Niemals vergessen
Diese Veranstaltung kann
morgen vorbei sein
Tes belles chansons tristes
ont toujours brisé mon coeur.
Elles vont rester, sûr.
[Jean-Louis Murat – Aimer]
P. S. Hier habe ich auch noch ein paar Worte zu Murat geschrieben.
Auf Schwellen liegend
S-Bahnstrecke nach Kronberg
Ein Fuchs, mausetot
Wird man gewaltsam
zurückgeholt, geht einen
nichts mehr etwas an.
[Peter Nadas – Der eigene Tod (e-book)]
Hört sich jetzt an wie
das vorweggenommene
eigne Requiem
[Ryuishi Sakamoto – andata]
Es ist alles klar.
Von Anfang an. Sie hat’s getan.
Und am Ende nichts.
If you wander far enough
you will come to it
and when you get there
they will give you a place to sitfor yourself only, in a nice chair,
Robert Creeley (via)
and all your friends will be there
with smiles on their faces
and they will likewise all have places.
Putins Gesicht sieht
der Maske eines Toten
täglich ähnlicher
Ordner mit dem Kreuz
Ihn niemals öffnen wollen
Gut, dass er da ist
Vielleicht ist der Tod
das Schönste, was wir jemals
erleben werden.
Den letzten Moment
mit dem Vater erleben.
Treppe hoch, singend.
Erstickungsängste,
wenn ich mir bewusst mache,
dass ich einatme
Am Lebensende
Sich völlig gehen lassen
und es ist ok
Falle voll Köttel
Maus an Gitter festgekrallt
Bewegt sich nicht mehr
Wenn der Schlaf kommt wie
das Fallbeil, das das Genick
durchtrennt, der Kopf ab.
wieviel freude man
anderen lebewesen
zum schluss machen kann
In Eingeweiden
tummeln sich weiße Maden
Totes Reh Toter Fuchs beim Bach
Spiegel der Seele
Die Privatbibliothek
Fixierte Neugier
Zig Tierkadaver
mitten auf der Autobahn
am Sonntagmorgen
Noch ein Toter mehr
Deine ruhige Stimme
hallt wider im Ohr
Kommt es hart auf hart,
noch die Freiheit zu haben,
hinauszuschwimmen.
Sich fallen lassen
Aller Druck weicht von einem
Das Gastspiel vorbei
Mit einem Kopfsprung
ins seichte Wasser sterben
nur meist junge Männer
Auf Überholspur
links von Motorradfahrer
überholt werden
Traf Dich zuletzt vor
fünf Jahren. Jetzt bist Du tot.
Mit fünfundzwanzig
Nächsten Atemzug
überspringen, loslassen.
Welche Befreiung!
Aus dieser Kiste
kann ich Dich leider nicht mehr
lebend rausziehen.
[David Freel 31.1.1958 – 12.4.2022
„Es gibt kein Fegefeuer für Kriegsverbrecher. Sie gehen direkt in die Hölle, Botschafter.“ [Der ukrainische Botschafter zu seinem russischen Kollegen in der UN-Dringlichkeitssitzung, Quelle]
Im Ohr nachhallend:
seine sonore Stimme.
Tief, räsonierend.
Mit offenem Ohr
begleitet Sohn die Mutter
auf dem letzten Weg.
[Jürgen Wiebicke – Sieben Heringe]
Theaterdonner.
So ’ne Leber, kein Rückgrat.
Der Rest ist Schweigen.
[Klaus Pohl liest Sein oder Nichtsein]
Gelbschwarze Federn.
Kaum was übrig vom Stieglitz.
Die Katze war da.
Manche kommen erst
in der Kiste zur Ruhe.
And’re beim Gehen.
Taubenkadaver
vom Straßenrand gekratzt und
notdürftig verscharrt.
Lebenserwartung
noch rund hundert Millionen.
In Atemzügen.
Das Gefühl, dass sie
um mich herum sterben
wie die Fliegen
und dass mich
jeder neue Tod
immer mehr mitnimmt
und ich so dünnhäutig
werde, dass man von außen
in mich reinsehen kann.
Waldsee umrundet.
Ahorn mit Schwarzfleckigkeit.
Urnenfeld besucht.
Aus der Traurigkeit
wurde erst „Dankbarigkeit“
und dann Dankbarkeit.
Onkel wolltest Du
schon früh nicht mehr genannt werden.
Immer jung im Geist.
Sie ist gewandert,
hat Schüler unterrichtet
und ist gepaddelt.
[sinngemäß aus einer Trauerpredigt]
Bei der Geburt ist
niemand alleine, beim Tod
sind es sehr viele.
Wie aus heiterem
Himmel: Jemand verschwindet
als wir nicht da sind.
