Ich würde so gerne etwas schreiben über das Buch, das mich in meinem Leben am meisten beeindruckt hat. Siddartha von Hermann Hesse. Ich hatte große Angst, es wieder zu lesen. Es muss im Sommer 1981 gewesen sein, als ich es entdeckt habe, ich war um die 18 und ich habe dieses dünne Buch in einem Rutsch runtergelesen. In Moers, draußen im Garten in der Sonne, wenn ich es recht erinnere. Übrigens das einzige Buch von Hesse, das mich jemals gepackt hat. Hesse wurde sonst immer von etwas älteren Hippie-Typen in der Schule während des Unterrichts unter der Schulbank gelesen.
Als ich das Büchlein vor ein paar Tagen wieder zur Hand genommen habe, war ich gleich positiv überrascht. Es hat mich ein zweites Mal sofort mitgenommen auf den Trip. Die Sprache war etwas gedrechselt, aber das war egal. Im Gegenteil, das hat dem Text sogar eine gewisse Aura gegeben. Was mich sehr bald frappiert hat undwasichnach44 Jahren völlig vergessen hatte. Der Brahmane Siddartha und sein Freund Govinda, die sich beide den Samanas angeschlossen haben und den Asketenweg gehen, um leer zu werden, treffen Buddha, aber Siddartha geht weiter, während Govinda bei Buddha bleibt. Der Grund ist einfach. Siddartha interessiert sich nicht für Buddhas Lehre, er interessiert sich eher dafür, wie Buddha seine Erleuchtung gefunden hat, was jedoch im Buch nicht aufgelöst wird. Also verlässt er seinen Freund und Buddha und geht seinen eigenen Weg. Einen Weg, der zurück führt ins Leben, einen Weg der Praxis. Er verliebt sich in eine Kurtisane, die ihn in die Liebe einführt, sie bekommt nach einer Weile ein Kind von ihm. Er wird Kaufmann und genießt das Leben in vollen Zügen, ab einem gewissen Punkt ist er jedoch satt und durchschaut Sansara, den Kreislauf des Lebens, der ihn nie erfüllen wird. Dann wird er zum Fährmann, der den Fluss als Allegorie des Lebens betrachtet und mit ihm spricht. Ab da flacht das Buch ab und mein Interesse schwindet. Außerdem ist es gleichnishaft bzw. parabelhaft geschrieben, wenig konkret, recht abstrakt. Man merkt, dass es mehr ein Gedankenspiel ist, ihm keine reale Erfahrung zugrunde zu liegen scheint. Das hat mich damals nicht gestört. Siddartha kann nach seinen eigenen Worten nur drei Sachen. Warten, denken und fasten. Aber zum Fasten steht wenig in dem Buch, so ein faszinierendes Thema, aber Hesse lässt diesen Acker brach liegen. Er hat anscheinend nie gefastet. Zum Warten und Denken liest man auch kaum etwas. Dazu hatten später Samuel Beckett und Paul Auster – oder vorher Edgar Allen Poe – mehr zu sagen. Alles Kopfgeburten. Diese Inkonsequenz, Kerneigenschaften in den Raum zu werfen und dann in keinster Weise zu präzisieren bzw. zum Leben zu erwecken, ist schon etwas ernüchternd.
Das Verrückte ist, dass ich mehr oder weniger ein Jahr nachdem ich das Buch gelesen habe, meinen Weg gegangen bin. Weg von den Büchern, der Theorie, dem inneren Widerstand gegen das „System“ hinaus in die offene Welt. Das Ziel war Indien, angekommen bin ich dort nie. Es musste sein. Und es hat so gut getan. Sich durchzukämpfen auf dem Rad. Auf dem Autoput in Jugoslawien und dann im gelobten Griechenland in diesem superheißen Sommer. Ohne funktionierende Gangschaltung. Der auf den Anstiegen in die Augen laufende Schweiß, das teuflisch in den Augen brennende Salz, der Stolz, nicht aufzugeben und abzusteigen. Jeden Morgen Feuer zu machen, von wenig zu leben, zu betteln. Für sich selbst verantwortlich zu sein, für Fehler einstehen zu müssen. Leute zu treffen, die ähnlich dachten. Frei zu sein. Jung zu sein. Naiv zu sein. Man selbst zu sein. Das Abenteuer zu suchen und zu finden. Und irgendwie ging es immer weiter, auch wenn die Lage zum Teil schwierig war. Ich will jetzt gar nicht auf Details eingehen, vielleicht später. Aber diese Geschichte, dieser lange Sommer von vier Monaten, hat mir ein unheimliches, inneres Selbstbewusstsein gegeben. Was ich vorher überhaupt nicht hatte. Vorher hatte ich nur die Arroganz des neunmalklugen Besserwissers. Keinem Lehrer zu folgen, war das Beste was ich machen konnte. Der beste Lehrer ist das Leben. Ganz einfach.
