Schwierige Wahl heute, der größte Hit der Stranglers setzt sich knapp gegen Lloyd Cole, Mary Margaret O’Hara und The House of Love durch. Die auf einem Cembalo gespielte Ohrwurmmelodie, ein Evergreen wie er im Buche steht, höre ich immer wieder gern. Worum es geht, ob um Heroin, eine Frau oder gar Marmite (;-)), ist letztlich eher unbedeutend. Ich höre das Lied mit Vorliebe mit geschlossenen Augen auf dem Kopfhörer und die Taktwechsel erzeugen bei mir Kaskaden bunter, kaleidoskopartiger Formen im Kopf, die sich auffächern und mit permanent steigender Geschwindigkeit auf mein Gehirn niederprasseln. So ähnlich stelle ich mir einen LSD-Rausch vor.

(Die Liste aller seit dem 1. Februar ausgewählten 119 Songs ist hier.)

3:37 Pinback – Loro (1999)

Mai 29, 2010

four, nine, five, three, one
four, nine, five, three, one

Rob Crow and Zach Smith haben Ende der Neunziger eine Band in San Diego gegründet, die von vorneherein ihren ganz eigenen Sound hatte. Das Rezept war einfach, zwei Gitarren plus Schlagwerk plus zwei Stimmen. Loro war eine ihrer ersten Singles und sie weben da ein dichtes Netz aus den Schwingungen der Gitarrensaiten, in dem man sich sofort sehr gut aufgehoben fühlt. Dazu singt und summt erst der eine, dann im Kreuzgesang der andere. Das erinnert entfernt an die Vokalharmonien der Beach Boys, die ja auch von der sonnigen Westküste kamen. Mit dem Unterschied, dass es hier ruhiger zugeht und die Musik nicht auf den Wellen surft, sondern eher ein glattes, windstilles Meer evoziert. Da ist zwar eine Strömung, aber es ist ein Sog nach unten in die Tiefe, der nichts mit überirdischen klimatischen Bedingungen zu tun hat.

(Die Liste aller seit dem 1. Februar ausgewählten 118 Songs ist hier.)

Äsop und die Schuldenkrise

Mai 29, 2010

Die Deutschen sind die Ameisen, ebenso wie die Japaner und Chinesen, sie sind allesamt fleißig und sparsam, wie nicht anders zu erwarten, und die Heuschrecken sind – na, wer wohl? – die Amerikaner, Briten, Griechen, Spanier, die tanzen und singen den ganzen Sommer, und wenn es dann Winter wird, haben sie nichts zurückgelegt und müssen die Ameisen anbetteln.

3:38 Joni Mitchell – Edith and the Kingpin (1975)

Mai 28, 2010

Women he has taken grow old too soon
He tilts their tired faces
Gently to the spoon

The Hissing of Summer Lawns, was für ein phantastischer Titel für ein Album. Das Innenfoto von Joni im dunklen Bikini im Wasser, mit geschlossenen Augen auf dem Rücken liegend (Foto auf dem Kopf). Ich erinnere mich an kein anderes Bild von ihr, wo sie soviel Haut zeigt. Das Album, das von vielen als ihr Bestes angesehen wird – allerdings nicht von mir – ist eines ihrer Körperlichsten (neben Don Juan’s Reckless Daughter). Afrika steht hier im Zentrum, zum einen die Kriegstrommeln von Burundi auf The Jungle Line, dann das Cover mit der Gruppe von Schwarzen auf einer grünen Wiese (Central Park?) vor New York, die eine lange Schlange in den Händen halten. In dem heutigen Lied geht es nach Joni’s Angaben um eine fiktive Verknüpfung zweier realer Personen. Einem Zuhälter, den sie in Vancouver getroffen hat (der Kingpin) und Edith Piaf. Was wäre passiert, wenn die beiden sich getroffen hätten? Wahrscheinlich hätte Joni dann niemals diesen wunderbaren Song geschrieben. Übrigens ein Lied, das bereits in die Zukunft weist, die Stimmung ist sehr relaxed und abgeklärt, ähnlich wie auf ihrem Roadalbum Hejira, das dann ein Jahr später rauskam.

(Die Liste aller seit dem 1. Februar ausgewählten 117 Songs ist hier.)

3:39 The Smiths – This Night Has Opened My Eyes (1983 Peel session)

Mai 27, 2010

The dream is gone
but the baby is real
oh you did a good thing
she could have been a poet
or, she could have been a fool
oh you did a bad thing

Das Lied habe ich das erste Mal nach dem Ende der Smiths so ca. 1988 gehört. Es ist auf dem zweiten Album Hatful of Hollow, das vielleicht sogar mein Liebstes ist, da es als einziges – wenn man mal von der Livescheibe Rank absieht – so etwas wie einen unpolierten Garagensound hat. Es enthält B-Sides und alternative Versionen wie z.B. BBC-Studioaufnahmen. Ich hatte mir damals die sechs Smiths-Alben (inklusive der Kompilation The World Won’t Listen) bei Zweitausendeins in der Türkenstraße als billigen, portugiesischen Reprint – ich glaube für lächerliche 30 Märker – gekauft. Eine Platteninvestition, die sich gelohnt hat. Dieses Stück zeichnet sich wiederum durch einen stark nach vorne gemixten Bass aus. Der rumpelt in einem Schneckentempo dahin, dass es eine wahre Freude ist. Das ganze Lied ist eher langsam, fast schon meditativ, angelegt. Es hört sich ein bisschen so an als wäre es im Halbschlaf aufgenommen worden. Dem dritten Zustand, den ich den anderen beiden schon immer bevorzugt habe, da er Wachheit und Schlaf umfasst und somit in gewisser Weise über ihnen steht. Morrissey erzählt die Moritat von einer Abtreibung und seufzt auf seine unnachahmliche melodische Art und Weise. Johnny Marr’s Gitarre wacht im Laufe des Songs ebenfalls allmählich auf und er steuert seine funkelnden, swingenden Riffs bei. Wenn ich das Lied höre, möchte ich wieder fünfundzwanzig sein. Aber nicht heute. Nein. Damals. Und wenn Nietzsche und die alten Inder Recht haben, dann wird mir das sogar vergönnt sein.

