Archive for the ‘trip’ Category

3053

April 23, 2023

Auf dem Drahtesel

vor zweiundvierzig Jahren

zu zweit durch Deutschland

3044

April 16, 2023

Wind, Sonne, Regen

Nach elf Stunden Autofahrt

Totale Leere

2999

April 6, 2023

Gendarm hält uns an,

lallenden, jungen Deutschen

zu übersetzen

[Mautstelle Le Boulou an A9]

2804

Februar 11, 2023

Ungeplanter Halt

an dem Bahnhof Gelnhausen

Tiere auf dem Gleis

2623

Dezember 6, 2022

Einen Zug verpasst,

ein andrer hat schlappgemacht,

doch es geht weiter!

2609

November 30, 2022

Austritt statt Ausstieg

Ich trage Mitreisender

Ladekabel nach

2521

Oktober 29, 2022

Im Auto zu viert,

hinten pennen die beiden,

vorne reden wir.

2330

August 21, 2022

Vom Buntspecht geweckt

Zug über ’ne Stunde spät

Frau hilft mit Koffer

2289

August 7, 2022

Lockere Essays

über Leute und Orte,

sich selbst nicht schonend

[Paul Theroux – Figuren in der Landschaft]

1987

April 8, 2022

Erst bei Freilassung

empfunden zu haben, was

Freiheit bedeutet

1906

März 13, 2022

Held meiner Jugend

Auf dem Trip zum nächsten Kick

Splitterfasernackt

[Unterwegs (Hörspiel) von Jack Kerouac, der gestern hundert geworden wäre]

1637

Oktober 30, 2021

Elfhundert km.

Gut zwei Stunden Verspätung.

Mit Bahn durch Deutschland.

1636

Oktober 30, 2021

Eine Tankfüllung

für elfhundertelf km

bei hundertzwanzig.

1483

Juni 13, 2021

Holzfeuergeruch.

Flashback nach 1-9-8-2.

Jugoslawien.

1474

Juni 7, 2021

Letzte zwei Stunden

Autobahnfahrt nach Berlin:

Tiefenentspannung.

1472

Juni 7, 2021

West-, Ostdurchquerung.

Gerstenkorn schiebt sich direkt

vor die Pupille.

1471

Juni 7, 2021

Auf der Autobahn

DHL- und Primelaster

statt der Flixbusse.

882

Dezember 14, 2020

Auf den Paar-Selfies

von der Via Regia

strahlen wir vor Glück.

500 Leipzig

August 20, 2020

Straßenbahn 7

braucht eine Stunde von Ost

nach West über Süd.

445 Berlin – Cottbus

August 11, 2020

Trommelfellangriff:

Schmerzhaft laute Durchsagen

im Regionalzug.

350

Juli 10, 2020

Wir sitzen zu zweit

im Biergarten in Bayreuth.

Aber nicht sehr lang.

38

März 19, 2020

Auf der Autobahn

in Thüringen, die Felder

mit Gülle gedüngt.

37

März 19, 2020

In Sachsen-Anhalt.

Viel zu tun für Don Quijotte:

Riesige Windparks.

Treuenbrietzen

März 18, 2020

Bad, Küche und Bett

im Fertighauscontainer.

Plus Kneippfußwanne.

Zwischen Beelitz und Leipzig

März 15, 2020

Der Weg egal ob
im Wald oder auf Asphalt
schnurgeradeaus

Hinter Dietersdorf

März 14, 2020

Im Wald, träumend.
Aus dem Nichts, direkt vor mir
kreuzt ein Reh den Weg.

Treuenbrietzen

März 12, 2020

Unter dem Balkon

warte ich den Regen ab. 

Jemand ruft „Hallo!“. 

Vor Treuenbrietzen

März 11, 2020

Inmitten vom Wald

verfallene Gebäude:

Zwangsarbeitslager

 

Zwischen Beelitz und Treuenbrietzen

März 10, 2020

Hundert Kuhaugen

glotzen mich an als wäre

ich ein Mensch vom Mars.

Hinter Niebel

März 9, 2020

Am richtigen Ort.

Im Wald ein Sofapolster.

Zeit für ein Päuschen.

Vor Salzbrunn

März 8, 2020

Quer über Felder

pustet mich der Wind fast um.

Es gibt kein Gebüsch.

Beelitz

März 7, 2020

Ich gehe im Wald.

Unter schwarzen Planen schläft

der Spargel im Feld.

Leipzig 2

März 6, 2020

Unterm Dach am Gleis.

Der Orkan peitscht den Regen

auf das Plexiglas.

Leipzig

März 5, 2020

In einer Nische

vor der Nikolaikirche

trinke ich Säfte.

Abtnaundorfer Park

März 4, 2020

In Regenkleidung

wirft ein Bube den Enten

Krumen hinterher.

Thekla

März 3, 2020

Ein blauweißes Tuch

um einen Zweig gebunden

flattert hoch im Wind.

Plaußig

März 2, 2020

Er joggt, sie fährt Rad.

„Morgen“, schallt mir entgegen.

„Morgen“, entfährt mir.

Vor Plaußig

März 1, 2020

Eine Schafherde.

Zig Augen schauen mich an.

Die Antwort: ein Foto.

Vor Merkwitz

Februar 29, 2020

Ich tippe Zeichen.

Die Pfütze auf der Straße.

Platsch! Mein rechter Schuh.

Gottscheina 3

Februar 28, 2020

Ich sehe Häuser

im Angerteich, die stehen

sicher auf dem Kopf.

Gottscheina 2

Februar 27, 2020

Am Angerteich ist

eine graubraune Katze.

Sie schmiegt sich an mich.

Gottscheina

Februar 26, 2020

Am Landstraßenrand

ist der Asphalt uneben.

Hoppla! Ich falle.

Vor Mutschlena

Februar 25, 2020

Gegen den Uhrsinn

drehen sich vier Windräder.

Ein Flugzeug steigt auf.

Hinter Kupsal

Februar 24, 2020

Morgendämmerung.

Tiefe Wolken ziehen auf.

Die Welt gehört mir.

Vor Doitzsch

Februar 22, 2020

Der Wind rauscht im Ohr.

Die Grashalme biegen sich.

Das Moos wächst am Baum.