Danket dem Herrn, denn er ist freundlich; denn seine Güte währet ewig.
Das ist der erste Vers von Psalm 136; alle 26 Verse hören mit demselben Halbsatz auf. Es wird in diesem Psalm die Geschichte des Volkes Israel erzählt, von der Schaffung des Himmels, der Erde und der Sonne über den Auszug aus Ägypten, das Platz machende Schilfmeer, den Gang des Volkes durch die Wüste, das Erwürgen diverser – ich nehme mal an feindlicher – Könige usw. Für all das wird Gott in diesem Psalm gedankt. Ich danke nun auch mal meiner treuen Leserschaft, die bis jetzt durchgehalten hat, denn der Countdown hat nun wirklich begonnen. In zehn Sekunden bzw. Tagen ist alles vorbei. Was danach kommt, ihr werdet es hoffentlich lesen und hören.
(Die Liste aller seit 1. Februar 2010 ausgewählten 325 Stücke ist hier.)
Die Auswahl war heute sehr übersichtlich, nochmal was von den Faust Tapes und zwei Stücklein von Maher Shalal Baz, nichts wirklich Umwerfendes. Auch dieser Bachchoral reißt mich nicht gerade vom Hocker. Die Titelfrage – und damit der gesungene Text – ist allerdings gelinde gesagt etwas bizarr. Sie wird in der Passion von den Jüngern an Jesus gestellt. Es kann sich hier eigentlich nur um das Passahfest handeln und nicht um Ostern. Denn Ostern gibt es ja erst durch Jesus Auferstehung, also nach seinem Tod. Obwohl, im Christentum ist alles möglich, wenn Jungfrauen Kinder kriegen können, wieso sollte nicht auch Jesus in eine Zeitmaschine in die Zukunft steigen können und ein Fest feiern, dass es erst nach seinem eigenen Tod gibt? Das sollte eigentlich eine Kleinigkeit für ihn sein, denn er ist ja immerhin Gottes Sohn. Ansonsten fällt mir hierzu eigentlich nur noch eins ein: The beat must go on!
(Die Liste aller 310 seit dem 1. Februar 2010 ausgewählten Stücke ist hier.)
Dazzle Magic beschreibt die Musik des amerikanischen Künstlerkollektivs Lansing-Dreiden, dessen Mitglieder bis heute namentlich unbekannt sind, sehr gut. Es bedeutet nämlich eine Kombination aus Blendwerk und Zauber und was sie da in ihren diversen Alben abgefeuert haben in den letzten Jahren war zwar nie besonders neu, aber es klang mindestens genauso schillernd wie das Alte, ich denke da an diverse Musiken aus den Siebzigern und zwar zuallererst an Glam Rock, von dem sie sich offensichtlich haben inspirieren lassen. Bei dem Titel muss ich gerade auch an den auf dem Wasser wandelnden Jesus denken. Am Sonntag schwebte ich noch in Ein Gedi im Toten Meer bei weit über 30 Grad. In senkrechter Position guckte der Oberkörper in etwa bis zur Brust raus. Aus der Ferne hätte es so aussehen können als wäre ich durch das Wasser gelaufen. Schwenk. Ich habe ja bis heute nicht verstanden, warum die Siesta von kaum einem Unternehmen für seine Mitarbeiter angeboten wird. Noch besser wäre allerdings der Nachmittagsschlaf auf dem Rücken in einer Salzlösung. Etwas entspannenderes kann ich mir nicht vorstellen.
(Die Liste aller seit dem 1. Februar ausgewählten 229 Stücke ist hier.)
Hab ich jetzt schon auf Facebook geshared, muss natürlich auch ins Blog:
War gestern beim gutbesuchten NoonSong in der Kirche am Hohenzollernplatz in Berlin-Wilmersdorf. Da gibt es jeden Samstag
mittag eine ca. einstündige Gesangsdarbietung des Vokalensembles
sirventes Berlin (seh gerade, die sind sogar auf Facebook und werden
jetzt gleich von mir geliked), das gestern Werke von Orlando di Lasso
(mein Favorit…, läuft gerade auf der Website), Mendelssohn-Bartholdy,
Palestrina, Stobäus etc. gesungen hat. Dazu gibt es dann noch ein ganz bisschen Liturgie (einen Psalm, eine Mini-Predigt, das Vaterunser). Die eine Stunde Besinnung hat mir gestern sehr gut getan, vor allem die Kirchengesänge aus der Renaissance haben Ruhe und Kraft gespendet. Den Noonsong gibt es seit über anderthalb Jahren und das komplette Archiv aller Werke kann auf der Website in mp3-Form in guter Qualität runtergeladen werden, wenn man sich mit Namen und email registriert.