Gestern war die Beerdigung meines Patenonkels, ich habe es schon erwähnt. Morgens fuhr ich mit der U2 und dann ab Turmstraße mit dem TXL-Bus zum Flughafen Tegel. Kurz vor dem Flughafen gucke ich auf die Uhr und es fällt mir auf, dass ich einen Denkfehler gemacht habe. Es ist 9h30. Nicht der Abflug von Tegel ist 10h10, nein die Ankunft in Frankfurt ist zu dieser Uhrzeit. Mit anderen Worten, ich haben meinen Flieger verpasst, der Abflug war um 8h55. Im Flughafen organisiere ich noch in letzter Sekunde – die Dame am Ticketschalter muss sich noch am Gate erkundigen, ob sie mich noch akzeptieren, da der Ticketverkauf eine halbe Stunde vor der Abflugzeit eigentlich geschlossen wird – ein Ticket mit dem nächsten Flugzeug, das wirklich um 10h10 abfliegt. Es ist von der anderen Airline. Den Preis erwähne ich jetzt mal nicht, ich glaube die Stunde, die ich mir morgens zusätzlich genommen habe, war eine der teuersten Stunden meines Lebens. Von jetzt an verzögern sich noch so einige Sachen, in Frankfurt-Zentrum bin ich erst kurz vor halb eins. Wir können es nicht schaffen bis um 1 nach Oberissigheim. Im Ort natürlich im Umkreis der Kirche kein Parkplatz, wir sind kurz vor Viertel nach eins dort, die Leute stehen im Regen vor der Kirche, die Kirche ist voll. Wir spannen die Regenschirme auf und hören Musik. Ich weiß wer da spielt, meine beiden Vettern, der eine die Geige, der andere die Orgel. Ich kann mir denken was, ich kenne die Musik, weiß es aber nicht genau. Ja es ist natürlich Bach, der erste Satz des Violinkonzerts a-Moll. Wie da an diesem trüben, regnerischen Dezembertag die Geige aus der Kirche nach draußen schallt, wo wir uns die Füße abfrieren, da frage ich mich, wie es möglich ist, dass mein Cousin diese überirdisch schöne Melodie auf der Geige spielen kann, ohne zu weinen. Vielleicht weint er ja, ich sehe ihn nicht, aber ich glaube es nicht. Ich hingegen stemme mich gegen die Tränenflut, die sich da Bahn brechen will, ich kann so gerade eben widerstehen, als die anderen nach der Predigt aus der Kirche kommen, muss ich mich auch nochmal zusammenreißen, mein Vater will mich ansprechen, lässt es aber dann, ein Wort hätte das Fass bei mir zum Überlaufen gebracht, ich glaube er hat es gemerkt. Die Trauergemeinde strömt zum Dorffriedhof, der sich ganz langsam füllt, es dauert bestimmt eine Viertelstunde bis alle da sind und der Pfarrer weitermachen kann. Es sind so um die 400 Leute, so viele Menschen habe ich bei einem Begräbnis noch nie erlebt. Da sind die Jagdhornbläser, die Johanniter, die Vereinskameraden, die Leute aus dem Dorf, die Freunde, die Familie etc. In dem Moment wo sein Sarg ins Grab hinabgelassen wird, intonieren die Jagdhörner noch einen letzten Tusch, wieder kämpfe ich mit den Tränen, wie unglaublich stark ein paar Töne in diesen Umständen wirken können, die wohlgewählten Worte des sehr jungen Pfarrers, der seine Sache sehr gut macht, haben eher eine beruhigende Wirkung.
Vor einer Woche ist mein Patenonkel gestorben, morgen ist die Beerdigung. Ich stand ihm nicht sehr nahe, heute frage ich mich warum, er gehörte einer Generation an, die noch die Kriegs- und Nachkriegszeit mit Haut und Haaren erlebt hat, aber ich glaube nicht, dass das der Grund war, warum wir eigentlich fast immer nur eher oberflächlich und smalltalkartig miteinander kommunizierten. Er lebte in einer völlig anderen Welt, auf einem Reiterhof mit vielen Pferden, in einem kleinen Dorf, wo jeder sich kennt. Eine Besonderheit an ihm war, dass er eine Art Patriarch war, also etwas was es heute in Deutschland kaum noch gibt, alle nannten ihn Papus. Als junger Teenager war ich in der Mitte der Siebziger mehrmals in den Ferien auf dem Hof reiten, da ich sein Patenkind war, mussten wir nichts bezahlen. Das Reiten war nicht so mein Ding, ich glaube mir tat schnell der Rücken weh, insbesondere beim Trab, Galoppieren war natürlich ein wildes Gefühl des über die Erde Fliegens. Während der Ferien dort habe ich hauptsächlich Tischtennis gespielt und wir haben Lieder gesungen, die ich nirgendwo anders je gehört habe (z.B. Lager-Boogie). Am Besten erinnere ich mich aber an die rauschenden Familienfeste, die wir bei E. gefeiert haben, er hat sein Leben in vollen Zügen genossen und hat uns, die recht große Familie, daran teilhaben lassen. Berüchtigt waren seine Reden, wenn er einmal angefangen hatte, fiel es ihm schwer wieder aufzuhören, er drehte häufig rhetorische Pirouetten, er stand gerne im Rampenlicht. Bei diesen Festen, die natürlich meist im Sommer stattfanden, habe ich dann oft bis zur Morgendämmerung beim zigten frisch gezapften Bier mit meinen Vettern und Kusinen über Gott und die Welt gequatscht. A propos Welt. Man sagt ja, dass mit jedem Menschen eine Welt untergeht, bei E. stimmt das auf jeden Fall, mit seinem Tod ist die Welt um ein großes Original ärmer geworden.