(Die Liste aller seit dem 1. Februar ausgewählten 116 Songs ist hier.)

peter praschl on the berlinale 2010

Mai 26, 2010

erst jetzt entdeckt, einige filmkritiken von peter praschl für das sz-magazin. mammuth will ich jetzt unbedingt sofort sehen.

3:40 Miles Davis – Time after Time (1985)

Mai 26, 2010

Aus 118 als okay bewerteten Tracks mit 3 Minuten und 40 Sekunden Länge auf meiner Festplatte habe ich dieses Instrumentalstück ausgewählt. Es gehört zwar leider zu der Sorte „abgenudelt bis dass es aus den Ohren wieder rauskommt“, aber wenn man mal versucht, von der Melodie zu abstrahieren, dann bleibt dieser kleine, stolze, schüchterne, eigenwillige, respektvolle, nebelverhangene, mit dem Rücken zum Publikum gespielte Ton übrig. Und der darf in einer Lieblingsmusiksammlung einfach nicht fehlen.

(Die Liste aller seit dem 1. Februar ausgewählten 115 Songs ist hier.)

Happy Birthday T. oder Nach Dylan kam nix mehr

Mai 25, 2010

Das Schöne an dem Gejammer über die aktuelle Rock- und Popmusik, das ich im Grunde schon seit fast zehn Jahren – also mit meinem ersten Blog – anstimme, ist ja, dass ich genau weiß, dass jeder mal an diesen Punkt kommt, wo er den aktuellen, heißen Scheiß nicht mehr goûtieren kann weil er ihn viel besser schon mal vor vielen Jahren im Original gehört hat. Ich bin da schon drüber hinaus. Ich kann inzwischen auch die Sachen von früher kaum noch genießen. Das hat sich alles so fürchterlich abgenudelt. Bis auf die paar Songs, die ich hier auswähle. Für eine Songperle ziehe ich mir hundert uninspirierte 0815-Lieder rein. Es ist unglaublich, aber das Verhältnis ist wirklich fast so extrem. Danke fürs Mitlesen und -hören.

3:41 The Cure – Play for Today (1980)

Mai 25, 2010

It’s not a case of doing what’s right
It’s just the way I feel that matters
Tell me I’m wrong
I don’t really care

Es ist auch schon eine Weile her, dass Robert Smith und seine Band The Cure richtig gute Musik gemacht haben, an der man nicht vorbeikam. Seventeen Seconds ist jetzt sage und schreibe dreißig Jahre alt. Ich bewundere bei dem heutigen Lied die unwahrscheinliche und doch gelungene Vermählung einer peppigen Melodie mit einem treibenden Beat und der Trauerkloßstimme des Leadsängers. Der Gitarrenklang ist unübertroffen, erst meint man ein Xylophon zu hören, dann perlt der luftig-lockere Sound nur so von den Saiten. Ein Stück, dass einfach nicht altert, heute noch so frisch und unverbraucht wie damals. Wenn man dagegen an den Robert Smith von heute oder die wenigen mir bekannten jungen Rockbands von heute denkt, dann kann einem nur das ganz große Heulen kommen.

(Die Liste aller seit dem 1. Februar ausgewählten 114 Songs ist hier.)

.

Mai 25, 2010

Heute bzw. gestern waren C. und ich auf der Pfaueninsel. Wir haben es beide sehr genossen, ich habe ein Faible für kleine Inseln. Hiddensee ist ja schon nicht groß, aber die Pfaueninsel ist vielleicht ein Zwanzigstel davon. Am meisten beeindruckt hat uns beide die Fontäne mit den zwei Schalen. Wie der Wasserstrahl die obere kleine Schale füllt, die dann überläuft, indem das Wasser eine dünne, durchsichtige Wand bildet und wie die zweite, größere Schale dieses Wasser auffängt und dann ebenfalls überläuft und das Wasser nun eher wild und anarchisch auf den schöngeformten Steinfuß fällt und dort aufschlägt und in alle Richtungen spritzt, das ist ein Schauspiel, dem ich stundenlang zusehen könnte. Gibt es da nicht ein Gedicht zu? Nach der kurzen Rückfahrt mit der Fähre gab es plötzlich einen fetten Regenschauer und wir haben uns nahe der Anlegestelle untergestellt. Dort war auch eine andere Bloggerin mit ihrem Sohn und einem Begleiter. Habe mich natürlich nicht getraut, sie anzusprechen.

***

Vorvorgestern auf dem Karneval der Kulturen wären wir am Mehringdamm fast erdrückt worden. Da waren eindeutig zwei oder drei Leute zuviel am gleichen Ort.

3:42 The Blue Aeroplanes – Jacket Hangs (1990)

Mai 24, 2010

Pick a card, any card.
Wrong.
Pick 19th century twin-set pearls in a new clasp,
Brass neck, collar me
Right.

Swagger, die Schallplatte, die mit diesem Lied anfängt, war ein Geschenk von A. zu meinem Geburtstag, ich glaube es war 1991, also mein Achtundzwanzigster. Zusammen mit Bossanova von den Pixies. Meine ersten beiden Indiescheiben. A. hat mich eingeführt in die Welt des Independent Rock, eine gute englische Bekannte von ihm arbeitete in Brüssel bei einem in Insiderkreisen bekannten Musiklabel. Die Blue Aeroplanes aus Bristol waren dann für eine Weile – zusammen mit den Pixies – eine meiner Lieblingsbands. Ich mochte Gerard Langley’s Stimme und seinen Sprechgesang. Von den Texten habe ich nicht viel kapiert, aber der Kerl hatte literarisch was drauf, das war sonnenklar. Bis heute gefällt mir an diesem Lied und der ganzen Platte die warme, intime Atmosphäre. Ich habe sie in meinem ersten Studio in Luxemburg in der rue de Neudorf meistens spätabends bei Kerzenschein gehört. Die Musik erzeugte bei mir so eine Art campfire feeling. Eine andere Frau, in die ich damals schwer verliebt war, kannte die Band weil ihr Ex sie zu Konzerten mitgenommen hatte und fand sie nicht so toll. Sie verstand auch nicht, was man an Raymond Carver oder Eric Rohmer gut finden konnte. Für sie waren deren Werke öde und langweilig. Dafür hat sie mir Paul Auster’s New York Trilogy empfohlen, die ich begeistert in einem Rutsch durchgelesen habe. Primitivo habe ich auch durch sie entdeckt. Bei den damaligen wilden Parties spielten wir oft drinking games. Wenn sie und ich dann ziemlich hinüber waren, spielten wir manchmal Schach. Ich weiß nicht mehr, wer da gewonnen hat, aber auf jeden Fall hat es mich jedes Mal überrascht wie stark sie war. Vielleicht lag es auch nur daran, dass sie den Wein besser vertrug.

