Mitten durchs Gehirn
mit Bolzenschussapparat
hindurchgeschossen
Weihnachtsgeschichten
Gogol, Baum, T. Mann, Dickens
Böll heiß diskutiert
Killing an Arab
Von der Sonne geblendet
Zum Tod verurteilt
[François Ozon – L’Etranger (Camus), 5 aus 5]
Ein Trauerspiel mit
sechsunddreißig Darstellern
Die Hauptperson fort
[Jon Savage – Sengendes Licht, die Sonne und alles andere. Die Geschichte von Joy Division]
Die Deutschen hätten
vorrücken sollen, Paris
(dann) nehmen können
[Ulrich Wickert – Salut les amis – Meine Geschichte der deutsch-französischen Beziehungen in Denkanstöße 2026, ein haikufiziertes Zitat seines Großvaters]
Theatergruppe
stolpert durch den Regenwald.
Es wird abgeschweift.
Möglich, doch sinnlos
Ein Leben ohne Gehen
Daher raus. Sofort!
[Robert Walser – Spazieren muss ich unbedingt. Vom Gehen über Stadt und Land]
Die Badewanne
zum Überschwappen gebracht
Nasse Buchseiten
Künstler entdecken
einzigartige Landschaft
in Frühromantik
Reizend ist es, still und gemächlich übers Land zu gehen und von ernsten, starken Bäuerinnen freundlich gegrüßt zu werden. Ein solcher Gruß tut wohl wie der Gedanke an die Unvergänglichkeit. Es öffnet sich ein Himmel, wenn Menschen freundlich miteinander sind.
[Robert Walser – Herbstnachmittag]
Im ganzen Leben
Eine Stunde Seligkeit
Ist das nicht genug?
[Fjodor Dostojewski – Weiße Nächte]
Ein Haus, zwei Frauen
Beim Tanzen eingeschlafen
Sprudelnd vor Worten
[Dörte Hansen – Altes Land]
„Sie findet den Mund nicht,“
schmatzt trotzdem mit den Lippen,
„krallt sich an mir fest.“
[Annie Ernaux – Ich komme nicht aus der Dunkelheit heraus]
Eintausend Meilen
längs durch Großbritannien
Parkinson fuck off!
[Raynor Winn – Über Land]
Sofort mittendrin
Schatten der Vergangenheit
Die Rollen vertauscht
[Tara Meister – Wakaschu oder, Bachmannwettlesen 2025]
Mit Kopf durch die Wand
Eine Stunde von New York
Wölfin zeigt den Bauch
[Hélène Grimaud – Wolfssonate]
Eine Rundreise
ums Mittelmeer aus über
zwanzig Blickwinkeln
[Das weiße Meer. Erkundungen des Mittelmeers (Anthologie)]

In Cold Blood ist Truman Capote’s Hauptwerk, es ist eine Fleißarbeit der Recherche, basierend auf vielen Interviews mit den Betroffenen, die zum großen Teil mit ihren realen Namen genannt werden. An einem Sonntagmorgen, dem 15. November 1959 werden in Holcomb, einem Kaff in West-Kansas vier Mitglieder einer angesehenen Familie in ihrem Farmhaus tot aufgefunden. Geld bzw. Wertgegenstände fehlen so gut wie keine. Was ist da passiert? Gleich von Anfang an weiß der Leser, wer es gewesen ist, zwei vor kurzem entlassene Sträflinge, Dick und Perry. Ihre durch ungedeckte Schecks finanzierten Road Trips werden in kurzen Passagen wie in einem Film gegen geschnitten zu der Entdeckung des Massakers und der Geschichte der Familie und ihrer Bekannten sowie den Nachforschungen. Das Kansas Bureau of Investigation übernimmt mit einem Stab von 18 Mann die Ermittlungen. Die eng bedrucken rund 300 Seiten sind in etwa vier gleichlange Teile gegliedert: I Die sie als letzte sahen, II Täter unbekannt, III Antwort und IV Die Ecke.
Bis zum Schluss bleibt es spannend, obwohl der Leser ahnen kann, wie es ausgehen wird. Die ersten vier Zeilen aus François Villon’s Ballade der Gehängten stehen dem Buch vor. Und trotzdem bleibt am Ende mindestens ein großes Mysterium. Mich hat das Buch von Seite eins an gefesselt, weil ich gespürt habe, dass das nicht ein herkömmlicher Krimi ist, sondern beunruhigend authentische und tiefe Einblicke in die Seele von Kriminellen und wie sie dazu geworden sind, erlaubt. Beide Täter wurden von Capote ausgiebig befragt.
