Aussie-Dickschädel
humpelt nach Santiago
und weiß nicht warum
[Bill Bennett – The Way, My Way]
Aussie-Dickschädel
humpelt nach Santiago
und weiß nicht warum
[Bill Bennett – The Way, My Way]

Allein schon das Cover. Ich habe auf den ersten Blick gedacht, das wären zwei Rechtecke. Bis ich gesehen habe, dass es drei sind und davon fast wahnsinnig geworden bin. Eine so simple zweidimensionale, geometrische Darstellung, die mich doch in die Irre geführt hat. So ist es mit dem Leben. Man denkt, man hat es begriffen und man hat nichts verstanden. Hinter seiner Fassade versteckt ein Mensch seine Gefühle. Die Menschen sind so unglaublich dünnhäutig, aber nach außen will es keiner zugeben. Das ist für viele Menschen die Tragödie ihres Lebens.
Dieses Album, das ich kürzlich über eine Playlist, mit dem Titel Zen Piano o.s.ä., die C. auf France Inter gehört hat, kennengelernt habe, ist wahnsinnig entspannend, wenn es abends läuft, legt es sich wie ein Kokon um mich, wird zu einer zweiten Haut. Seit Tagen höre ich nichts anderes. Charlie Haden, mit dem Jarrett schon seit Urzeiten zusammengespielt hat, spielt einen unprätentiösen, straighten Bass, der Jarrett genau den körperlichen Rahmen gibt, den er braucht, um diese einfachen Jazzstandardmelodien aus den Händen zu schütteln. Die beiden führen hier ein sehr intimes Zwiegespräch, können im Duo direkt aufeinander reagieren. Haden’s Free Jazz– Vergangenheit hat er hinter sich gelassen bzw. sublimiert. Selten ist Jarrett seinem großen Vorbild Bill Evans näher gekommen als hier. Natürlich gibt es neben dem Klavier und dem ruhig dahinplätschernden Bass auch noch Jarrett’s Stimme, er summt und stöhnt gelegentlich, er verschmilzt mit dem Flügel. Wie flüssig und organisch das Klavierspiel ist. Man merkt es, da ist jemand zu sich gekommen und das Glück überträgt sich auf den Zuhörer. Charlie Haden hat in etwa gleichzeitig auch in Jarrett’s zum Studio umgebauter Scheune – die besondere, private, gelassene Atmosphäre hört man beiden Alben an – noch die Stücke für das später veröffentlichte The Last Dance mit Jarrett aufgenommen, einem ähnlich großartigen Album. Ebenfalls Late Night Jazz vom Feinsten. 2014 hat er sich dann leider vom Jazzacker gemacht, hier sieht und hört man die beiden über die Jasmine-Sessions sprechen. Es ist wunderschön, dass so eine Musik existiert und ich kann gar nicht sagen, wie dankbar ich dafür bin.
Beach Boys vibrations
Catchy, psychedelic tune
I hear Nick Drake’s Know
[Cream – I Feel Free, 1. Song auf dem US-Release ihres Debüts Fresh Cream, 1967]
20 Grad, Sonne
Gelb leuchtende Rapsfelder
Rechts Tierkadaver
Sich blind verstehen
Perlende Klaviertöne
Hingetupfter Bass
[Keith Jarrett & Charlie Haden – For All We Know von Jasmine, 2010]
Eine Flasche Wein.
Am nächsten Tag Probleme,
Worte zu finden.
Man redet sehr viel,
kommt aber auch zur Sache
Schöne Stadt am Meer
[Dag Johann Haugerud – Oslo-Stories: Liebe, 8/10]
Kollegen von Lux.
nach Vierteljahrhundert nicht
wiedererkennen
Melodietrunken
Auf den Lippen ein Lächeln
Ansteckende Grooves
[Nils Kugelmann Trio – A Good Day]
World deconstruction
Rock’n’roll made of debris
Off to the stars now
[Rocket from the Tombs – 30 Seconds over Tokyo (live 1975)]
Süßkirsche, süffig
samtig, würziger Abgang
Alkoholbombe