Magische Orte, Nr. 1

Januar 1, 2020

Der Ort befindet sich im äußersten Süden Frankreichs, 30 km südlich von Perpignan, ca. 5 km Luftlinie nach Spanien. Es ist das Belvedere mit dem Schlossturm von Laroque des Albères, im Zentrum des kleinen Städtchens auf einem Hügel gelegen. Wenn man in Laroque ist, kann man von Norden oder Süden hinauf gehen. Ich komme lieber aus dem Norden weil der Weg diskreter ist und nicht direkt an zig Häusern vorbei verläuft. Man geht gegen den Uhrzeigersinn um den Schlossberg – von dem Schloss steht übrigens nur noch der renovierte Turm – herum bergauf und dann zweimal einige Stufen hinauf und landet auf dem höchsten Punkt der Innenstadt. In der Mitte steht eine Bank, auf der man es sich bequem machen kann, wenn sie noch nicht besetzt ist. Man hat von dort eine phantastische Aussicht in alle vier Himmelsrichtungen.

Nach vorne, also im Norden sieht man die fruchtbare Ebene des Roussillon mit den Tälern des Tech und Têt, in der u. a. Kirschen (Céret) aber vor allem Wein angebaut wird. Neben Trauben für kräftige, blutrote Rotweine gedeiht hier die vollmundige Muscatrebe, aus der süße, schnell zu Kopf steigende Apéritifweine gekeltert werden. In etwa in der Mitte zwischen hier und Perpignan kann man bei guter Sicht die Kathedrale von Elne sehen, mit der – wie auch mit den Wachtürmen der Albères (s.u.) – über Signale kommuniziert wurde. Im Hintergrund baut sich in der Ferne ein Hochplateau auf, es sind die Corbières.

Nach Osten hin kann man die Küste um Argelès und das Mittelmeer – in etwa 10 km Luftlinie – erkennen.

Im Westen sieht man die Pyrenäen, die zum Greifen nahe scheinen. Sie gipfeln in dem rund 50 km entfernten momentan schneebedeckten Pic Canigou, der majestätisch über der Ebene thront. Dieser Berg scheint unerreichbar zu sein. Wir sind auf dem hiesigen Jakobsweg vor ein paar Jahren nach Saillagouse in den Zentralpyrenäen (auch ein verzauberter Ort) gegangen und sind dem Berg gefühlt nicht wirklich näher gekommen, obwohl wir die Luftlinie wohl auf unter 10 km reduziert haben. Im Vordergrund befindet sich der Chemin de la Florentine (ebenfalls magisch), ein schmaler betonierter Fußweg, der durch private Obstgärten unterhalb der Stadtmauer mäandert.

Wenn man sich nun um 180 Grad dreht, sieht man hinter dem Rundturm im Süden die bewaldeten Albères, das ist der Ausläufer der Pyrenäen ins Mittelmeer, mit ihrem höchsten Berg, dem Puig Neulòs, der die Grenze zu Spanien markiert und auf dem eine TV-Sendestation steht.

Es gibt auf dem Belvedere übrigens zwei Panoramatafeln – sowohl nach Norden wie nach Süden – auf denen alle sichtbaren Orte detailliert aufgezeichnet sind. Auf dem Turm hinter der Bank ist oben eine unbewegliche katalanische Fahne aus hartem Material befestigt, die nach Osten zeigt, der vorherrschende Wind ist hier der kalte Tramontane, der aus den Pyrenäen herunterweht.

Was mir auch an diesem Platz gefällt ist, dass man sich dort im Grunde den ganzen Tag aufhalten könnte, ohne sich zu langweilen. Da es ein schöner Ort ist, der auch bekannt ist, kommen hier im Laufe des Tages eine ganze Menge Leute hoch, die zum einen fast alle von dem genius loci positiv beeinflusst sind und gute Vibrationen aussenden. Zum andern unterhalten sie sich – natürlich meist auf französisch – und man kann einige interessante Gesprächsfetzen aufschnappen und etwas über die Gegend lernen.

Morgens haben wir dort auch schon eine Yogaadeptin mit ihrer Matte angetroffen, die von der besinnlichen Stimmung angefixt war. Was wir noch nicht gemacht haben, was ich aber auf jeden Fall demnächst vorhabe, ist einerseits frühmorgens, wenn die Sonne über dem Mittelmeer aufgeht hier zu sein und andererseits abends in der Dämmerung im Sommer, wenn die Sonne hoffentlich hinter den Pyrenäen untergehen sollte.

Danke, Stefan, dass Du mich mal wieder auf einen Lieblingsplatz aufmerksam gemacht hast.

Retro music & retro post

Oktober 10, 2011


I spent more or less the whole month of July 1979 in the United States very close to New England. It was my first encounter with US American culture and people and it made a big impression on me. The family I lived with had a wooden summer house on the Truesdale Lake in South Salem, New York. The next town was Ridgefield, Connecticut which was maybe 5 miles away and we went there occasionally to have a sundae, an ice-cream with a delicious, very rich chocolate sauce. The family had three sons, one older than me, one younger than me and one my age. Robert already had a driving license and he had a Bug. Nobody said Beetle, of course. Sometimes he drove the family car, a huge American road cruiser, no clue what brand it was. We also went to Bridgeport, Connecticut (and probably Stamford) where there was a university. Anyways this band called the Stepkids is from Bridgeport. The song which they perform live in the video is by far the best on their first album which was released a couple of months ago and which I purchased today. Call it psychedelic funk in the 2010s. The extremely groovy track could have been recorded in the early seventies, I still cannot help thinking that it is a cover but I haven’t found the original yet. It definitely sounds like a an old classic, especially the killer bassline after about half a minute which immediately hooks the listener without ever releasing him again.

P.S. Now I am almost 100% sure that there is a very similar tune by Lansing-Dreiden, another very derivative, eclectic band originally from Miami but now based in New York. I am too lazy now to check the iPod and nail it though.

Rheinsteig

Juni 22, 2011

Bin letzte Woche mit W. sechs Tage auf dem Rheinsteig gewandert, von Assmannshausen nach Kamp-Bornhofen. In Kaub haben wir zwei Nächte verbracht. Am ersten Abend kamen wir etwas zu spät, um mit dem Schiffchen zur auf einer Insel im Rhein gelegenen Zollburg Pfalz(grafenstein) überzusetzen. Der Kapitän, der bestimmt zehnmal täglich rüberschippert, meinte auf die Frage von W., was es auf der kleinen Burg zu sehen gäbe, er wisse es nicht, er wäre noch nie da gewesen. Aber er hätte gelegentlich die Leute, die er mitnähme auf ihrer Rückfahrt gefragt wie es denn gewesen wäre. Die hätten zwei Dinge gesagt. Zum einen wäre die Burg sehr schön, zum andern könnte man all das, was man dort sähe nicht in einem Satz beschreiben. Genau so verhielt es sich auch mit unserer Rheinsteigwanderung. Natürlich sind wir am zweiten Nachmittag zur Pfalz übergesetzt. Wobei wir wirklich auf die Minute pünktlich für die letzte Überfahrt waren.
Die Pfalz

.