(Die Liste aller seit dem 1. Februar ausgewählten 113 Songs ist hier.)

3:43 Nick Drake – Sunday (1970)

Mai 23, 2010

Mit diesem Instrumental klingt Nick Drake’s zweites Album Bryter Later aus. Wie das ganze Album ist auch dieses Stück recht reich instrumentiert. An erster Stelle natürlich die Flöte, die die naiv-unschuldige Weise spielt. Dann neben Bass, Drums und Nick Drake’s Gitarre ein Streicherarrangement. Normalerweise hasse ich so etwas, aber hier stört es mich nicht; das könnte zum einen daran liegen, dass es relativ zurückhaltend eingesetzt wird. Zum andern kenne und liebe ich dieses Stück seit 30 Jahren, ich höre die Streicher gar nicht mehr, sie sind ein integraler Teil des Ganzen geworden. Der Titel ist nicht nur identisch mit dem heutigen Wochentag, er passt auch perfekt zu dem ruhigen Fluss des Instrumentals. Man meint, eine Abgeklärtheit zu hören wie als wäre da ein Hoffnungsschimmer am Horizont. Es hat dann aber leider nur noch für ein weiteres Album gereicht.

(Die Liste aller seit dem 1. Februar ausgewählten 112 Songs ist hier.)

3:44 Lloyd Cole & the Commotions – Minor Character (1985)

Mai 23, 2010

She said she’d throw herself off a bridge
He stood and laughed and she never did
She telephoned to say that she’d cut her wrists
Instead she beat the walls with her fists

Das passt jetzt sehr gut zu dem gestrigen Eintrag. Wieder 80er in Großbritannien, wieder dieser läutende Gitarrensound (Neil Clark heißt der Mann an der Klampfe hier), wieder ein romantischer Songwriter mit einer sonoren Stimme. Bei dem Lied muss ich an eine alte, unglückliche Liebe Anfang der Neunziger aus der Luxemburger Zeit denken. Ich hatte ihr die CD Easy Pieces geschenkt, auf der es drauf ist. Es stellte sich dann raus, dass ich leider nur ein minor character in ihrem Leben war, worauf ich mich dann auch nicht von der Brücke geschmissen habe, allerdings hat etwas Ähnliches dann später ein sehr guter Freund gemacht (nicht wegen ihr), mit dem ich vorher öfter darüber gescherzt hatte. Da wusste ich, dass ich aus Luxemburg weg musste. Zurück zu ihr. Sie war sehr blond und aus Zehlendorf. Zu unserer Middle Life Crisis Luxo Reunion Ende Juni kommt sie natürlich auch nicht.

(Die Liste aller seit dem 1. Februar ausgewählten 111 Songs ist hier.)

Tango trifft Techno im Tempodrom

Mai 22, 2010

Wir waren heute abend in dem Berliner Konzert der argentinisch-französischen Kollaboration Gotan Project (s.a. verlan). Die sieben Gruppenmitglieder waren mit zwei Reisebussen aus Paris gekommen. Die akustischen Instrumente wie Stimme, Bandoneon, Geige und Trompete, Gitarren sowie die Keyboards wurden von Musikern aus Buenos Aires gespielt während an den synthetischen Sounderzeugern ein Franzose und ein Deutschsprachler saßen. Sie waren vor allem für die Drumprogrammierung, diverse Soundeffekte und Einspielungen von Stimmen – häufig durch einen Vocoder gejagt – verantwortlich. Was die beiden da verzapften, war bis auf die diversen Halleffekte nicht unbedingt mein cup of tea, die üblichen eintönigen Beats, schlimm die Roboterstimmen. Aber was die Argentinier da machten, war ziemlich klasse. Im Zentrum natürlich das Bandoneon mit seinem wehmütigem, wiegendem Klang. Dann der Keyboarder, der die Stücke zum Grooven brachte. Und schließlich die Geigerin, die z.T. nur staccatomäßig, leicht über die Saiten strich und so kleine Notentupfer setzte. Manche Stücke hatten einen sehr hypnotischen Effekt; insgesamt fand ich den Sound aber oft sehr breiig und einförmig, als würde da immer die nahezu selbe Nummer gespielt. Wir standen unten, der Saal war ziemlich voll, und nach einer Weile tanzten natürlich so einige Paare Tango. Immer schön anzusehen und vielleicht versuchen wir es ja auch nochmal.

3:45 The House of Love – Road (1988)

Mai 22, 2010

Who’s that boy, always on his own
Let’s ignore him, he’s ugly, no one’s song
Check that mind, so relaxed and pure, in honesty
Boy just watch your joy

Nach dem Ende der Smiths 1987 gab es nicht so wahnsinnig viele Bands in England, denen man es am Anfang zutrauen konnte, in ihre Fußstapfen zu treten. Außer den Field Mice fallen mir da jetzt gerade nur The House of Love ein. Ihr Leader Guy Chadwick hatte ähnlich wie Morrissey etwas von einem romantischen Outsider an sich. Seine Songtexte waren zwar nicht ganz so exquisit wie die des Smiths-Sängers, dafür hatte er durchaus auch Croonerqualitäten. Hauptmerkmal der Musik war außerdem der samtene, klirrend-klingelnde Klang von Terry Bickers Gitarre (noch eine Parallele zu den Smiths). Hier am Anfang von Road scheinern sich die Saiten in läutende Miniglocken zu verwandeln, sie geben dem Song etwas Glorreiches, feierlich Festliches, wie ein prächtiges Sternefunkeln nachts am Himmelszelt.

(Die Liste aller seit dem 1. Februar ausgewählten 110 Songs ist hier.)

3:46 Joy Division – Shadowplay (live 1979)

Mai 20, 2010

Turn the vocals up, please.