Unten Grüntöne
Oben Grauschattierungen
Regen tropft ins Bild
Unter Fußsohlen
Nadelstiche, Madeleines
letzter Wandertour
Falsche Galgenfrist
Mit Rucksack durch Nacht streifen
Zurück ins Leben
[Rudolf von Waldenfels – In die Nacht]
Manchmal reicht nicht mal
dieses beschwingte Lied, um
mich aufzumuntern
[Mike Scott – Bring’em All in, 1995]
Er bringt die Päckchen.
Er guckt mir nicht ins Gesicht.
Er zieht Kimba weg.
Im Meer versinken
Auf dem Boden auftreffen
Die Weichheit spüren
[David Darling – No Place Nowhere von Cello, 1992]
Mit dem Rollator
von der Mitte des Waldwegs
dauernd abrutschen
Nachsaison am Strand
TV gucken ohne Ton
Honey-slides futtern
[Neil Young – Motion Pictures (For Carrie), 1974]
Spring is here again
And he likes to shoot his gun
Knows not what it means
[Nirvana – In Bloom, 1991]
Kirche proppevoll
Chorgesang macht was mit mir
Sitzfleisch notwendig
[Bach – Matthäuspassion @Friedenskirche Krefeld]
Lass uns wegfliegen
Immer weiter bis ins All
Es gibt kein Ende
[Santana – Waves Within von Caravanserai, 1972]
Noch zweimal schnackseln
Bevor es in den Krieg geht
Traurig aktuell
[The Doors – Love Me Two Times, 1967]
Sonnenbrand geholt
Kalkmagerrasenaussicht
Blindschleichen kreuzen
Ich nehme das Frühstück, bei dem die Sonne bereits auf meinen Teller scheint, heute schon um 7h15 ein: Es liegt die letzte, die längste und nach der Beschreibung die schwerste Etappe vor mir und ich muss um 19h in Meiningen sein, um meinen Zug gen Berlin zu kriegen. Nach meiner Einschätzung ist es auch das einsamste und schönste Teilstück. Es wird vor allem über Wiesen in einer offenen Landschaft mit vielen Aussichten auf die Kuppen der Rhön gehen.
Schon kurz nach 8 bin ich auf der Rolle. Rekord! Es geht gleich bergauf Richtung Leichelberg (656 m), ich spüre meine Arme beim Stockeinsatz, ein mühsamer Start. Oben auf der leicht geneigten Wiese passiere ich einen Modellflugplatz.
Kurz vor Aschenhausen geht es steil bergauf zum jüdischen Friedhof, einige Grabsteine sind schief bzw. umgefallen, die Schrift ist häufig verwittert und unlesbar.

Ostern spielt hier in vielen Orten eine wichtige Rolle. Die Bäume im eigenen Garten werden häufig mit bemalten Eiern behangen. Als ich in Aschenhausen um die Ecke biege, muss ich zweimal hingucken, um zu realisieren, dass es sich nur um Puppen handelt.

Aus Aschenhausen raus gibt es einen langgezogenen Anstieg Richtung Diesburg (710 m), die rechts liegen gelassen wird. Feine, hochgeworfene Erdschwaden hüllen einen Trecker ein, der den Acker links oben pflügt. Ich erreiche nun die Hohe Löhr (638 m) mit der größten zusammenhängenden Kalkmagerrasenfläche Deutschlands. Dazwischen vereinzelte Wacholderbüsche, vom Schäfer und seiner Schafherde, die dafür sorgt, dass die Wiesenlandschaft nicht verbuscht, keine Spur. Das Terrain erinnert doch sehr an die Lüneburger Heide, die wir im August 2023 auf dem Heidschnuckenweg durchwandert sind. Von der Panoramaschaukel bietet sich ein bukolisches Bild:

Einige hundert Meter weiter – neben der nächsten Aussichtsbank – hängt ein Eichendorff-Gedicht, das die romantische Stimmung perfekt einfängt:

In Geba ist die schmucke, achteckige evangelische Dorfkirche, die von außen aussieht wie ein großer Pavillon, offen.

Die Tribüne mit ansteigenden Sitzreihen im Innern ist halbkreisförmig angeordnet.

Von hier geht es weiter leicht hinauf zur Hohen Geba (751 m), die von dieser Seite sehr abgeflacht ist. Auf dem Weg wird über mir im Himmel eine Symphonie aufgeführt, die Feldlerchen glucksen als gäbe es kein Morgen.

Auf dem Hang nach Südwesten war früher ein Skilift, von dem nur noch die alte Umlenkscheibe steht; der neue Skilift geht Richtung Südosten nach Träbes.