April 15, 2011

ob das wohl eine weise entscheidung war, die nato-außenministerkonferenz im zentrum von berlin stattfinden zu lassen? wieso treffen die sich nicht an irgendeinem verlorenen brandenburgischen see? stattdessen muss die halbe stadt abgeriegelt werden und tausende von polizisten werden mobilisiert. was das kostet, wie das nervt, wie da absolut nix hinten rauskommt.

***
was sucht man auf dem jakobsweg? körperliche genesung? trost? die erleuchtung? gott? die körperliche herausforderung? den partner fürs leben? ich jedenfalls habe dort nur meinen rhythmus, mein tempo, meinen schritt gesucht. und war auch kurz davor, ihn zu finden. aber am ziel, in santiago habe ich ihn dann verloren. da war schluss mit dem kontinuierlichen gehen. da gab es wieder ampeln, die den fluss der bewegung störten. städte sind nix für langstreckenwanderer.

5’41 Captain Sensible – Wot (Maxi 1982)

März 1, 2011

It went bang – I said rap up.
Well I’m aware that the guy must do his work
But the piledriver man drove me berserk.

It’s strange but I am having all these flashbacks in the last couple of months. Mostly totally unimportant memories which suddenly come and go. Do I have an example? Yes, for instance the first time I drank alcohol. I must have been around 13 and there were all these blokes sitting at a long table at a friend’s house. We were maybe eight or nine altogether and IIRC everyone had two glasses of beer. I remember that I was disappointed as I hardly felt anything except a slight relaxation but nothing mind-bending. Why do I write this? Because if I had to choose one year, I would go for 1982. Not because of Captain Sensible’s one hit wonder, I heard it first a couple of years later. No, it was the end of school and I decided to make a cut. It was the best decision of my life. What an amazing Greek summer. Later on in November or something I came back to Germany. In retrospect it probably was the right thing to do but at the time I was in doubt. Now I can still dance to this song and it brings back myriads of memories. What more can you ask from pop music?

(The list of all 341 selections since 1st February 2010 is here.)

Perpignan – Latour de Carol

Februar 23, 2011


Wegbeschreibung: Topo guide de Perpignan à Llivia
Tag 1: Perpignan – Millas 25,76 km
Tag 2: Millas – Vinça 21,32 km
Tag 3: Vinça – Villefranche 28,56 km
Tag 4: Villefranche – Thuès entre Valls 28,63 km
Tag 5: Thuès entre Valls – Llo 22,61 km
Tag 6: Llo – Latour de Carol ca. 22 km. Zurück nach Perpignan mit dem train jaune. Hoffentlich fährt der bis Ostern wieder, im Moment gibt es da wohl ein technisches Problem.

Tier- und Völkerkunde

Januar 3, 2011

Die Deutschen ähneln Elefanten. Auf den ersten Blick wirken sie grob und wild, doch sobald man sie gestreichelt hat und ihnen schmeichelt, werden sie sanftmütig. Dann braucht man nur noch die Hand auf ihren Rüssel zu legen, und sie lassen einen willig auf ihren Rücken klettern.

[Voyage en Allemagne, Montesquieu, laut der Zeit noch nicht vollständig publiziert]

Auf dem Jakobsweg gelesen

Dezember 6, 2010


Das ist gleichzeitig eine idealistische wie auch eine pragmatische Perspektive. Man könnte mit einer Betonung des existentialistischen Aspekts auch sagen: „Die Freude ist in uns oder sie ist nicht.“ Das würde mir als kategorische Aussage fast noch besser gefallen. Ist aber als Satz etwas freudlos…

1:26 Serge Gainsbourg – Champêtre et Pop No.2 (1967)

November 15, 2010

Irgendwie haut mich die simple, coole Melodielinie dieses Instrumentals völlig um; ich würde sagen, es hat couilles. Gainsbourg war ja nicht nur Chansonnier sondern auch wie mir gerade erst klar geworden ist, Komponist von Filmmusiken. Hier werden immerhin 72 seiner Filmmusikstücke vereinigt, es wäre vielleicht mal an der Zeit, diese Seite seines Schaffens näher zu beleuchten, aber nicht heute. Ach eins noch, champêtre heißt ländlich und auf dem Land gedeiht die Pflanze, die Serge mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bei der Komposition unterstützt hat, am Besten.

Meine Gedanken kreisen allerdings immer noch um ein seltsames Zusammentreffen mit zwei mittelalten (in der 2. Hälfte der Vierziger, wüde ich sagen) Frauen im ICE nach Berlin gestern. Sie hatten ein Wochenendseminar in Karlsruhe besucht und waren jetzt auf dem Weg zurück nach Hildesheim. Als ich mich auf meinen Tischplatz im Großraumwagen begeben wollte, sprach mich sofort eine der beiden an und sagte, dass sie schon auf die Person, die sich auf den vierten Platz am Tisch setzen würde – der dritte war von einem anderen Mann besetzt, den sie auch schon angequatscht hatten – gewartet hätten und gewettet hätten, ob es ein Mann oder eine Frau sein würde. Nach einer Weile verschwanden sie Gottseidank mit dem anderen Mann für ein Bierchen ins Bistro und ich hatte meine Ruhe bis 20 Minuten vor Hildesheim. In den 20 Minuten gelang es den beiden allerdings mich mit ihren inquisitorischen Fragen zu enervieren, was ich versucht habe, mir nicht anmerken zu lassen, ob mit Erfolg sei dahingestellt. Jedenfalls wollten sie zum Schluss unbedingt wissen, was ich beruflich mache. Jetzt im Nachhinein kommt es mir so vor als hätten sie in ihrem Seminar, in dem es um soziale und psychologische Dinge gegangen sein muss, die Aufgabe aufgetragen bekommen, jeden den sie auf dem Weg zurück treffen, nach seiner beruflichen Tätigkeit zu fragen. Jedenfalls habe ich ihnen dann gesagt, dass es etwas mit Zahlen zu tun hat und sie waren offensichtlich enttäuscht ob meiner profanen Antwort und versuchten, mir meinen Job schlechtzumachen. Etwas, das ich aber sowas von dringend gebrauchen kann im Moment und überhaupt. Die eine sagte, ihr hätte ihr Beamtenjob auch nicht gefallen und sie wäre krank geworden und hätte jetzt eine neue Stelle, in der sie ihre soziale Kompetenz besser einsetzen könne (oder so ähnlich). Hinterher sagte mir der Mann, der auch noch am Tisch war und mit den beiden im Bistro gewesen war, dass sie ihn natürlich auch nach seinem Job gefragt hätten und ihn halbwegs korrekt eingeschätzt hätten, mich jedoch für jemanden von der schreibenden Zunft gehalten hätten. Der sex appeal von Schriftstellern auf einen gewissen Frauentypus, das wäre bestimmt auch mal eine lohnenswerte soziopsychologische Untersuchung.