Zwei Tage nach Ian Curtis 30. Todestag (s.a. hier) wähle ich mir den fünften Song von Joy Division, der größten Band von allen, wenn mich jemand fragen würde. Und wenn ich mir das Dabeisein bei einem einzigen Konzert hätte wünschen können, dann wäre es das hier gewesen am 18. Dezember 1979 im Les Bains Douches in Paris. Da waren die vier in absoluter Topform, was sie mit dieser erbarmungslosen Version von Shadowplay unter Beweis stellten. Peter Hook’s überfetter, rumpelnder Bass eröffnet den Reigen, dann trätiert Bernard Sumner seine Gitarre wie ein wildes Tier und entlockt ihr höllische Dissonanzen. Der Song explodiert. Krachig-kraftvoller geht nimmer. Ansonsten natürlich noch Stephen Morris gewohnt solides, diesmal sehr schön schepperndes Schlagzeug und dann schließlich Ian Curtis düstere Stimme, aber irgendwie ist er nur Statist, den eigentlichen Job machen die anderen.

(Die Liste aller seit dem 1. Februar ausgewählten 109 Songs ist hier.)

3:47 Giant Sand – (Well) Dusted (For the Millennium) (2000)

Mai 20, 2010

Das ist gerade die Musik, die ich noch mit am ehesten ertragen kann in meinem jetzigen katzenjämmerlichen Zustand. Howe Gelb’s arschcooler, flüsternder Bariton, eine Slidegitarre unter Peyoteeinfluss aus der Wüste in Arizona dazu sowie John Convertino’s trockene Snare Drum mit dem Charme eines klappernden Blechmülleimers plus der vornehm zurückhaltende Bass von Joey Burns. Diverse bewusstseinserweiternde Synthesizereffekte nicht zu vergessen. Ich würde mich nicht wundern, wenn gleich der Sand aus den Lautsprechern rieseln würde. Giant Sand vor der Entbindung von Calexico war einfach noch besser als danach. Dies ist der erste Song – nach der Ouvertüre – von dem wunderbaren Rainer Ptacek-Gedächtnisschrein Chore of Enchantment, von dem ich vor bald acht Jahren in meinem allerersten Blog schon mal geschwärmt habe.

(Die Liste aller seit dem 1. Februar ausgewählten 108 Songs ist hier.)

3:48 Belle and Sebastian – Seeing Other People (1996)

Mai 18, 2010

We lay on the bed there
Kissing just for practice
Could we please be objective?
Because the other boys are queuing up behind us

Meine Beziehung zur Musik von Belle and Sebastian hat eine wellenförmige Form. Die Welle ist allerdings schon vor längerer Zeit an den Gestaden des Indiepop ausgelaufen. Zu Anfang habe ich den Appeal der Musik wie auch schon vorher bei den Cocteau Twins überhaupt nicht verstanden. Ich habe die Melodien zuerst einfach nicht wahrgenommen, das schien alles so beliebig und verweichlicht. Aber beim zweiten oder dritten Hören von If You’re Feeling Sinister hat es dann geklickt bei mir. Und sie haben mich völlig verzaubert. Vor allem in dem zweiten Lied der CD, Seeing Other People. Wie da Leichtigkeit des Rhythmus, schwermütige Melodie, an den Barock erinnernde Harmonik, angenehme, sanfte Stimme des Sängers und seine mit den Worten gekonnt spielenden Lyrics zusammenfinden, ist ein sehr seltener Glücksfall in der Musik. Da ist er wieder der metaphysische Moment, wo es mir vorkommt als würde ein Musikstück vorstoßen in eine andere, glücklichere, tiefere Welt. Aber wahrscheinlich bin ich nur mal wieder sentimental-nostalgisch gerührt davon, dass dieses Album rauskam als ich noch in Luxemburg war und nebenbei noch 14 Jahre jünger, also vor einer gefühlten Ewigkeit. Damals hielt ich sie für eine Weile für die beste britische Band seit den Smiths und habe ihnen sogar zugetraut, in deren Fußstapfen zu treten. So am Anfang der Frankfurter Zeit um 1997/98 habe ich alle CD-Maxis von ihnen gekauft, ich glaube in den USA über Cdnow mit Einfuhrumsatzsteuer und so. In der Zwischenzeit haben Belle and Sebastian dann aber kaum noch Musik gemacht, die mich angesprochen hat. Die drittte Platte war noch ganz gut, aber danach fehlten mir so ein bisschen die einfachen Melodien in dem ganzen Pop-Produktionstralala, das sie mit Streichern und weiß Gott welchen tollen Effekten veranstaltet haben. Das war mir zu dick und sirupmäßig aufgetragen, da war die kindliche Seele schon lange aus der Musik entfleucht.

(Die Liste aller seit dem 1. Februar ausgewählten 107 Songs ist hier.)

3:49 The Go-Betweens – Streets of Your Town (1988)

Mai 17, 2010

Don’t the sun look good today
but the rain is on its way,
watch the butcher shine his knives,
and this town is full of battered wives

Diese Version des Songs mit dem die Go-Betweens einer Hitsingle am nächsten gekommen sind (Nr. 70 in Australien, Nr. 82 in UK) wurde wahrscheinlich in den Neunzigern bei einem Konzert in Deutschland („eins-zwei-dry-vier“) aufgenommen. Natürlich denke ich bei dem Lied sofort an den viel zu früh verstorbenen Grant McLennan, der ja immer die etwas poppigeren Stücke des Songwriterduos Forster/McLennan geschrieben hat. Wobei hier der teilweise leicht abgründige Text seltsam kontrastiert mit der luftig-lockeren Ohrwurmmelodie. Ein bisschen Melancholie schwingt natürlich auch mit, sonst wäre es kein Lied der Go-Betweens. Aber insgesamt ist es wegen seines peppigen Drives und seiner Sonnigkeit nicht gerade sehr typisch für ihr Œuvre. Ein Tag, an dem man sich hiermit wecken lässt, kann nur ein guter Tag werden, sag ich jetzt mal so.

(Die Liste aller seit dem 1. Februar ausgewählten 106 Songs ist hier.)