Es geht nun den Wiesenabhang steil hinunter nach Träbes, die Aussicht ist atemberaubend. In Träbes kann ich mich in der Gastwirtschaft kurz erfrischen.

Weiter abwärts komme ich an zwei Blindschleichen vorbei, die sich in der Sonne räkeln. Zu meiner Rechten ist das sagenumwobene 27 Meter tiefe Träbeser Loch. Durch Auslaugung in Salz und Gips bildeten sich Hohlräume, die zur Erdoberfläche durchgebrochen sind.

In Herpf gibt es zu meinem Glück einen geöffneten Bäcker, wo ich bei Käsebrötchen, Kuchen und Cappuccino Kräfte tanke.
Es geht anschließend zum Buchigkopf (462 m) hinauf, die Sonne brennt runter, ich komme gut ins Schwitzen. An den Oberarmen kriege ich einen Sonnenbrand. Erst gehe ich auf sehr angenehmem, mit Nadeln übersätem, weichen Waldboden voller flacher Fichtenwurzeln. Dann wird der Weg ausgewaschen und steinig, ich bin nun in einem Buchenwald.
Am Wegrand immer wieder bunt blühende Wildblumen. Zudem begleiten mich Schmetterlinge, neben dem Zitronenfalter sind es Pfauenauge und kleiner Kohlweißling.

Gegen Ende komme ich am Bielstein zum Diezhäuschen, von dem man eine schöne Sicht auf die Kreisstadt Meiningen mit ihren vielen klassizistischen Bauten und ihren Parks sowie die Werra hat.



Ich nehme noch einen Eiskaffee und eine Eisschokolade gegenüber vom Theatermuseum ein und spaziere, als es sich zuzuziehen droht, über Schlosspark und Englischen Garten zum Bahnhof, wo ich später den Regionalzug nach Erfurt nehme.

In Erfurt ist aufgrund einer Störung im Stellwerk des Güterbahnhofs erstmal Schluss. Ich übernachte – ohne viel Schlaf zu bekommen – im Intercityhotel und nehme am nächsten Morgen um 6h28 den ICE nach Berlin, in dem ich das jetzt hier schreibe. Es sieht so aus, als könnte ich es bis um neun ins Büro schaffen.
Hier ist der Überblick über meine Wanderung auf dem Milseburgweg von Fulda nach Meiningen im April 2025.
Von 0 auf 100
unter einer Sekunde
Pakt mit dem Teufel?
[Stevie Ray Vaughan – Skuttle Buttin‚, Live Montreux 1985]
Auf saftiger Wiese
Hangabwärts bei Sonnenschein
Eins mit dem Kosmos
Nach einem einfachen, ausreichenden Frühstück verlasse ich gegen 9 die Pension. Draußen ist es bewölkt und noch etwas frisch, spätestens beim Aufstieg zum Battenstein wird mir jedoch warm. Heute am 3. Tag geht es mich. Anstrengung verspüre ich so gut wie keine, ich bin auf dem Fernwanderweg angekommen. Meine Bildausbeute ist relativ schmal, viele der Aussichten nicht verwendbar, da die Handykamera zu schlecht ist, aber auch das deutet darauf hin, dass das Hadern vorbei ist und ich mit mir und meiner Umwelt eins bin.
Mir fallen heute gleich am Anfang die vielen Vogelstimmen auf, die fast den ganzen Tag mit ihrem Gesang eine schöne Hintergrundkulisse darstellen. Ich höre u.a. Kohlmeise, Buchfink, Feldlerche, Sommergoldhähnchen und Mönchsgrasmücke. Es geht auf einem steilen Kreuzweg auf Steinstufen den Berg hoch zu der Wallfahrtskapelle St. Maria auf dem Battenstein. Im Hintergrund hämmert ein Specht. Hinter der Kapelle im Arme-Seelen-Häuschen ist eine barock-bunte, naive Darstellung des Fegefeuers zu bewundern, die mich eher zum Lächeln bringt, als dass sie mir Angst einflößt.

Im Süden ist der langgezogene Höhenzug der Wasserkuppe auszumachen, prägnanter ist allerdings der Blick zurück auf die Milseburg rechts im Westen.

Die Sonne kommt nun raus und es geht weiter inmitten saftig-grüner Wiesen hinauf zum Buchschirmberg (746 m). Auf Mikes Weitblickbank genieße ich nochmal das Panorama mit den beiden bekanntesten Rhönbergen. Der Weg verläuft nun auf dem Kamm an dem Funkturm vorbei. Hier ist es etwas windig, aber die schöne Aussicht nach rechts entschädigt dafür mehr als genug.