(Die Liste aller seit dem 1. Februar ausgewählten 249 Stücke ist hier.)

1:45 Johann Sebastian Bach – Suite g-Moll BWV 995 III Courante (ca. 1730, Óscar Cáceres)

Oktober 27, 2010

Das ist jetzt schon der dritte Tanz – vom Tempo her zwischen der gemächlichen Sarabande und der flinken Gigue – aus dieser herrlichen Lautensuite von Johann Sebastian Bach in der luziden Interpretation des Montevideoer Gitarristen Cáceres. In Der vollkommene Capellmeister (1739) schreibt Mattheson über die Courante (von mir aus dem Englischen zurückübersetzt):

Die Bewegung einer Courante ist hauptsächlich durch die Leidenschaft oder die Stimmung einer süßen Erwartung gekennzeichnet. Denn es ist etwas Inniges, etwas Sehnendes und auch Erfreuliches in der Melodie: Eindeutig Musik, auf die Hoffnungen aufbauen.

Cut. Auf der ersten Etappe auf dem Jesus Trail von Nazareth nach Cana war der Weg- und Straßenrand voller Müll. Wir sprachen später noch mit einem der amerikanischen Voluntaries in unserer Nazarether Herberge darüber und er sagte uns, dass sie vor kurzem jede Menge Müll entfernt hätten und sogar der israelische Tourismusminister da gewesen war und versprochen hatte, sich hier einzusetzen. Das Ergebnis war ernüchternd, insbesondere der Ort Mashhad kurz vor Cana ist eine einzige stinkende Müllhalde. Ich werde diese im Süden sehr verbreitete Mentalität, dass die Natur ein Feind ist und daher vermüllt werden darf nie verstehen. Was auch interessant auf dem Weg war: Den ersten israelischen Juden haben wir erst am Nachmittag des dritten Tages getroffen. 25% der Bevölkerung in den nichtbesetzten Gebieten in Israel sind Araber. Mit den besetzten Gebieten wären es noch wesentlich mehr. Kein Wunder, dass Israel denen keinen Staatsbürgerstatus geben will. Die Araber, die das Glück haben auf israelischem Territorium zu wohnen, sind nicht nur voll stimmberechtigte Bürger, sie haben sogar noch wie die Orthodoxen keine Militärpflicht. Ich glaube, die fühlen sich in Israel recht wohl, da der Lebensstandard höher, das Land wegen guter Bewässerungstechnik fruchtbarer und die Infrastruktur besser ist als in den arabischen Anrainerländern.

(Die Liste aller seit dem 1. Februar ausgewählten 230 Stücke ist hier.)

1:46 Lansing-Dreiden – Dazzle Magic (2006)

Oktober 26, 2010

Dazzle Magic beschreibt die Musik des amerikanischen Künstlerkollektivs Lansing-Dreiden, dessen Mitglieder bis heute namentlich unbekannt sind, sehr gut. Es bedeutet nämlich eine Kombination aus Blendwerk und Zauber und was sie da in ihren diversen Alben abgefeuert haben in den letzten Jahren war zwar nie besonders neu, aber es klang mindestens genauso schillernd wie das Alte, ich denke da an diverse Musiken aus den Siebzigern und zwar zuallererst an Glam Rock, von dem sie sich offensichtlich haben inspirieren lassen. Bei dem Titel muss ich gerade auch an den auf dem Wasser wandelnden Jesus denken. Am Sonntag schwebte ich noch in Ein Gedi im Toten Meer bei weit über 30 Grad. In senkrechter Position guckte der Oberkörper in etwa bis zur Brust raus. Aus der Ferne hätte es so aussehen können als wäre ich durch das Wasser gelaufen. Schwenk. Ich habe ja bis heute nicht verstanden, warum die Siesta von kaum einem Unternehmen für seine Mitarbeiter angeboten wird. Noch besser wäre allerdings der Nachmittagsschlaf auf dem Rücken in einer Salzlösung. Etwas entspannenderes kann ich mir nicht vorstellen.

(Die Liste aller seit dem 1. Februar ausgewählten 229 Stücke ist hier.)

2:45 Fehlfarben – Gottseidank nicht in England (1980)

August 16, 2010

Und wenn die Wirklichkeit dich überholt,
hast du keine Freunde, nicht mal Alkohol,
du stehst in der Fremde, deine Welt stürzt ein,
das ist das Ende, du bleibst allein.

So schwer ist mir die Wahl noch nie gefallen, die Anzahl der exquisiten Musikstücke mit 2 3/4 Minuten Länge auf meinem iPod ist Legion. Aurora Borealis von den Meat Puppets z.B., eines der luzidesten Instrumentals überhaupt. Oder das erfrischende Gilles von dem Bretonen Miossec, oder das intime Spät von Tom Liwa. Oder Humor Me, einer der melodischsten Songs von Pere Ubu. Oder Southwood Plantation Road von der eine Beziehungskatastrophe ausmalenden Tallahassee der Mountain Goats. Oder wie Hille Perl was von Marais auf ihrer Kniegeige spielt. Oder Unhappy Birthday von wem wohl? Oder. Oder. Oder.