3:50 The League Unlimited Orchestra – Don’t You Want Me (1982)

Mai 16, 2010

Dieser instrumentale Remix des Danceklassikers von The Human League ist eigentlich über sieben Minuten lang. Ich habe ihn mir allerdings aus einem Mix von Musicophilia rausgeschnitten. Daher fehlt fast die Hälfte und deswegen hört man auch am Anfang noch das Fading Out von Funkadelic’s One Nation Under a Groove, das dann langsam in Don’t You Want Me überblendet. Egal, die Zeit als messbare Größe ist sowieso rettungslos überschätzt. Für mich ist es fast ein Wunder, aber ich habe mir diese tausende Male abgenudelte Nummer bis heute nicht übergehört (autsch). Ein Grund könnte sein, dass ich in meinen späten Teens Discos gemieden habe und diesem Smashhit nicht so schutzlos ausgeliefert war wie viele andere aus meiner Generation. Andererseits finde ich gerade diesen Remix gut gelungen, da er sehr variationsreich ist. Bestimmt kein Nachteil ist, dass hier nicht gesungen wird. Sehr schön natürlich auch der Name, den sich die Band für dieses Projekt zugelegt hat. Ich glaube, jetzt lege ich erstmal die Barry White-Instrumentalplatte auf, die ich vor einem Jahr in New York erstanden habe. Sorry für das abrupte Ende des Tracks, aber das sollte man als Wink mit dem Zaunpfahl verstehen, die komplette CD käuflich zu erwerben.

(Die Liste aller seit dem 1. Februar ausgewählten 105 Songs ist hier.)

3:51 Joni Mitchell – California (1971)

Mai 15, 2010

Still a lot of lands to see
But I wouldn’t want to stay here
It’s too old and cold and settled in its ways here
Oh but California

Vor 40 Jahren, die Siebziger haben gerade angefangen, Joni ist auf Europareise und sie hat den Blues. Zum einen weil sie spürt, dass dem Frieden doch keine Chance gegeben wird (der Vietnamkrieg geht weiter), zum andern weil sie sich zurücksehnt. In ihre Wahlheimat Kalifornien. Eigentlich kommt sie ja aus dem kanadischen Westen. Von Paris reist sie der Sonne nach weiter südlich nach Griechenland und dann nach Spanien, aber die Parties mit den vielen gebildeten, schönen Leuten können nichts an ihrem Heimweh ändern. Bei dem Lied denke ich auch ein bisschen an meine Radfahrt nach Griechenland, die ursprünglich ins Morgenland gehen sollte, im Sommer 1982. Ich war damals auch in Matala, die Höhlen waren kaum noch bewohnt. Am Strand lagen Neckermannurlauber in einem Glutofen von 40 Grad und mehr. Das war so ziemlich der südlichste Punkt meiner Tour, danach ging es langsam wieder zurück nach Mitteleuropa. Inzwischen ist die Gegend um Perpignan, in der ich mich jetzt gerade befinde, so ein wenig mein Kalifornien geworden. Die Sonne scheint jetzt gerade wieder und das helle Licht zusammen mit dem kühlen, starken Nordwind, der Tramontane, vertreibt jegliche Schwermut. Dazu der honigsüße, schnell zu Kopf steigende Muscat und das frugale französische Essen. Sowie die als Albères im Mittelmeer auslaufenden Pyrenäen, in denen man herrliche Wandertouren machen kann. Mehr braucht man nicht zum Glück.

(Die Liste aller seit dem 1. Februar ausgewählten 104 Songs ist hier.)

3:52 Aimee Mann – Susan (1999)

Mai 14, 2010

Oh, Susan, the hope of fusion
is that the halo will reappear
it may be pure illusion
but it’s beautiful while it’s here

Der Regen hat aufgehört. Die Tramontane hat die Wolken verscheucht. Wir haben die Chance genutzt und am vorletzten Tag eine zweieinhalbstündige Wanderung in der Nähe von Maureillas-las-Illas gemacht. Auf schmalen, felsigen Wegen an der Bergflanke durch den Wald zu einem Dolmen und einer Turmruine mit schöner Aussicht nach Céret. Hierzu passt das zupackende Lied von Aimee Mann sehr gut. Es geht, glaube ich, um eine Beziehung, die in die Brüche geht. Und wie man daraus das Beste macht. Mal sehen, ob wir morgen problemlos nach Hause kommen. Die Vulkanasche, die unseren Hinflug um einen Tag verzögert hat, scheint derzeit Girona zu verschonen. Ansonsten bleiben wir halt noch ein paar Tage…

(Die Liste aller seit dem 1. Februar ausgewählten 103 Songs ist hier.)

3:53 Dump – Pop Life (Prince, 2001)

Mai 13, 2010

What U putting in your nose?
Is that where all your money goes
The river of addiction flows
U think it’s hot, but there won’t be no water
When the fire blows

Mit dieser Songauswahl habe ich mich selbst überrascht. Dump alias James McNew aka der Bassist von Yo La Tengo hat vor ein paar Jahren eine CD mit Prince-Covern mit dem schönen Titel That Skinny Motherfucker with the High Voice? gemacht, in dem er auch dieses frühe Princelied von 1985 spielt. James McNew ist von der Statur eher der Anti-Prince, kann aber auch recht hoch singen. Wie diese melancholisch-melodiöse Weise groovt ist ein absolutes Phänomen. Neben der Fistelstimme trägt auch die simple Keyboardtonfolge zu einer naiv-unschuldigen Stimmung bei, die mein Herz auf der Stelle erobert hat. Im Hintergrund hört man, glaube ich auch noch Ira Kaplan, also Yo La Tengo’s Gitarristen, Leadsänger und -komponisten, Vocals beitragen, das Original habe ich übrigens noch nie bewusst gehört.

(Die Liste aller seit dem 1. Februar [5:34] ausgewählten 102 Songs ist hier.)