Weiter geht es in den Fichtenwald auf einem breiten Forstweg. Plötzlich taucht wie aus dem Nichts eine geöffnete Schranke vor mir auf. Ich überquere die alte innerdeutsche Grenze von Hessen nach Thüringen, die sich quasi in Luft aufgelöst hat.

Ich muss leider feststellen, dass beide Gasthäuser auf dem Weg, die unweit des baumlosen, langgezogenen Ellenbogen liegen, geschlossen sind. Das Thüringer Rhönhäuschen hat Montag/Dienstag Ruhetag, das langgestreckte Berghotel Eisenacher Haus sucht einen Pächter.
Kurz vor dem Parkplatz am Ellenbogen sind mehrere Infotafeln, u.a. eine Karte des Hochrhöners, eines 138 km langen Fernwanderwegs von Bad Salzungen nach Bad Kissingen, der die Rhön von Nord nach Süd durchquert und auf den ich schon an der Milseburg getroffen war. Das könnte ein Zukunftsprojekt sein, gut in einer Woche zu schaffen.

Auf dem Ellenbogen gibt es eine Aussichtsplattform mit einer Rutsche, die die kleinen Mädchen, die mich beim Aufstieg überholen, mit großer Freude hinunterrutschen. Hier finde ich auch einen Essensautomaten, wo ich mich notdürftig verpflege.

Weiter geht es auf einem parkähnlichen Gelände mit frei stehenden, weit ausladenden Tannen; der anschließende Baumwurzelpfad, der in einen leicht abschüssigen Fichtenwald führt, ist herrlich weich und ein Balsam für meine Füße.
Plötzlich öffnet sich rechts der Wald und lässt den Blick frei auf wellige Wiesen. Etwas später habe ich, als ich den Wiesenabhang hinabgehe, auf einmal ein riesiges Glücksgefühl, als wäre ich angekommen, als müsste ich nicht mehr weiter. Die Sonne scheint zwischen den Cumuluswolken durch, die saftigen, um mich herum abfallenden Wiesen sind grüner als grün, ich bin on top of the world, am Horizont die Kuppen der Rhön, unten kleine Ansiedlungen mit Häusern wie aus Legosteinen, kein Mensch weit und breit, die Welt gehört mir ganz allein.

Auf einer breiten Piste, auf der mir ein grüßender Motorradfahrer entgegenkommt, geht es hinunter in meinen heutigen Zielort, Kaltensundheim. Mein Hotel hat montags Ruhetag, ich verköstige mich daher in der Metzgerei um die Ecke. Mein Menü besteht aus Soljanka, einem Schaschlikspieß, 2 Brötchen, Weißkrautsalat und einem großen, gemischten Softeis.
Hier ist der Überblick über meine Wanderung auf dem Milseburgweg von Fulda nach Meiningen im April 2025.
Stell dir vor, morgen
kommt der Weltuntergang und
du tanzt die Nacht durch
[Anne Clark – Our Darkness, 1984]
Über den Wiesen
Wasser sprudelt im Himmel
Feldlerchengesang
Wolken und Sonne
Hinauf, du müder Recke!
Der Flow ein Tunnel
Morgens schmerzen die eingerosteten Glieder, der erste Wandertag hat seine Spuren hinterlassen. Beim Frühstück bin ich wieder umringt von Gruppen, die zu früher Stunde schon ausgiebig untereinander kommunizieren. Eine Frau erzählt von einem sechswöchigen Segeltörn vom IJssel- zum Mittelmeer.
Draußen weht hier oben auf dem Kamm eine steife Brise, über der Wasserkuppe (950 m) türmen sich die Wolken. Mit meinem kurzen Hemd könnte ich als Optimist gelten.

Vor mir liegt die Milseburg (835 m), die ich fast vollständig umrunden werde, bevor ich sie besteige. Erst geht es ein Stück bergab, dann einen schönen Forstweg entlang.

Am Wegesrand liegt eine kleine Schutzhütte, von der ich mir vorstellen kann, dass sie dem Wanderer bei Regen und Unwetter wilkommenen Unterschlupf bieten kann. Hiervon kommen später noch mehr.