Ich überlege gerade, was ich 1980 so gemacht habe, wenn ich mich recht erinnere, ging das Jahr los mit unserem (David aus England plus Freund? plus mein Vater plus ich) 50 Kilometer-Langlaufmarathon von Kaprun nach Mittersill und zurück bei -15 Grad und saukaltem Gegenwind. Windchilltemperatur garantiert -25. Die erste Stunde waren meine Hände eiskalt gefroren obwohl sie in dicken Lederfäustlingen versteckt waren. Aber irgendwann hat sich die Körperbewegungswärme gegen die Außenkälte dann durchgesetzt, in der Gruppe wollte und konnte ich mich nicht blamieren, und meine Hände sind aufgetaut. Im Sommer war ich dann, glaube ich wieder mit David und zweien seiner Freunde im Schwarzwald und wir sind von einer Jugendherberge zur anderen gezogen. Freiburg, Titisee, Schluchsee, Ulm, Memmingen etc. Auf der ersten Etappe über den Feldberg hat es den ganzen Tag geregnet und meine Jeans war so nass, dass sie bestimmt 2-3 Kilo gewogen hat und erst nach Ewigkeiten wieder getrocknet ist. Das war die Zeit als es in Danzig mit Walesa und der Solidarnosc losging. Lustigerweise hatten wir auf unserer diesjährigen Jakobswegteilsteckenwanderung auch einen Tag mit Dauerregen. Von Varaire nach Cahors. Mit 35 km eine der längsten Etappen. Wir sind einfach durchgegangen durch den Wald mit zwei Pausen in Scheunen, wo wir uns unterstellen konnten, von 8 Uhr bis 14 Uhr. Ansonsten hätten wir uns erkältet. Nach 25 km war Schluss mit dem Regen, die Funktionsklamotten sind ratzfatz getrocknet und wir sind die letzten 2 Stunden in der Sonne nach Cahors. Die Aussicht von oben hinunter auf den Ort, der vom Lot wie von einem U umflossen wird, allein war es wert. Der Abstieg war allerdings Gift für meine Knie. Wieso schreib ich das alles? Weil ich auch mal was erzählen will.

Jetzt habe ich nichts über das Lied geschrieben. Das macht glaube ich nichts, da es für sich spricht. Einfach laut aufdrehen und die Zeitmaschine transportiert euch dreißig Jahre zurück. Und mithilfe der Coda gelingt dann wieder der Sprung zurück ins heute. Es klappt, glaubts mir.

(Die Liste aller seit dem 1. Februar ausgewählten 170 Songs ist hier.)

Die Grenzen meiner Welt

August 10, 2010

In Anlehnung an Mek Wito eine geraffte Übersicht meiner ganz persönlichen vier geographischen Extrempunkte.

Norden:
Bollnäs, Schweden (61° 21′ N, 16° 24′ O)

Westen:
Ocean Beach, San Francisco, CA, USA (37° 45′ 34″ N, 122° 30′ 39″ W)

Osten:
Nevşehir, Kappadokien, Türkei (38° 37′ 35″ N, 34° 42′ 50″ O)

Süden:
La Restinga, El Hierro, Kanaren, Spanien (27° 38′ 27″ N, 17° 58′ 48″ W)

Ultreïa

August 2, 2010


Bevor es hier mit dem normalen Programm weitergeht, eine der beiden musikalischen Entdeckungen unseres diesjährigen Jakobswegteils. Das bekannteste Pilgerlied, gezupft und gesungen in der Herberge von Carrión de los Condes. Wir haben es in der Abtei von Conques vor dem Abendessen gesungen. Ultreïa heißt so viel wie „immer weiter“ (gehen) und „immer höher“ (im geistig/seelischen Sinne kommen). Das Wort rief uns auch ein illuminierter Rückkehrer aus Santiago zu, der uns auf der alten Eisenbahntrasse kurz vor Éauze morgens entgegenkam. Er sah aus wie ein Indianer mit seinem Federschmuck am Pilgerstab, den seltsam flattrigen, orangenen Kleiderfetzen am Leib, den Sandalen und dem auf den Rücken geschnallten aus Weide geflochtenen Korb mit seinem restlichen Gepäck (hauptsächlich dreckige Wäsche wie mir schien).

Hier noch der Text des Liedes:

Tous les matins nous prenons le chemin,
Tous les matins nous allons plus loin.
Jour après jour, St Jacques nous appelle,
C’est la voix de Compostelle.
Ultreïa ! Ultreïa ! E sus eia Deus adjuva nos !
Chemin de terre et chemin de Foi,
Voie millénaire de l’Europe,
La voie lactée de Charlemagne,
C’est le chemin de tous mes jacquets.
Ultreïa ! Ultreïa ! E sus eia Deus adjuva nos !
Et tout là-bas au bout du continent,
Messire Jacques nous attend,
Depuis toujours son sourire fixe,
Le soleil qui meurt au Finistère.
(Paroles et musique Jean-Claude Benazet)

3:00 The Feelies – On the Roof (1986)

Juli 5, 2010

Stop for a while
Talk about it

Mit diesem dichten, aber luftig gewebten Gitarrenklangteppich beginnt mein Lieblingsalbum der Feelies, die man allein schon wegen des Covers der ersten Platte wo sie so herrlich nerdig rüberkommen, liebhaben muss. Natürlich schreib ich das nur weil mich heute jemand wegen der beiden Stifte in der Brusttasche meines kurzärmligen Hemds mit diesem schönen, urdeutschen Adjektiv belegt hat. In der letzten Minute des Songs passiert etwas, das ihn aus meiner 3’00“-Shortlist, in der außerdem noch Lloyd Cole’s glorreiches Why I Love Country Music und das melancholische Une Chanson du Crépuscule von den Montgolfier Brothers drin waren, herausstechen lässt. Ich glaube, es ist ein Taktwechsel, eine Beschleunigung des Rhythmus, eine stärkere Betonung der einzelnen Noten, jedenfalls bekommt das Lied plötzlich diesen Twist ins Metaphysische, auf einmal kann ich meine Lippen nicht mehr verschließen, ich muss die Melodie mitpfeifen bzw. versuchen, sie mitzupfeifen. Sie ist in mir übergelaufen, so dass ich sie nicht mehr für mich behalten kann, sie muss einfach raus. Do you know what I mean? Bis Ende Juli mach ich jetzt erst einmal Pause hier, zum einen habe ich diese Woche noch soviel zu tun, dass ich voraussichtlich keine Zeit zum Bloggen mehr haben werde, zum andern sind wir ab Samstag für drei Wochen auf dem Jakobsweg von Le Puy en Velay im Zentralmassiv nach Aire sur l’Adour in den Landes, wo wir vor drei Jahren losgegangen sind nach Santiago. Das heißt also, dass es in diesem Programm, wenn alles gut geht erst wieder am 2. August weitergeht. Außerdem wollte ich mich eigentlich noch bitterlich beklagen, dass dieses Blog in den letzten fünf Monaten quasi völlig resonanzlos geblieben ist. Aber dann habe ich es mir noch einmal anders überlegt. Im Grunde schreibe ich ja sowieso nur für mich selbst. Ansonsten hätte ich schon vor Jahren mit der Bloggerei aufgehört.

(Die Liste aller seit dem 1. Februar ausgewählten 155 Songs ist hier.)

Einen Schritt für jeden Berliner

Juni 8, 2010

Eine Slideshow (Artikel dazu) zur Einstimmung auf unsere Jakobswegfortsetzung im Juli. Wir wollen 580 Kilometer auf der Via Podiensis von Le Puy nach Aire sur l’Adour gehen, wo wir vor drei Jahren (etwas runterscrollen) gen Santiago aufgebrochen waren.