3:54 New Order – Bizarre Love Triangle (1986, S. Hague remix)

Mai 12, 2010

Every time I see you falling
I get down on my knees and pray
I’m waiting for that final moment
You say the words that I can’t say

Was soll ich zu diesem Lied nur sagen? Dass es einer der handvoll wirklich guten Popsongs ist? Das weiß doch sowieso jeder, der sich ein bisschen mit Popmusik auseinandergesetzt hat. Dass der Liedtext völlig nichtssagend und vage scheint (another view)? Bernard Sumner kann glaube ich nicht anders und wenn man mal ehrlich ist, dann macht das auch gar nichts, im Gegenteil gesungen hört sich das perfekt an, wer versucht, in Poplyrics große Lebensweisheiten zu entdecken, dem kann man nur eine Überdosis Glück wünschen. Love Triangle, wer denkt da nicht an Jules und Jim und an Jeanne Moreau. Ob der Bernard von denen wohl jemals gehört hat? Ich war auch schon in so einer Dreiecksbeziehung drin. Sogar zweimal, kurz hintereinander. Was man auf jeden Fall sagen kann, aus sowas kommt keine der drei Personen unbeschadet heraus. Ich habe damals meine erste Freundin an einen guten Freund verloren. Es war schade um uns drei. Dann habe ich noch meinen besten Freund verloren weil er dachte, dass ich etwas mit seiner Ex angefangen hätte. Ein seltsames – eher fiktives – Liebesdreieck. BLT habe ich, glaube ich, das erste Mal in der akustischen Version von Frente! gehört. Es hat mich sofort gepackt, natürlich auch wegen der mädchenhaften Stimme der Sängerin, wobei ich sagen muss, dass das Original noch besser ist. Oder hätte ich tanzbarer sagen sollen?

(Die Liste aller seit 1. Februar [5:34] ausgewählten 101 Songs ist hier.)

3:55 Isabelle Adjani – Pull Marine (1983, Gainsbourg)

Mai 11, 2010

Y’a pas qu’au fond de la piscine
Que mes yeux sont bleu marine
Tu les avais repérés
Sans qu’il y ait un regard

Morgens die Runde Laroque – St Génis – Villelongue – Laroque in 29:09 Minuten gelaufen. Das Wasser im Swimming-Pool hat sich auf 17-18 Grad aufgewärmt. Noch zu kalt für mich. Wir reinigen den Swimming-Pool mit dem Roboter, dem Schrubber und dem Netz. Meine Kniee schmerzen. Am frühen Nachmittag regnet es Bindfäden. Isabelle Adjani in Rivette’s La Belle Noiseuse. Musste das sein? (Hier hat der Blogger Isabelle mit Emanuelle verwechselt, unverzeihlich!) Dann doch lieber Luc Besson’s Clip zu Pull Marine.

(Die Liste aller seit 1. Februar [5:34] ausgewählten 100 Songs ist hier.)

3:56 Nick Drake – Man in a Shed (1969)

Mai 10, 2010

So leave your house and come into my shed
Please stop my world from raining through my head
Please don’t think I’m not your sort,
You’ll find that sheds are nicer than you thought

Nick Drake im Doppelpack. So richtig wundern tut es mich jetzt nicht, dass er der erste ist, der an zwei aufeinanderfolgenden Tagen jeweils mein Lieblingslied auf Songlängenbasis geschrieben hat. Man in a Shed, von der ersten Platte Five Leaves Left, ist wiederum – wie alle seine Liedertexte – sehr autobiographisch und hat mich 1979 als ich es mit sechzehn das erste Mal gehört habe, völlig umgehauen. Dieser Typ, der nicht aus seinem Schuppen rauskam und sich in ein Mädchen aus einem schönen Haus verliebte, die ihm außer guten Ratschlägen nicht viel geben konnte, war – das war sonnenklar – ich selbst. Ich hatte mich auch in meinem Zimmer im Souterrain verschanzt, las in meinem braunen Stoffsessel mit den Wörterbüchern auf den Armlehnen die halbe Weltliteratur durch und wartete auf die Frau, die mich vom Kopf auf die Füße stellen würde. Die dann auch kam und mit der ich stundenlang über Gott und die Welt geredet habe. Aus uns wurde natürlich nichts, ich glaube ich war zu schüchtern und zu unreif für sie. Bei diesem Lied fällt es mir besonders auf wie attraktiv es sein kann, in einer Depression zu verharren und sich nicht hinauszuwagen in die Welt da draußen (ich bin dann später hineingesprungen ins knallharte Leben, aber das ist eine andere Geschichte). Die Gitarre auf dem rechten Kanal am Anfang strahlte eine tiefe Verlassenheit und Traurigkeit aus, aber spätestens, wenn der sehr in den Vordergrund gemischte satte Bass einsetzte, konnte ich mich so richtig suhlen in meiner Melancholie und in meinem glücklich-unglücklichen Außenseitertum. Das Klavier vervollständigt die Instrumentierung und gibt dem Stück einen bluesigen und gleichzeitig federleichten Swing. Dieses Lied ist der Beweis: Die größte Gefahr einer Depression lauert in ihrem enormen Suchtpotential.

(Die Liste aller seit 1. Februar [5:34] ausgewählten 99 Songs ist hier.)

3:57 Nick Drake – Things Behind the Sun (1972)

Mai 9, 2010

Open up the broken cup
Let goodly sin and sunshine in
Yes that’s today.
And open wide the hymns you hide
You find renown while people frown
At things that you say
But say what you’ll say
About the farmers and the fun
And the things behind the sun
And the people round your head
Who say everything’s been said
And the movement in your brain
Sends you out into the rain.

Das ist die letzte Strophe dieses Songs von Nick Drake’s letzter Platte Pink Moon. Sie fasst sein Leben in wenigen Zeilen zusammen. Von der Sonne zu den Dingen hinter der Sonne bis hinaus in den Regen. Sein kurzes Leben war wie eine zerbrochene Tasse, seine Lieder die Scherben, für die sich niemand zu seinen Lebzeiten interessierte. In ihnen hat er gesagt, was er sagen musste auch wenn die anderen die Stirn runzelten. Hier singt jemand von einer Depression aus der er nicht mehr rausgekommen ist. Er hat die Antidepressiva nicht regelmäßig genommen wie vom Arzt angordnet. Vielleicht hätte er uns sonst nicht dieses Lied hinterlassen. Am Ende dann hat er zu viele Pillen gegen die Depression genommen. Und sie haben gewirkt.

(Die Liste aller seit 1. Februar [5:34] ausgewählten 98 Songs ist hier.)

3:58 Silver Jews – Random Rules (1998)

Mai 8, 2010

I asked the painter why the roads are colored black.
He said, „Steve, it’s because people leave
and no highway will bring them back.“

Mit diesem gut abgehangenen Stück fängt das kleine Meisterwerk American Water der Silver Jews an. David Berman jongliert mit den Metaphern wie Rastelli in seinen besten Jahren. Inzwischen hat er ja leider dem Songwritertum völlig abgeschworen. Dafür können wir uns wohl bei seinem Vater, Dr. Evil, bedanken.