Die in den Plot eingewobene Werbung für Pfandbriefe und Kommunalobligationen, die Anfang der Achtziger Usus war bei rororo, hat mich zurück gebeamt in meine Jugend.

Ganz am Schluss des sogenannten „wahrheitsgemäßen Berichts“ trifft der Hauptermittler auf dem Friedhof von Garden City, wo die vier ermordeten Familienitglieder beigesetzt sind, auf die Schulfreundin der getöteten Teenager-Tochter und unterhält sich mit ihr. Dass das ein schönes, aber erfundenes Ende ist, hat mir beim Lesen sofort geschwant. Nicht alles, was hier geschildert wird, hat sich wirklich so zugetragen, Capote hat durchaus seine künstlerische Freiheit genutzt, was der Qualität des Buches m. E. jedoch keinen Abbruch tut.
5 Sterne
P. S. Es spricht nicht für den Menschen Capote, dass obwohl er sich mit dem Mörder Perry Smith während der vielen Gespräche im Gefängnis angefreundet hat und nach eigener Aussage Mitleid gegenüber ihm empfunden hat, er keinerlei Gnadengesuch für ihn gestellt hat. Wenn die Täter nicht gehängt worden wären, wäre das Buch wahrscheinlich weniger erfolgreich gewesen. Auch der Autor war kaltblütig.
Sümpfe statt Gärten
Querfeldein statt auf Straßen
Raus in die Wildnis!
Passing Great Britain
with a horse pulling a cart
towards the Hebrides
[Vashti Bunyan – Wayward: Just Another Life to Live]
He said something that
would change my life forever.
‚Do not hide your light.‘
[Vashti Bunyan – Just Another Life to Live]
Autokorrektur,
welche aus „Peter Handke“
„Peter Hände“ macht
Sie hat es getan
Lang hat sie funktioniert
Erinnerungen
[Peter Handke – Wunschloses Unglück]
Falsche Galgenfrist
Mit Rucksack durch Nacht streifen
Zurück ins Leben
[Rudolf von Waldenfels – In die Nacht]
Ein komplettes Buch
über das Lied River Man
von Nick Drake schreiben
[Ich lese gerade die neue, gut recherchierte „Annäherung“ von Jürgen Goldstein an meinen „traurigen Helden“]
Sonore Stimme
Warum geht er an Straßen?
Plötzlich war er weg
[Wolfgang Büscher liest aus Der Weg bei Ferlemann & Schatzer]
Midwest. Achtziger.
Sechzehn. Endloser Sommer.
Liebe und Abschied.
[Benedict Wells – Hard Land]
Das letzte Mal, als
jemand gegen mein Fenster
Kieselsteinchen warf
[war in München in der 2. Hälfte der Achtziger; es war Klaus aus Berlin, der eigentlich aus Köln kam und den ich beim Interrail im Zug vor Sevilla kennengelernt hatte. Er fuhr schwarz und ließ sich immer rausschmeißen, wenn er erwischt wurde. Ein paar Jahre später sah ich ihn zufällig im Fernsehen im blauen Bademantel bei Tutti Frutti, was mich in dem Moment einerseits überraschte, von ihm andererseits aber auch nicht. Komme gerade drauf, weil ich Hard Land von Dominic Wells zu lesen angefangen habe, wo Kirstie das mit den Steinchen bei Sam macht.]
Seelenstripperin
mit Lebens- und Freiheitsgier
DDR-Erbe?