Bevor es hier mit dem normalen Programm weitergeht, eine der beiden musikalischen Entdeckungen unseres diesjährigen Jakobswegteils. Das bekannteste Pilgerlied, gezupft und gesungen in der Herberge von Carrión de los Condes. Wir haben es in der Abtei von Conques vor dem Abendessen gesungen. Ultreïa heißt so viel wie „immer weiter“ (gehen) und „immer höher“ (im geistig/seelischen Sinne kommen). Das Wort rief uns auch ein illuminierter Rückkehrer aus Santiago zu, der uns auf der alten Eisenbahntrasse kurz vor Éauze morgens entgegenkam. Er sah aus wie ein Indianer mit seinem Federschmuck am Pilgerstab, den seltsam flattrigen, orangenen Kleiderfetzen am Leib, den Sandalen und dem auf den Rücken geschnallten aus Weide geflochtenen Korb mit seinem restlichen Gepäck (hauptsächlich dreckige Wäsche wie mir schien).
Hier noch der Text des Liedes:
Tous les matins nous prenons le chemin,
Tous les matins nous allons plus loin.
Jour après jour, St Jacques nous appelle,
C’est la voix de Compostelle.
Ultreïa ! Ultreïa ! E sus eia Deus adjuva nos !
Chemin de terre et chemin de Foi,
Voie millénaire de l’Europe,
La voie lactée de Charlemagne,
C’est le chemin de tous mes jacquets.
Ultreïa ! Ultreïa ! E sus eia Deus adjuva nos !
Et tout là-bas au bout du continent,
Messire Jacques nous attend,
Depuis toujours son sourire fixe,
Le soleil qui meurt au Finistère.
(Paroles et musique Jean-Claude Benazet)
Because here’s something else that’s true. In the day-to-day trenches of adult life, there is actually no such thing as atheism. There is no such thing as not worshipping. Everybody worships. The only choice we get is what to worship. And an outstanding reason for choosing some sort of God or spiritual-type thing to worship — be it J.C. or Allah, be it Yahweh or the Wiccan mother-goddess or the Four Noble Truths or some infrangible set of ethical principles — is that pretty much anything else you worship will eat you alive. If you worship money and things — if they are where you tap real meaning in life — then you will never have enough. Never feel you have enough. It’s the truth. Worship your own body and beauty and sexual allure and you will always feel ugly, and when time and age start showing, you will die a million deaths before they finally plant you. On one level, we all know this stuff already — it’s been codified as myths, proverbs, clichés, bromides, epigrams, parables: the skeleton of every great story. The trick is keeping the truth up-front in daily consciousness. Worship power — you will feel weak and afraid, and you will need ever more power over others to keep the fear at bay. Worship your intellect, being seen as smart — you will end up feeling stupid, a fraud, always on the verge of being found out. And so on.
An des Papstes Stelle würde ich jetzt mal so langsam an Rücktritt denken. Wahrscheinlich ist ihm das gar nicht gestattet, aber das ist wohl der einzige Weg, nicht völlig das Gesicht zu verlieren. Diesen Papst kann niemand mehr ernst nehmen, weder die Holocaust-Leugner, noch die Juden, noch die Katholiken, noch die Protestanten, noch die Atheisten, noch die Muslime, noch die Marsmenschen. Glos und Benedikt könnten ja die Stühle tauschen, für den Vatikan wäre es auf jeden Fall ein Gewinn, für die Bundesregierung auch kein Verlust.
P.S. Eigentlich ergibt die ganze Geschichte nur dann einen Sinn, wenn Benedikt in seinem tiefsten Innern selbst ein Pius-Bruder ist.
Wieso ist die Berichterstattung über den Nahen Osten eigentlich immer so einseitig? Wieso sind immer entweder die Palästinenser oder die Israelis die Bösen? Ich glaube, dass beide nicht ganz unschuldig an der jetzigen Situation sind. Wieso verdammt nochmal können die sich nicht endlich mal einigen? Meinetwegen auf die Grenzen von 1967. Was spricht dagegen, Israel? Bis 1967 hat es ja auch gereicht. Mit Raketen rumzuschießen und mit Flugzeugen rumzubomben sind jedenfalls Konfliktbewältigungen auf Steinzeitniveau. Scheiße wie kann man das Leid eines anderen Volkes so ausblenden, wenn man selber einem Volk angehört, dass vom Leiden auch nicht gerade verschont wurde? Oder haben die das etwa schon vergessen?
Die einzige Institution, die aus dem Holocaust nichts gelernt hat, scheint die katholische Kirche zu sein. Damals unter Hitler haben sie nichts gesagt und jetzt nehmen sie Leute wieder in ihre Herde auf, die die Judenvernichtung leugnen. Konsequent ist er ja, der Benedikt.