(Die Liste aller seit 1. Februar [5:34] ausgewählten 97 Songs ist hier.)

.

Mai 7, 2010

blogito ergo sum

3:59 Joy Division – Transmission (1979, Peel session)

Mai 7, 2010

No language, just sound is all we need now to synchronise
Love to the beat of the show

Das ist das Lied, das Joy Division live zum Durchbruch verholfen hat. Es geht ums Radio, es geht ums dazu Tanzen, es geht um den Beat und die Show. Und es geht um den Sex.

(Die Liste aller seit 1. Februar [5:34] ausgewählten 96 Songs ist hier.)

4:00 The Smiths – Well I Wonder (1985)

Mai 6, 2010

Well I Wonder
Do you hear me when you sleep?
I hoarsely cry

ich bin müde und zerschlagen (ich kann in berlin nicht vernünftig schlafen, gehe halb eins ins bett und wache halb fünf auf und wälze mich, nicht nur wegen der fehlenden rolladen aber auch), mir tut der hals weh (die schmacht bleibt, als wäre meine kehle radioaktiv verseucht, halbwertzeit 1000 jahre) und der rücken schmerzt jetzt auch in diesem ikea-ledersessel. und das schlimmste ich befinde mich in einer tiefen depression. (wieso sind depressionen eigentlich immer tief? sind sie es überhaupt? hilft es dem deprimierenden, wenn er realisiert, dass seine depression nicht tief ist, oder deprimiert es ihn noch mehr?). dieser post ist einfach stream of consciousness und hat nicht unbedingt was mit dem lied zu tun. heute und gestern war ein typ in der u2, der spielte saxophon. in der u2 sind auf dem weg von hausvogteiplatz zum bahnhof zoo eigentlich immer musikanten oder solche die sich dafür halten drin. das besondere an dem saxophonisten war, dass er anders war. zum einen wegen des instrumentes, die meisten spielen gitarre oder akkordeon – sodann weil er ganz ok gekleidet war, also offensichtlich kein penner. außerdem spielte er ein unaufdringliches, lyrisches jazzstück, scheiße ich weiß nicht wie es heißt, aber es ist sehr bekannt. zudem spielt er ziemlich lange. also nicht nur von einer station zur nächsten sondern eher über zwei stationen. diesem musiker gebe ich kein geld obwohl er der beste ubahnmusiker ist, den ich bisher gehört habe. seine musik nervt nicht. das ist eigentlich für mich die hauptmotivation, geld zu geben. die musik ist so schlecht gespielt und nervt so dermaßen, dass ich mitleid mit dem musikanten kriegt. na ja dieser kriegt jedenfalls nix von mir – es kriegt sowieso nur der erste bettler, der mir am tag über den weg läuft die 50 cent, die ich morgens in meine jackentasche tue und diesen sehe ich erst am abend also ist er meist nicht der erste – weil ich genau weiß, dass er von den anderen was kriegen wird. heute war eine gruppe französische schüler in der pubertät in der u2. sie klatschten nach der performance und der eine junge gab dem bettler was. ich hab jetzt noch in 77 lieder reinzuhören und muss packen und und und. ach und was ich vergessen habe, mein auto ist im arsch. die pumpe-düse will nicht mehr so richtig, esp fällt dauernd aus, die leistung fällt ab und ich komme kaum noch die berge zwischen bad hersfeld und eisenach hoch. meine autos halten immer knapp 10 jahre. der erste von 1990-2000, der zweite von 2001-2010. jeweils etwas mehr als 100.000 km, ich glaube der erste hatte mehr. ein fingerzeig des himmels: was zum teufel soll ich mit einem auto in berlin? wir sind jedenfalls jetzt erstmal ne woche in laroque bei perpignan.

(Die Liste aller seit 1. Februar [5:34] ausgewählten 95 Songs ist hier.)

4:01 Cat Power – Wild Is the Wind (live cover 2006)

Mai 5, 2010

Like a leaf clings to a tree
Please cling to me
We are creatures of the wind
Wild is the wind

Meine Liebe zu dieser Coverversion eines Filmsongs von 1957 – es ist nicht exakt die Gleiche aber nahezu – habe ich schon mal in englische Worte gekleidet. Eins könnte man noch hinzufügen. Der Wind ist wild, aber Chan Marshall’s Stimme, wenn sie diese Titelzeile singt, ist wilder.

(Die Liste aller seit 1. Februar [5:34] ausgewählten 94 Songs ist hier.)

4:02 The Dandy Warhols – Everyday Should Be A Holiday (1997)

Mai 4, 2010

Anytime call me up if you
got the sun,
cuz I got the waves.

Eigentlich war ja Nick Drake’s River Man in der exquisiten Cambridger Fassung mein Lieblingslied mit 242 Sekunden. Aber dann habe ich mir plötzlich gedacht, dass das in der Wunde rumbohren auf Dauer ja nun auch nichts bringt. Heute will ich mich einfach mal in musikalischer Hinsicht gehen lassen. Also habe ich mich für dieses Throwaway-Bubblegum-Drone-Piece entschieden. Außerdem ist es eine gute Einführung in diese Art von psychedelischer Musik, insbesondere auch für Leute, die noch nicht wissen, ob sie am Donnerstag zum Konzert von Brian Jonestown Massacre ins Lido Magnet (ich weiß noch nicht mal wo das ist) kommen wollen. Ich werde wohl da sein, zu BJM und ihrem Leader Anton Newcombe ist zu sagen, dass

  • sie 1. normalerweise ganz ähnliche hypnotische, repetitive, melodische Musik machen
  • sie 2. mit den Dandy Warhols in inniger Lokalfeindschaft – ich glaube beide Bands kommen aus San Franciso bzw. von der Westküste – verbunden sind
  • sie 3. neuerdings eher so eine Art Weltmusik machen
  • er 4. inzwischen in Berlin lebt
  • er 5. den little helpers inzwischen abgeschworen haben soll

(Die Liste aller seit 1. Februar [5:34] ausgewählten 93 Songs ist hier.)