Zwischen noch kahlen Laubbäumen (Buchen?) schraube ich mich den Weg hinauf. Die Bäume ächzen im Wind. Mir wird so langsam wärmer.

Ich überquere nun den bis zu zwölf Meter mächtigen Ringwall. Hier wurden in der Urnenfelderzeit vor 3000 Jahren Terrassen errichtet.

Ich komme an einer von fünf Quellen vorbei, die heute nur noch versickert. Vor mir erhebt sich die Milseburg, ein imposanter Basaltfelsen, auch Perle der Rhön genannt.

Nachdem ich mich in der Milseburgstube noch vor 12 mit einem Salat gestärkt habe – es gibt heute sonst keine andere Einkehrmöglichkeit auf dem Weg – geht es nun das letzte steile, steinige Teilstück hinauf. Plötzlich bin ich nicht mehr alleine, die Leute kommen von allen Seiten.

Man erzählt sich die Geschichte vom Riesen Mils, der nicht wollte, dass sich die Menschen taufen ließen. Sankt Gangolf und seine Ritter versuchten, ihn zu bezwingen, ein geiziger Bauer wollte für die Nutzung seiner Quelle von ihnen jedoch Unsummen. Daraufhin nahm Gangolf mit seinem Helm Wasser aus der Quelle und schüttete es an einer anderen Stelle auf den Boden, wo eine neue Quelle sprudelte, der Gangolfsbrunnen. Die Ritter labten sich am Wasser und besiegten den Riesen.

Ich kraxele auf großen Basaltsteinen auf den Gipfel mit Gipfelkreuz und runder Richtungs- und Entfernungstafel. Hier ist es sehr windig und unwirtlich. Im Südosten sieht man in der Ferne den langgestreckten Höhenzug der Wasserkuppe (950 m) mit der Wetterstationskugel. Segelflieger sind nicht auszumachen.

Kaum bin ich wieder unten im Wald auf meinem Weg, sind alle Menschen, die gerade noch herumschwirrten, spurlos verschwunden. Nach einer kurzen Trinkpause komme ich bald in einen Flow, der etwaige Fußschmerzen übertünchen hilft. An einer Stelle sollte es plötzlich nach links weglos in den Wald gehen. Natürlich verpasse ich im Tran diesen Abzweig und darf eine Extrahin- und – rückrunde drehen. Etwas später am Ausgang eines Weilers revanchiere ich mich und nehme einen Shortcut über eine ansteigende Wiese und ein Wäldchen.
Die Monotonie des langsamen Dahinwanderns wird immer wieder unterbrochen durch winzige Highlights wie das Gezwitscher einer Blaumeise, den säuselnden bzw. crescendomäßig anschwellenden Wind, das Dröhnen von Flugzeugen, Hubschrauberrotoren, Autos in der Ferne, Radfahrer, die mich überholen etc.
An einer Viehtränke mache ich noch ein Päuschen und trinke fast in einem Schluck 1 Liter Wasser. Danach sind die Füße nicht mehr ganz so schwer. Trotzdem bin ich bald wieder durstig. Der Wasserbedarf ist immens beim Wandern, allerdings dehydiere ich schnell, da der Durst sich immer erst sehr spät bemerkbar macht.

Die heutige Etappe – ich sage mir, dass der 2. Wandertag immer der Schlimmste ist – endet endlich in Findlos, wo ich kurz davor bin, den Schlüsselsafe zu öffnen, als die Pensionsbesitzerin auftaucht und mich reinlässt. Heute ist Ruhetag, ich bestell mir mein indisches Hühnchengericht nebst Salat und Mango-Lassi bei einem Lieferdienst im 3 km entfernten Nachbarort und esse in meinem Blaumeisenzimmer vor 18 Uhr, ein Rekord auf der Wanderung.
Hier ist der Überblick über meine Wanderung auf dem Milseburgweg von Fulda nach Meiningen im April 2025.
Rosa ist er nicht
Letzter Vollmond vor Ostern
Benannt nach dem Phlox
[Nick Drake – Pink Moon, 1972]
Erinnerungen
an schlimm schmerzende Füße
auf dem Weg lassen
Kirchengesänge
Auf Umwegen zum Einstieg
Emsiges Treiben
Der Tag beginnt mit einem umfassenden Frühstück. Auffällig sind die 24 Teedosen und es sind sogar drei unparfümierte Sorten dabei, ich greife zum grünen Sencha. Am Nachbartisch erklärt ein ungefähr zehnjähriger Junge seinen Eltern und seiner älteren Schwester, was ein Haiku ist: 5-7-5. Das erste Mal in den letzten fünf Jahren, dass jemand in meiner Umgebung unabhängig von mir von Haiku spricht.
Ich komme recht spät los, neben dem Warten auf den 14 Stundenabstand zur letzten Mahlzeit, lasse ich mir generell Zeit, dies ist immerhin ein Urlaub. Die Trödelei verhindert allerdings nicht, dass ich wie mir später bewusst wird, meine gestern als Badehose genutzte Laufhose, die ich zum Trocknen aufgehängt hatte, auf dem Bügel vergesse. Sie wird mir nachgeschickt.
Anbei der Blick aus meinem Zimmerchen.