[Julia Schoch]
Reise mit Kat-Kat
Ziel: Steinhaus des Marabout
Hoggar-Marslandschaft
[Wolfgang Büscher – Der Weg]
Zwei Waldpostkarten,
Kalender, Jahresrückblick,
Beatlesgeschichte
[Dank an Selma, Hulda, Elisabeth & Stefan]
Am Köder zappeln
„Erst erleben, dann schreiben“
Schaler Nachgeschmack
[Julia Schoch – Wild nach einem wilden Traum]
Mit scharfen Sinnen
durch Zwielicht und Dunkelheit
Der Hund mit dabei
Altpapiertonnen
Tauchen nach Bücherschätzen,
Briefkonvoluten
Zikadengesang
Die Erde atmet im Schlaf
In Mauerritzen
[nach Michael Endes Momo, geborgen aus dem Bücherschrank]
Bücher, Vehikel,
mit dem Geist vorzustoßen
in andre Sphären
nur noch frühmorgens
konzentriert lesen können
abends wegpennen
Gehen und Schreiben
Fuß- und Handbewegungen
Langsame Rhythmen
[Von Wegen und Umwegen (Anthologie)]
Sie pflegt ihn zuhaus
Das Babyphone Nabelschnur
Der morgende Tag
[Helga Schubert – Der heutige Tag]
Toxische Liebe
Teenie und Fiftysomething
Ein Staat geht unter
[Jenny Erpenbeck – Kairos.]
Sechstausend km
Acht Monate Deutschlandtour
Nächte unterm Tarp
[Gerald Klamer – Der Waldwanderer]
Versprengter Soldat
An Schwelle zur Moderne
Tragische Figur
[Peter Michalzik – Kleist]
Essays zu Moral,
Natur, Wald, Alter, Klima,
Eltern, Mafia…
[Denkanstöße 2024 (Piper)]
Das Leben danach
in den Griff kriegen wollen
Ein Tag im Baumarkt
[Denis Pfabe – Die Möglichkeit einer Ordnung (Bachmannwettlesen]
Der Krieg reißt Wunden
in den Seelen der Menschen,
die nie verheilen
[Tijan Sila – Der Tag, an dem meine Mutter verrückt wurde (Bachmannpreisgewinner)]
Zwei Atemzüge
Der Erste und der Letzte
Lebensleistungen
[Ulrike Haidacher – Schwestern (Bachmannpreis)]
Schwarzweiße Fliesen
Vater kann nicht verlieren
Genie verrennt sich
[Jean-Philippe Toussaint – L’Échiquier]
Les jeux sont faits: Poe,
Kafka, Beckett and Camus
Splendid company
[Paul (Auster) is dead]
Der Blick von außen
„Fichte spricht, bevor sie bricht.“
Überm Nebelmeer
[Paul Scraton – Harzwanderungen. Auf Heines Spuren durch den deutschen Wald.]
Neun Tage spaziert
Sonnenaufgang am Brocken
Die Ilse hinab
[Heinrich Heine – Die Harzreise]
Rund tausend Haiku
Das Lebenswerk von Bashō
Teich. Froschsprung. Platschen.
Wir wachen alle
eines Tages als Käfer
auf dem Rücken auf
Hochsommer am See
Gegen Ende noch einmal
vom Leben kosten
Frau und Kind flüchten
Den Soldaten an der Front
Lieder vorsingen
[Matti Friedman – Wer durch Feuer: Krieg am Jom Kippur und die Wiedergeburt Leonard Cohens]
Perspektivwechsel
Unter halbgeschlossenen
Lidern zublinzeln
[Arne Piewitz alias Henning Venske – Ich war der Märchenprinz]
21.06.1941
Es heißt immer, es sei die Liebe, nach der wir ein Leben lang suchen, oder es sei Ruhm. Es ist keins von beiden. Was wir suchen, ist Verständnis. Wir suchen dauernd ein anderes Herz, das wir anrühren können und das uns anrühren kann. Unermüdlich wie ein ausgehungertes Tier suchen wir danach. Denn unser Herz ist immerzu einsam. Immerzu allein. Und wo immer wir dieses Verständnis auch zu finden meinen, bei einem Mädchen, bei einem Jungen, einem gebrechlichen Greis oder einer alten Schrulle, bei einem Säufer, einer Prostituierten, einem Verrückten, einem Kind, dahin gehen wir, und nichts auf der Welt kann uns zurückhalten.
Patricia Highsmith: Tage- und Notizbücher
Mittendrin schwimmen
in einem Gemälde aus
dem 19. Jahrhundert
Finger auf die Stirn
Ausatmen in Pulsader
Hand auf dem Gesicht
[Atemübung aus Gabriele von Arnim – Der Trost der Schönheit]
Landschaft, Geschichte/n,
Menschen, Tiere, Pflanzen, Sand
südlich von Hamburg
[Claus-Peter Lieckfeld – Heide]