Vom Gehen

Januar 14, 2010

Heute mittag beim Gang zum Bockenheimer Markt plötzlich dieses Gefühl ganz im Gehen aufzugehen. Die Erfahrung der Schritte als musikalischer Rhythmus, als Beat. Die Regelmäßigkeit und Rundheit der Bewegung. Die Leichtigkeit, das Schweben der Beine in der Luft und das anschließende Aufsetzen der Füße auf den Boden, die Erdung. Dann das Treffen von Leuten, das aus dem Weg gehen, wer geht zuerst zur Seite? Da noch recht viel Schnee lag, waren die Gehwege nicht vollständig geräumt so dass oft nur Platz für eine Person war. Die größere Rücksichtnahme insbesondere der Autofahrer auf die Fußgänger. Sie halten an Zebrastreifen, an denen sie sonst nie halten wüden. Städte kann man nur erfahren im Gehen. Und die Landschaften zwischen den Städten natürlich auch nur. Man ist nur dort gewesen, wo man auch gegangen ist. Reisen mit anderen Hilfsmitteln sind im Grunde Täuschungen, man meint von A nach B geflogen zu sein, aber im Grunde ist man in A geblieben und nie in B angekommen. Man kann gar nicht in B ankommen weil der Geist in der kurzen Zeit gerade mal in die Trabantenstädte von A vordringt.

Reminiszenzen an den Jakobsweg

August 2, 2009

Auf den letzten hundert Kilometern hinter Sarria waren so viele Leute auf dem Camino, dass man sich wie ein Massentourist vorkam. Begrüßungen wurden nicht mehr erwidert, Kontaktaufnahme fand nicht mehr statt. Man versuchte, sich soweit wie möglich zu ignorieren. Im wahrsten Sinne des Wortes, aus dem Weg zu gehen. Der Mensch braucht halt seinen Freiraum, um andere Menschen zu schätzen. Mit anderen Worten, wir haben kaum noch mit Leuten gesprochen, die wir nicht schon vorher kannten. Und das waren schon relativ wenige.

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Wieder einen verrückten Frankokanadier kennengelernt. Er war 64, gerade im Ruhestand Anfang Juni in Orléans losgewandert, mit uns am 22. Juli in Santiago eingelaufen. Mit einem unglaublich starken kanadisch-französischen Akzent. Ich kam mir immer vor als wäre ich mit der Zeitmaschine ins 17./18. Jahrhundert versetzt, wenn er sprach. In Québec benutzen sie noch viele Worte von damals und sprechen sie auch so aus wie vor 300 Jahren. Zum Teil so wie man spricht, also das ai in „affaire“ wie ei und nicht wie ä. Ich liebe diesen schrägen Akzent auch wenn ich oft nur die Hälfte verstehe.

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Nach einem längeren Anstieg verspürt man plötzlich ein laues Lüftchen. Der Gipfel ist fast erklommen. Der Wind begrüßt den Gipfelstürmer schon mal und trocknet die schweißtriefenden Klamotten. Was für eine Wohltat. Allein wegen dieser kurzen befreienden Momente hat sich der Weg gelohnt.

Jakobsweg-Ausklang

Juli 30, 2009

Vorgestern morgen um 8 Uhr im Bus vom Plaza de Galicia, Santiago de Compostela auf einer Ausfallstraße nach Osten zum Flughafen. Hinter uns eine deutsche Familie: Vater (etwa in meinem Alter), Mutter und drei Kinder. Zwei Söhne ca. 14 und 16, eine Tochter um die 11. Aus Rheinland-Pfalz. Zwischen dem jüngeren Sohn und dem Vater entspinnt sich ein Dialog.

S: Ich frag mich, ob wir da gerade über den Tennisball gefahren sind, der vor uns auf die Straße gerollt ist. Das war ganz knapp. Ich glaube ja.
V: Dem Bus macht so ein Tennisball nichts.
S: Aber dem Tennisball!
V: Der Trend geht zum Zweittennisball. Die Spieler haben ja immer mehrere Bälle in der Tasche, so dass sie immer einen Ersatzball haben, wenn der erste ins Aus gegangen ist. So ein Tennisball ist bis zu 160 Stundenkilometer schnell. Der geht schnell mal ins Aus.
S: Und beim Squash? Wie schnell ist da der Ball?
V: Das weiß ich nicht, aber beim Squash sind die Wege ja viel kürzer, da muss der Ball nicht so schnell sein.

Das ging dann noch ewig weiter über andere Themen, z.B. die Pilgerbrüder, die wir am Straßenrand wandern sahen, die angeblich nach Leon und noch irgendwo anders hin „per Anhalter“ fahren sollten (hab nicht so genau hingesehen, eventuell hatten die Schilder), der Vater wusste über so ziemlich alles Bescheid und war dadurch auch etwas besserwisserisch, ich als außenstehender Lauscher empfand das aber nicht als störend. Ich hab ihn und seine so heil erscheinende höchstwahrscheinlich recht katholische Familie irgendwo bewundert. Noch physisch in Santiago wurde ich so geistig bereits in den Hunsrück teleportiert.