Vor mir liegt ein herrlicher Wandertag bei sommerlichen Temperaturen, gut dass ich meine Camino-Pilgermütze dabei habe, die 2 Liter Wasser trinke ich komplett aus.
Es stellt sich allerdings später heraus, dass ich einen falschen Track des Milseburgwegs runtergeladen habe, so dass ich den Vormittag in der Fuldaer Vorstadt verbringe und ca. 7 km zu viel laufe und das dann auch noch auf Asphalt.

Zuerst geht es aber richtig zur Liobakirche auf dem Petersberg, der ich ja auch schon auf meiner Fastenwanderung im Februar einen Besuch abstattete. Dieses Mal ist die romanische Kirche – eine der ältesten Deutschlands, von Rabanus im 8. Jahrhundert gebaut – jedoch geöffnet. Beim Eintritt schallen mir von einer Frauenstimme begleitete Orgelklänge entgegen. Es wird geprobt, die Musik scheint mittelalterlich zu sein, hier eine Kostprobe:
Ich fühle mich zurückgebeamt in eine uralte Zeit, die Musik strahlt eine große Klarheit und Stärke aus.

Die beiden Musizierenden sehe ich nicht, sie müssen hinter der Orgel sein, was das Ganze noch geheimnisvoller macht. Die Sängerin hebt immer wieder an, es scheint unwahrscheinlich, dass die Musik von der Konserve kommt, dafür klingt sie auch zu gut.

Unten in der Krypta liegt die Heilige Lioba, die im 8. Jahrhundert mit Bonifatius per Brief kommunizierte. Die Briefe kann man in einem Nebenraum nachlesen.
Mich amüsiert eine kleine Passage aus dem Gästebuch, die auf zeitgemäße „Probleme“ eingeht.

Ich gehe nun an einem hässlichen Betonklotz, der sich als Klinikum herausstellt, vorbei und spaziere durch Ziehers, einen Fuldaer Stadtteil. Es muss die A7 überquert werden und ich komme in eine ländlichere Umgebung. Nach einer Pause vor Keulos, erreiche ich über Wissels und Böckels endlich den Einstieg in den Milseburgweg, den richtigen Track habe ich inzwischen auch gefunden.

Ab hier ist der Weg sehr gut mit dem roten Dreieck des Rhönklubs markiert. Die Schilder kommen teilweise im Abstand von 200 m.
Der Weg verläuft im Zickzack und ich komme an der Siedlung Armenhof vorbei; die Rhön war früher eine der ärmsten Gegenden Deutschlands. Es geht nun an einem schmalen Teich vorbei, an dem ich mit einem braungebrannten Pensionär aus Dipperz ins Gespräch komme, der sich in der Gegend sehr gut auskennt. Weiter geht es über den Wanderparkplatz Saubrücke an einem Bächlein entlang über einen Baumwurzelpfad. Schließlich komme ich auf einen geschotterten Weg. Ich treffe auf viele Mountainbiker und später auch auf E-Biker, die die Anstiege hochsausen. Mir kommt sage und schreibe ein junger Wanderer entgegen, der wie ich mit Rucksack und Stöcken unterwegs ist und mir ein Servus entgegenruft.
Man sieht bald die Vulkankuppen der Rhön, ich komme hier gut voran.

In der Ferne erkenne ich im Norden das Schloss Bieberstein auf dem Kugelberg.

Unten schlummert das Malerdorf Kleinsassen, ich folge dem Malerrundweg ein stückweit, die Rhön hat dankbare Motive für Naturbilder vorzuweisen.