Das Lied da oben ist von den beiden Schotten Bill Wells (Piano) und Aidan Moffat (Gesang): Die Totenwache nimmt den Erzähler so mit, dass er sofort in den Pub neben dem Krematorium gehen muss.
P.S. Vor das Feiern hat der liebe G. die Arbeit gesetzt, das ist in dem Posting zu kurz gekommen. Mein Onkel hat vor allem natürlich in der Erntezeit, wenn das Heu auf dem Hänger eingefahren wurde – den Traktor fuhr er meistens selber, wenn ich mich recht erinnere – geschuftet wie ein Berserker, er war ein Typ, der auch sehr wohl in der Lage war, kaum Worte zu machen und einfach nur zuzupacken.
Dort (in Tokio) wurde noch einmal Hokusais legendärer Holzschnitt Die Welle von Kanagawa aus dem Jahre 1832 gezeigt – der Inbegriff dessen, was die Welt für japanische Kunst hält. Und den die Welt seit fast zweihundert Jahren missversteht. Der Westen sah in der „Welle“ immer ein Symbol für die unbeherrschbare Naturgewalt. Die Japaner selbst jedoch sahen weniger die Welle als die winzigen gelben Schifferboote darin – und wie geschmeidig die Ruderer darin die Wellenkämme reiten. Die Welle ist also das Sinnbild dafür, wie gemäß der alten Schinto-Tradition Natur und Mensch im Einklang miteinander Höhen und Tiefen erleben.
(Florian Illies heute in der ZEIT)
Der Eintritt des Reaktorunfalls in Japan ist einerseits ein ungeheures, unvorhersehbares Unglück und andererseits deswegen unglaublich weil es einem klar macht, dass die Japaner anscheinend wirklich anders ticken als wir, dass sie nicht so ein starkes Sicherheitsstreben wie wir haben, dass sie irgendwo den Kamikaze in sich tragen. Wie konnte es dazu kommen, dass dieses relative kleine Land, das zu den dichtbesiedelsten Ländern der Welt zählt, sich so mit Haut und Haaren der Kernkraft ausgeliefert hat? Es gibt dort über 50 Kraftwerke, Fukushima hat glaube ich zehn Reaktoren mit ca. 10 GW, die größten deutschen Atommeiler haben zwei Reaktoren. Und das in einer Weltgegend, wo Erdbeben regelmäßig auftreten. Das Wort Tsunami ist japanisch, wie konnten sie so leichtsinnig sein, ihre KKWs direkt am Meer zu bauen? Wie konnten sie davon ausgehen, dass 8,0 auf der Richterskala nicht übertroffen werden nur weil in der jüngeren Vergangenheit kein Beben wesentlich stärker gewesen war? Das ist wohl ihre pragmatische, aber gleichzeitig ungeheuer leichtfertige Ader. Vorhin habe ich gehört, sie hätten die Pläne für Fukushima einfach von den Amerikanern kopiert und das Kraftwerk überhaupt nicht an die geografischen Gegebenheiten angepasst. Und schlussendlich die Erfahrung von Hiroshima und Nagasaki. Wie kann es sein, dass sich Japan trotzdem mit KKWs zugestellt hat? Sie haben den Strahlentod doch schon tausendfach erlebt. Versteht das einer?
Dies hier hat mich heute sehr bewegt. Der Gedanke, Gestorbene, die man gut gekannt hat, irgendwann wiederzutreffen, verfestigt sich auch bei mir immer mehr. Die können doch nicht für alle Zeit verschwunden sein. Im Grunde kommt es mir ja schon jetzt so vor, dass die Toten gar nicht weg sind. Dadurch, dass ich an sie denke, ich denke da besonders an eine Person, sind sie weiter lebendig.
Während sie die Schlaflosigkeit zunächst als Zuwachs an Vitalität und Lebensqualität erlebe, kommt ihr nach 17 Tagen der erschreckende Gedanke, dass sie vielleicht in Wirklichkeit gestorben sei und der Tod somit keineswegs ewigen Schlaf, sondern immer währendes Wachsein bedeutet
Personally, I am hoping for one of those massive heart attacks (not the little sort that merely leave you an invalid). So too are most of the doctors that I know. Going out with a bang on the golf course is the physicians‘ preferred exit route. Though quite why they persist in prescribing for the rest of us pills that will make such an event less likely and consign us to far less desirable forms of death, is a bit of a mystery. I’m still waiting to meet a medic who greets my high blood pressure and raised cholesterol with a smile and a warm prediction of a premature but speedy end. (source)
What a naive question about the fact that doctors prescribe medicine which does prolong the life of a person who has turned into a zombie. They and the whole „health“ industry want to make money, what else. A quick, painless death of the patient is not in their interest. Their favourite scenario would be a long, painless death where lots of pills and other medicine will be consumed by the patient. Maybe I should restart smoking just for maximizing my chance for a massive heart attack. But of course tonight I have no urge whatever to smoke. Tomorrow then.