4:03 The Smiths – There Is a Light That Never Goes Out (1986)

Mai 3, 2010

Take me out tonight
where there’s music and there’s people
who are young and alive

Eigentlich wollte ich ja Man Enough to Prey von Lloyd Cole’s exzellentem nach Raymond Carver benanntem Album Don’t Get Weird on Me, Babe auswählen. Vor allem auch wegen der Harmonika, die bei mir zum einen nostalgische Gefühle weckt und zum andern eine innere Ruhe und Wärme ausstrahlt, aber dann kamen mal wieder die Smiths dazwischen. Dieses ist einer ihrer klassischen Songs, der sich durch eine besondere Instrumentierung auszeichnet. Zum einen grummelt der Bass sehr stark im Vordergrund wie auf kaum einem anderen Smiths-Lied. Er wird schön kontrastiert von etwas, was sich anhört wie ein Streicherensemble, es ist allerdings nur ein elektronisches Artefakt; das Budget war zu klein. Selbiges gilt für die Flötenmelodie. Von Johnny Marr’s Gitarre hingegen ist hier kaum etwas zu hören. Das macht aber hier rein gar nichts. Das Stück ist so gut, dass dieser Mangel sehr gut zu verschmerzen ist. Alle Smiths-Verächter muss ich nun leider enttäuschen; das war bestimmt nicht das letzte Stück von den Smiths.

(Die Liste aller seit 1. Februar [5:34] ausgewählten 92 Songs ist hier.)

kreuzberg so36

Mai 3, 2010

vorgestern auf dem myfest gewesen. jetzt beim aufschreiben schäme ich mich dafür, einer veranstaltung mit diesem namen beigewohnt zu haben. myspace, myfest, myzeil. myass. erstaunlicherweise in dem gewusel drei kollegen getroffen. der erste war zu sehr mit seinem kinderwagen beschäftigt, um mich in der unterführung vom kottbusser tor zu bemerken. mit der zweiten hatte ich mich dort am kiosk verabredet. die dritte hat uns beide dann am mariannenplatz erspäht. ansonsten eine sehr leckere, gehaltvolle caipirinha getrunken und ein fladenbrot mit köfte und würzigen gegrillten wurstscheiben gefuttert. hab mal wieder den altersdurchschnitt angehoben. länger als eine minute techno halte ich immer noch nicht aus, aber das herumgehampel der leute, vor allem des typen mit sonnenbrille, zauberte ein dickes, fettes breitmaulfroschgrinsen auf meine wangen. gut hingegen die oft orientalisch angehauchte musik auf der bühne am mariannenplatz. ich sag nur saz.

Phaidon

Mai 2, 2010

Dies hier hat mich heute sehr bewegt. Der Gedanke, Gestorbene, die man gut gekannt hat, irgendwann wiederzutreffen, verfestigt sich auch bei mir immer mehr. Die können doch nicht für alle Zeit verschwunden sein. Im Grunde kommt es mir ja schon jetzt so vor, dass die Toten gar nicht weg sind. Dadurch, dass ich an sie denke, ich denke da besonders an eine Person, sind sie weiter lebendig.

4:04 Yo La Tengo – Detouring America With Horns (1992)

Mai 2, 2010

You’re on your way to my enemies
You’re moving in on my memories

Yo La Tengo – noch so eine Lieblingsband von mir – beginnen ihr allseits stark unterschätztes Noisy Rock Album May I Sing With Me mit einem entspannten, sonnigen Stück aus der Feder von Georgia Hubley, das man bis zu dem späten Zeitpunkt, zu dem ihre sanfte, summende Stimme einsetzt, für ein Instrumental halten könnte. An diesem Song fasziniert mich jedes Mal wie lange der Wechsel vom ruhigen zum schnelleren Teil hinausgezögert wird. Wenn man weiß, dass eine Beschleunigung mit den hinzustoßenden Drums ansteht, dann baut sich für einen eine prickelnde Spannung auf, die man hier eigentlich nicht erwarten würde. Die Melodie ist so schlicht und schön, dass es mir jedes Mal den Atem verschlägt. Worum es hier geht, ist unklar, der Titel ist sehr mysteriös, der kurze Songtext hilft auch nicht wirklich weiter. Eine reine Mutmassung meinerseits, aber es könnte um ein ambivalentes Verhältnis der Band zu ihrem Heimatland gehen.

(Die Liste aller seit 1. Februar [5:34] ausgewählten 91 Songs ist hier.)

4:05 Nick Drake – Saturday Sun (1969)

Mai 1, 2010

Saturday sun brought people and faces
That didn’t seem much in their day
But when I remember those people and places
They were really too good in their way.

Das passende Lied zum heutigen Tag, die Sonne hat auch schon kurz mal durch die Balkontür ins Wohnzimmer reingelünkert. Zu Nick Drake schreibe ich eher ungern obwohl ich es schon öfter getan habe; es scheint immer so, dass die eigenen Worte von der Musik dieses frühvollendeten Songwriters ablenken. Außerdem ist Nick Drake für mich immer noch sehr privat; die Idee mit anderen Leuten gemeinsam seine Lieder anzuhören, ist für mich wie ein Verrat. Ich würde mich in solch einem Setting unwohl fühlen, ein bisschen so als würden meine innersten Gefühle in seinen Songs nach außen gekehrt. Nick Drake habe ich früher viel mit meinem besten Schulfreund gehört, dann ein zwei mal mit C. Heute höre ich seine Musik fast nur zufällig, wenn der iPod im Shuffle-Modus eines seiner Lied ausgewählt hat. Saturday Sun schließt die erste Platte ab, die ich besonders mag weil ich sie auch zuerst gehört habe. Das Lied strahlt eine große Gelassenheit aus und ist für drakesche Verhältnisse schon fast heiter. Das hat vielleicht auch mit der Instrumentierung zu tun, Drake spielt Klavier, zudem sorgt ein Vibraphon für eine leicht beschwingte, offene, jazzige Atmosphäre. Das Stück hat etwas Rundes, Abgeschlossenes, Vollständiges. Ein eigenes Universum, das in sich ruht. Die Melancholie ist gut versteckt und äußert sich vor allem am Ende, wenn er singt

And Saturday’s sun has turned to Sunday’s rain.
So Sunday sat in the Saturday sun
And wept for a day gone by.

Auch das scheint wieder auf dieses Wochenende zu passen, regnen soll es ja eventuell auch noch.

(Die Liste aller seit 1. Februar [5:34] ausgewählten 90 Songs ist hier.)