Vom Wegrand aus sieht man ein schmuckes Häuschen, das abenteuerlich über mir im Wald steht.

Es blüht viel, das kleine, hellweiß strahlende Buschwindröschen hat es mir besonders angetan.

Kurz vorm Ziel die erste Wohlfühlbank mit einem schönen Blick auf einen Berg, den ich für die Milseburg halte, die morgen auf dem Programm steht.

Schließlich komme ich gegen 17h bei meiner Unterkunft, dem Fuldaer Haus an der Maulkuppe an. Hier herrscht reges Wochenendtreiben. Auf diversen Terrassen kann man seinen Kaffee einnehmen. Ich verziehe mich in mein kleines Turmzimmer, mache mich frisch und esse früh um halb sechs im Gastraum, der sich langsam füllt. Besonders lecker ist der Nachtisch, ein Apfel-Krömbel mit Vanilleeis und Schlagsahne.

Hier ist der Überblick über meine Wanderung auf dem Milseburgweg von Fulda nach Meiningen im April 2025.
Eines der Lieder,
wo man unbedingt auf die
Tanzfläche musste
[Bronski Beat – Smalltown Boy, 1984]
Schwimmen statt Sauna
so nett sein, wie man aussieht
Fast-Vollmond mit Hof
Nach einem recht vollgepackten Arbeitstag im Home Office im Arbeitszimmer im Vordertaunus gehe ich gegen halb fünf los zur S-Bahnstation in Niederhöchstadt. Die Sonne scheint, die Temperaturen sind frühlingshaft, es blüht überall.
Am Bahnsteig futtere ich zwei Käsebrote, es ist eigentlich etwas früh fürs Abendbrot, aber nach der letzten Fastenwanderung vor 2 Monaten ziehe ich mein Intervallfasten durch. Die S-Bahn verspätet sich ein paar Minuten, was aber überhaupt nichts ausmacht, weil der ICE nach Sachsen, den ich in Frankfurt besteige, synchron dazu mit Verspätung eintrifft. Der Zug ist rammelvoll wie das freitagsnachmittags so ist. Ich ergattere einen Platz außen an einem Vierertisch gegen die Fahrtrichtung. Die meisten Reisenden wischen auf ihren Schmartfons herum bzw. gucken darauf Videos, die ältere Dame neben mir am Fenster sitzt etwas gekrümmt da, indem sie den Kopf auf ihre linke Hand stützt und mich mustert. Ein Gespräch kommt nicht zustande. Der Zug verspätet sich noch weiter und kommt eine gute Viertelstunde gegen halb sieben in Fulda an.
In Fulda gehe ich vom Bahnhof in die historische Altstadt, direkt am Ausgang spricht mich ein junger Mann an:
Hallo, Sie sind sicher genauso nett, wie Sie aussehen!
Er ist engagiert in einer Friedensinitiative, was ich dem unweit gelegenen Stand entnehme. Lustiger Bursche, der mich später, als ich erneut passiere, wieder anspricht, ob ich mich vorbeischummeln möchte. Aber ja doch!
Mein Hotel liegt unweit des Schlosses in einer Gasse mit Kopfsteinpflaster; das Zimmerchen ist klein, hat aber einen Blick auf die Domtürme. Ich mache mich auf zum Stadtbad hinter dem Bahnhof, wo sich herausstellt, dass die Sauna heute den Gästen des nahegelegenen Luxushotels – nicht meins – vorbehalten ist. Ich disponiere spontan um und kaufe mir eine Eintrittskarte für das Schwimmbad. Hier ist ganz gut Betrieb. Etwa die Hälfte der Bahnen ist für Sportschwimmer reserviert, die dort meist kraulend ihre Bahnen ziehen. Im öffentlichen Bereich tummeln sich ältere Herrschaften. Ich schwimme nun rund 42 Bahnen à 25 Meter und komme nahezu in einen Flow, werde allerdings mehrfach vertrieben, da zum einen neue Bahnen für junge Amateure aufgemacht werden und zum anderen eine Wassergymnastikgruppe einen großen Teil des Beckens beansprucht. Das Wasser ist übrigens überall nur 1,20 m tief, beim Köpper sollte man also nicht zu tief eintauchen. Auf diese Art muss auch wesentlich weniger Wassermasse erwärmt werden, was den Energieverbrauch verringert.
Nach der Dusche ziehe ich mich um und dackele wieder zurück in die Innenstadt, es ist nun dunkel geworden, der Mond, dem links noch ein itzebisschen zur vollständigen Rundheit fehlt, hat einen Vorhof, auch Halo genannt. Der taucht ihn in ein milchiges Licht, welches ihm eine mystische Aura gibt. Ich mag das. Die Magnolie hinterm Bahnhof fängt langsam an, ihre Blütenpracht abzuwerfen.
An der Hauptwache gegenüber vom Schloss ist eine kubanische Cocktailbar, wo man draußen auf der Terrasse sitzen kann. Es ist frühlings-, fast schon sommerhaft, ich schlürfe zwei Weißbier vom Fass und genieße die Stimmung. Das Lokal ist sehr gut besucht, die Jugend des Ortes trifft sich hier. Das Foto habe ich von meinem Terrassenplatz aus aufgenommen.
Kurz vor zehn verziehe ich mich in mein Zimmerchen, langweile mich zu Tode bei den Tagesthemen, wo es um Rückweisungen von Migranten geht. Wie dieses Thema juristisch bis in alle Details durchdekliniert wird, geht mir in seiner Verlogenheit zunehmend auf die Nerven.
A propos Migranten. Im ICE saß einer zwischen den Waggons vor der Ausgangstür, hatte aber keine gültige Fahrkarte – das Deutschlandticket, das er vergünstigt bekommt, reicht hier nicht – was jedoch geduldet wurde. Allerdings sagte ihm die Kontrolleurin, dass das doch ziemlich unverschämt sei. Ich wage zu bezweifeln, dass das ein Einzelfall war. Und trotzdem sind das arme Schlucker. Aber etwas weniger Schmarotzertum und etwas mehr Unrechtsbewusstsein kann man schon von ihm verlangen. Es sind auch solche Typen, denen wir zu „verdanken“ haben, dass die AfD inzwischen mit die stärkste Partei in Deutschland ist.