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Ich werde danach gefragt, ob ich nun die Erleuchtung gefunden habe. Hab ich nicht. Jedenfalls nicht im landläufigen, platten, endgültigen Sinne. Nur so ein paar winzigkleine Einsichten. Noch kleiner als unsere kleinen Schritte von im Schnitt 85 Zentimeter, die in ihrer millionenfachen Sequenz ziemlich weit nämlich gut 1000 km von Aire sur l’Adour nach Muxía geführt haben. Auch wenn ich an ein Ziel gekommen bin, zuerst in die Kathedrale von Santiago de Compostela, wo mir das qualmende 50 Kilo schwere Botafumeiro fast gegen die Stirn geschwungen wäre, dann an den Atlantik am Cabo Fisterra, wo es per pedes wirklich nicht mehr weiter geht. Wenn ein Weg zu Ende ist, dann beginnt ein neuer. Ans Ziel gelangt man nie. Die wichtigste und folgenreichste Erkenntnis vielleicht: Der Camino ist jetzt in mir. Ich krieg ihn aus meinem System nicht mehr raus. Nicht dass ich das wollte. I have been hooked. So wie die mittelalte, gläubige, deutsche Pilgerin, die wir mit ihrem Mann letztes Jahr vor Pamplona Burgos trafen über ihn sagte: „Der ist für jeden anderen Urlaub verdorben, der kann nur noch pilgern. Jeder andere Urlaub wäre viel zu ereignislos und langweilig für ihn.“ Wobei ich mir noch nicht sicher bin, ob es nächstes Mal unbedingt ein anderer der vielen Jakobswege sein muss oder es nicht vielleicht zum Beispiel auch der Rheinsteig von Bonn nach Wiesbaden sein könnte. Und noch was scheint sich immer mehr festzusetzen in mir. Wir gehen immer noch viel zu schnell. Wir sollten noch viel langsamer gehen, dass wir noch mehr fühlen, sehen, riechen und hören von der Natur und Kultur um uns herum. Man kommt so leicht in einen süchtig machenden Trott, der einen zwar geographisch weiterbringt aber nicht unbedingt innerlich. In dem Zusammenhang kaum noch erstaunlich, dass fast alle auf dem Camino noch hablbwegs normal gehen weil sie den Schmerz in den Füßen und Beinen aufgrund der im Hirn ausgeschütteten Neurotranmitter nicht mehr spüren, ihn quasi totgetreten haben, abends jedoch auf den Straßen in den Etappenorten sofort aufgrund ihres Ganges erkennbar sind weil fast alle lahmen und hinken. Kurze Wege gehen nicht mehr. Die Füße sind zum Dieselmotor geworden. Sie wollen laufen und laufen und laufen. In dem Zusammenhang natürlich die Theorie der unnötigen Pause. Pausen sollte man nicht machen, denn danach dauert es schmerzlich lange bis man seinen Tritt wieder gefunden hat. Stimmt nicht ganz aber die Länge der Pause sollte man sich schon überlegen. Das ist so wie mit der Siesta: Über eine halbe Stunde macht einen anschließend nur noch fertiger.

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Juli 6, 2009

blogge momentan eigentlich nur noch wörter im kompetenzteam.

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gestern kommt mir nach fast einem jahr die idee, jean eine e-mail zu schreiben. jean hatten wir vor einem jahr auf dem jakobsweg getroffen und seine füße waren schon nach wenigen tagen voller schwären. abends nach dem tagesmarsch torkelte er wie ein betrunkener. war in neuen schuhen unterwegs. natürlich ohne einlagen obwohl er mindestens so schlimme knick-, senk- und spreizfüße hatte wie ich. sein glückseliges lächeln machte ihn zu einem, der die erleuchtung auf dem weg gefunden zu haben schien. wir trafen ihn kurz hinter logroño am ersten tag und verabschiedeten uns in villafranca del bierzo drei wochen später. wir waren mehr oder weniger synchron gelaufen. anschließend war er mit zwei anderen pilgern bis santiago gegangen und wir waren wieder zurück gefahren. ich schicke ihm also eine e-mail mit zwei bildern und der frage wie es ihm so geht und eine knappe stunde später kommt die antwort. er ist 12 km hinter logroño und geht den jakobsweg ein zweites mal, dieses mal mit seiner frau, die im dritten monat schwanger ist. sie fliegen am 23. juli wieder zurück nach québec. können also nicht alle etappen machen, müssen etwas bus fahren. der witz ist, dass wir nach unserer planung am 22. in santiago ankommen werden, d.h. also wir gehen wieder synchron, was für eine koinzidenz. wir werden sie höchstwahrscheinlich treffen.

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bandwagonesque vs. loveless vs. nevermind. bandwagonesque for me. as in the beginning it just sounded bland and dull. then i heard the melodies. and at the end the noise. loveless was from the beginning on the perfect marriage of noise and melodies. melodies in the mud of looped noise.

barry white

Mai 23, 2009

in diesem plattenladen in new york, in greenwich village, ganz in der nähe von the strand, dem riesigen buchladen, wo sie mich wegen meines rucksackes, den ich nicht durchchecken lassen wollte, nicht reinlassen wollten, da lief eine schallplatte, die mich total umgehauen hat, sie war vom love unlimited orchestra, von barry white, dem alten schwerenöter aus den siebzigern, in denen ich aufwuchs, um genau zu sein aus dem jahr 1974, und das beste war, auf der platte sang keiner weder barry white mit seinem ultrabass noch die mädels vom orchestra, die platte war rein instrumental. und ich habe mich unsterblich verliebt in sie. barry white ohne die stimme, das hat was. ich hör die scheibe gerade auf meinem lausigen halbautomatischen plattenspieler von vor 20 jahren. hört sich scheiße an, so eindimensional blechern, ohne bässe, kann auch an den englischen boxen liegen, vielleicht hätt ich ja statt der platte die anlage in dem laden in new york kaufen sollen.

[muss gerade ganz fürchterlich über den namen lachen. white? schwärzer als barry white, geht das überhaupt?]

nyc war toll, aber ich krieg den post nicht gebacken

Mai 19, 2009

heute morgen vorm joggen hatte ich einen puls von 33. wenn das so weitergeht, dann erwartet mich in elf tagen das nirvana. ansonsten will ich unbedingt was über new york schreiben bevor ich wieder alles vergessen habe, eine woche im big apple geht nicht spurlos an einem vorbei. you can call it liebe auf den zweiten blick. 1979 rannte ich im heißen juli durch greenwich village – wo eigentlich nix zu sehen war – und war glaube ich im natural science museum, ein tag, der kaum hängen geblieben ist. nur an die knapp einstündige fahrt vom see in connecticut mit robert, der in meinem alter war, erinner ich mich noch ganz gut. er fuhr glaube ich den bug – beetle sagte damals niemand in den usa – nicht den straßenkreuzer, im radio viele worte und werbung, der morgen hatte noch diese erfrischende kühle, die ihm im sommer noch einen zusätzlichen vorteil gegenüber den anderen tageszeiten beschert. cut. vorhin mal wieder „on the beach“ gehört – da gibt es einen ilm thread drüber was das beste lied auf der platte ist – und die story über die honey slides gehört. also das titellied und „motion pictures“ sind so ziemlich die besten lieder, die gras und honig so hervorgebracht haben. lässiger geht nicht mehr. und das schönste ist, diese backmischung nimmt man oral ein, lungenzüge braucht sowieso kein mensch. wieso ich so derartig over the top bin these days, ist mir auch schleierhaft. weil die zwei monate abstinenz vorbei sind? weil ich immer noch den kick vom fliegen habe? weil der jetlag noch wirkt und mich aufputscht? weil ich heute zweimal sport getrieben habe? weil ich jetzt wieder morgens meinen liter tee trinken kann? wegen der nachmittag-kaffees im büro? oder sind es die altoids? no clue whatsoever. schon viertel vor eins, jetzt aber ab in die heia.