Hier ist der Überblick über meine Wanderung auf dem Milseburgweg von Fulda nach Meiningen im April 2025.
slackers can jangle too
pedal steel guitar heaven
opaque words flowing
[Pavement – Father to a Sister of Thought von Wowee Zowee, 1995]
Ascher gibts nicht mehr
auf den Terrassentischen
der Havannabar
Merkst du es denn nicht?
Da ist jemand, der will dich
ganz fest umarmen
[Wilco – She’s a Jar, 1999, von Summer Teeth]
Abend für Abend
Die unbändige Freude
Auf die Nacht im Bett
Repetitive
Melodie fräst sich ins Ohr
Sie können es noch
[Stereolab – Aerial Troubles]
Damals die Zukunft
Künstlich, hypnotisch, lasziv
Auf die Tanzfläche!
[Donna Summer – I Feel Love, 12“, 1977, more in BBC Soul Music]
Reh springt ins Dickicht
Mönchsgrasmücke pfeift Weise
Hase schlägt Haken
Lackdoktor lächelt
als er Motorhaube sieht
„Kostet sechshundert“
[The Smile – Bodies Laughing von Cutouts, 2024]
Wabernder Nebel
Zwischen Erde und Himmel
Gleißende Sonne
[Polar Bear – Open See von In Each and Every One, 2014]
Blicke auf Freiturm
Eschborn*, Schwalbach, Neuenhain
Mammolshain, Kronthal
[*E-Niederhöchstadt]


Weißes Blütenmeer
Kirsche, Apfel und Weißdorn
9 Km-Runde
[Mammolshain]
Ein Mann ganz allein
fährt die ganze Weltwirtschaft
voll gegen die Wand
Luftige Nummer
Mit der Erde verbunden
durch kantige Beats
[Tortoise – Oganesson]
Eine Melodie
und Stimme, bei denen man
dahinschmelzen muss
[Dean Wareham – That’s the Price of Loving Me]
My hands in your hair
I need to feel your heartbeat
The Rhythm we made
[King Crimson – Heartbeat, 1982]
Die Jonglierbälle
vom Himmel herabpflücken
und zurückwerfen
rad delivery
rad word trip, rad beats, rad breaks
rad effects, rad vid
[clipping. – Run It]
Ins Stocken kommen
Weglegen, neu ansetzen
Sudoku lösen
Melancholisches
von innen her strahlendes
Tanzintermezzo
[Andrew Wasylyk & Tommy Perman – Communal Imagination]