Wanderlust

März 19, 2009

Heute morgen war Frühling. Es war schon früh hell, die Sonne konnte ungehindert auf Niederhöchstadt hinunterscheinen heute morgen. Von den Temperaturen her war es immer noch kühl, so um die fünf Grad, aber das sind nur noch Rückzugsgefechte des Winters. Er hat eigentlich keine Chance mehr, es ist sozusagen seine Ardennenoffensive. Was ein Bullshit, egal. Jedenfalls wurde mir heute morgen klar, was das Problem an unserer Jakobswegbegehung ist. Für diejenigen, die dieses Projekt nicht verfolgt haben: Wir wanderten im Sommer 2007 in Aire sur l’Adour los und kamen in zwei Wochen bis Logroño, der Rioja-Hauptstadt. Letztes Jahr gingen wir von dort in drei Wochen u.a. durch die Meseta bis nach Villafranca del Bierzo. Von dort haben wir noch knapp zehn Tage nach Santiago und dann noch ein paar Tage bis nach Fisterra zum Atlantik. Ein großes Rätsel für mich war, dass die Etappe letztes Jahr viel weniger eindrucksvoll als unsere ersten Schritte 2007 gewesen ist. Und es schwante mir schon vorher, dass es mit dem unvermeidlich näher kommenden Ziel zu tun haben könnte. Ich habe jetzt eine neue Idee. Anstatt in Villafranca weiterzumachen und über die galizischen Berge zu ziehen, könnten wir doch ganz von vorne anfangen. In Frankfurt. Das könnte dann so aussehen:

  • Frankfurt/Main – Konstanz: Fernwanderweg E1 mit dem Andreaskreuz, 600 Km, ca. 26 Tage
  • Konstanz – Genf: Jakobsweg Schweiz, 18 Tage
  • Genf – Le Puy, Via Gebennensis, 16 Tage
  • Le Puy – Aire sur l’Adour, 23 Tage

Summa summarum 83 Tage mit den zwei Wochen Villafranca bis Atlantik noch 97 Tage. Wenn man davon ausgeht, dass wir im Schnitt maximal 2 1/2 Wochen Urlaub pro Jahr für diesen Spaß übrig haben, dann reicht das auf jeden Fall bis 2014. I am stretching it, I know.

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März 6, 2009

Da hatte einer dieselbe Idee mit den Siebzehnsilbengedichten. Dem Ort angemessen schrieb Durs Grünbein seine japanischen Reisetagebücher Lob des Taifuns in Haikuform.

Centro de Interpretación del Julán – Los Letreros

Februar 26, 2009

Rast am Tagoror
Zwei große Vögel kreisen
Krächzende Krähen

El Mocanal – Pozo de las Calcosas

Februar 25, 2009

Nach dem steilen Teil
Nur noch ein sanfter Abstieg
Doch ihm reicht es jetzt

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Unten Sonnenschein
Beim Aufstieg kein Tröpfchen
Oben ist es nass

El Julán

Februar 25, 2009

Der erste Radler:
Ein gebräunter Norweger
ist vor uns am Ziel

Hoya del Morcillo – Mercader

Februar 24, 2009

Ein junges Pärchen
kommt den Barranco runter
dank Geocaching

San Andrés – Las Montañetas

Februar 23, 2009

Der dürre Schimmel
steht eingepfercht im Schatten
auf der Meseta

Carneros in Tigaday

Februar 23, 2009

Sie holen mich ein
Die Männer im Hammelfell
Au, schwarze Backe
(22.2.)

Ermita de los Reyes – Mirador de Bascos

Februar 22, 2009

Errötet sagt sie:
„So eine schöne Natur
Müssen Sie sehen!“

Frontera – Mirador de Jimana

Februar 21, 2009

Am Fuß des Weges
Die Bäckersfrau mit dem Brot
ein Himmelsgeschenk

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Wiedergetroffen
Die spanischen Wanderer
Jetzt steigen sie ab

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Das Taxi wartet
oben auf einen Wandrer
Es ist seine Frau

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Weicher Waldboden
Der Abstieg ein Fußbalsam
Nervend: Die Falter

Valverde – Tamaduste

Februar 20, 2009

Der Himmel reißt auf
Rechts taucht La Gomera auf
Links liegt La Palma

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Geschminkte Kinder
singen, tröten und trommeln.
Carnaval. Tschüss, Fleisch.

El Pinar – La Restinga

Februar 19, 2009

Der Hirte schnalzt
Die großeutrige Ziege
springt aus der Linse

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Von uns aufgeschreckt
Ein Paar Felsenhühner
Sie flattern davon

El Lunchón – Las Puntas

Februar 19, 2009

Ein Gekreisch hebt an
Ich steige auf die Mauer
Kein Vogel zu sehn
(15.2.)

Sabinosa – Playa de Verodal

Februar 18, 2009

Sieh da die Welle
den weißen Kamm geschwollen
überschlägt sie sich

Valverde – Mirador de la Peña

Februar 18, 2009

Die Passatwolke
vor der Steilwand löst sich auf
Die Aussicht ist tief
(17.2.)

cu l8er

Februar 14, 2009

I will be on Hierro for the next two weeks. Updates are possible but not very probable. If you don’t know El Hierro, it is the smallest and most Western Canarian island. The highlands are very green and often foggy like in Scotland, in the South the sun is burning hard, it is volcanic and rather dry. No other island I know has such a lot of climatic variation on such a small area. A dream island.

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Januar 26, 2009

The title-page up there is a photo of the rising sun as seen from an airplane on December, 21st. We were flying to Girona. It was the flight which took off 6h40 in Hahn in the Hunsrück. We had gotten up just before four o’clock and I got flashed at 4h26 on the motorway bridge over the Rhein in Wiesbaden with an excess speed of 20 km per hour. I was lucky, only 30 euros and no „points“. Just thinking of all that, isn’t December, 21st the shortest day of the year? The photo of the sunrise was taken just after we arrived at the Mediterranean. We were sitting on the left side. I remember that there was a city at the coast. Maybe Nice? Or San Remo? It was not too far away from the Alps. I didn’t ask, I should have. When the plane arrived above the Mediterranean it turned right. I was totally mesmerised by the different shades of red and orange. I don’t remember seeing the sun rise. When we arrived in Girona it was bright day. And pretty cold too, just above zero degrees.

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Januar 24, 2009

Chatwin war wie Fermor ein leidenschaftlicher Fußgänger. Er war fest davon überzeugt, dass Gehen nicht einfach nur einen therapeutischen Wert besitze, sondern eine poetische Handlung sei, welche die Welt von ihren Übeln heilen könne. (Quelle)