Archive for Juni 2024

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Juni 24, 2024

Schön und jung und stark

Gib mir ein Brett zum Tanzen

Nimm dir, was du willst

[DAF – Verschwende Deine Jugend]

Harzreise 22.6.24, 8. Tag Ilsenburg – Königshütte

Juni 23, 2024

Laubwaldlichtspiele
Ringelpiez beim Rathausfest
Wilder Wiesenweg

Die forsche Hotelwirtin scheint vergessen zu haben, dass ich bereits vor über einem Monat Vorkasse geleistet habe, aber ich nicht! So toll war das Hotel auch nicht, dass ich freiwillig doppelt zahle. Bis jetzt habe ich auf dieser Wanderung noch nichts vergessen, heute merke ich relativ schnell, dass die Wandermütze fehlt und verliere nur 10 Minuten Zeit.

Über den lichten Laubwald des Schlossparks geht es raus aus Ilsenburg. Ich kann heute im Laufe des Tages die Schatten- und Lichtspiele der Laubbäume ausgiebig studieren. Da ich in Rübeland, dem Zielort der Harzreise – bekannt durch die Höhlen – keine Herberge gefunden habe, muss ich mich heute auf einem improvisierten Weg insbesondere auf den rund 15 km von Wernigerode bis Königshütte rumschlagen.

Im Wald verläuft die Wasserscheide zwischen Elbe und Weser, so weit östlich bin ich jetzt schon.

Zwischen Ilsenburg und Wernigerode

Heute bin ich etwas in Gedanken versunken, aber im Vollbesitz meiner Kräfte. An einer Stelle im Wald verpasse ich einen Abzweig und gehe doch tatsächlich gedankenverloren ca. 500 m bergauf in die falsche Richtung, bevor es mir schwant, dass es doch eigentlich gar nicht bergauf gehen kann.

Ich treffe heute auf einige Mountainbiker, es ist Samstag. Die erste Ortschaft ist nach rund 10 km Natur Hasserode, wo auch das Bier gebraut wird. Hier muss ich ca. 2 km in der Sonne an der Straße langgehen, bevor ich durch das Westerntor in die Altstadt von Wernigerode eintrete.

Wernigerode, Westerntor

In Wernigerode ist dieses Wochenende Rathausfest. Es herrscht großer Trubel, Menschenmassen bevölkern die langgezogene Fußgängerzone. Ich brauche jetzt unbedingt einen Eiskaffee, den ich am Rathaus bekomme. Dort spielt eine Hamburger Band deutschen Schlager mit Volksmusikeinschlag, ich frage mich, ob die Rentner, die vor der Bühne auf Klappstühlen sitzen, dafür und fürs Klatschen bezahlt werden. Die Musik ist unerträglich kitschig. Die drei Musiker – alle in Jeans und weißem Hemd – laufen mit Mikro singend und sich an den Schultern anfassend über den Markt. Sie versuchen, das Publikum zu animieren, indem sie vom Hamburger Nachtleben schwärmen und fragen, was denn so in Wernigerode nachts abgeht. Nach dem Motto Witz komm raus, du bist umzingelt. Ich flüchte so schnell wie möglich und besorge mir beim Griechen ein sehr knuspriges, getoastetes Fladenbrot mit warmem Feta, Tsatsiki und Krautsalat.

Wernigerode, Rathaus

Die Breite Straße hinauf steht das barocke Haus des Getreidehändlers Krumme aus dem Jahr 1674 – Wernigerode ist wie Goslar ein Fachwerkparadies – mit vorgesetzter Fassade aus Holzvertäfelungen.

Wernigerode, Krummelsches Haus

Kurz vor Verlassen der Altstadt sehe ich noch einen Liedermacher mit Klampfe, der allein auf einer großen Bühne sitzt, sich die Seele aus dem Körper singt, während zwei bis drei Leute sich das anhören; er hätte mehr Publikum verdient gehabt.

Ich nehme jetzt nicht wieder die schnurgerade Straße zurück nach Hasserode,  sondern gehe auf dem Fußweg der B 244, die nach Elbingerode führt, aus der Stadt heraus. Oben im Gegenlicht das Schloss, ein Leitbau des norddeutschen Historismus auf Basis einer mittelaterlichen Anlage 1882-1885 von Otto zu Stolberg-Wernigerode, dem Stellvertreter Bismarcks, umgebaut.

Wernigerode, Schloss

Ich finde nun einen lauschigen Weg im Laubwald, der den Zillierbach entlang verläuft. Am Wegesrand Waldhimbeeren, die ich mir nicht entgehen lasse. Ihren intensiven Geschmack im Mund denke ich, dass genau diese Momente es sind, die dem Wandern noch einmal einen besonderen Kick geben. Man isst die Früchte der Natur, man vereint seinen Körper, seinen Geschmack, seine Verdauung mit der Welt. Es hat etwas Pantheistisches. Alles ist eins. Etwas pathetisch vielleicht, aber egal.

Am Wegrand ein Belüftungsschacht einer Grube, heute ein Fledermausreservat. Aus dem Schacht strömt angenehm kühle Luft, die meinen heiß gelaufenen Körper kühlt.

Belüftungsschacht

Plötzlich stehe ich vor dem Staudamm der Zillierbachtalsperre, hier kommen nur noch die Fassadenkletterer weiter, ich muss außen rum.

Zillierbachtalsperre, Staudamm

Auf einer Bank mache ich eine Trinkpause und gönne meinen Füßen eine kleine Auszeit. Die Schuhe und Socken auszuziehen, die Füße etwas zu massieren, welche Wohltat. Ein älteres holländisches Paar gesellt sich zu mir. Sie haben den Stausee halb umrundet, er entfernt noch rechtzeitig ein Steinchen aus seinem Schuh.

Zillierbachtalsperre

Den weiteren Weg nach Königshütte muss ich mir zusammenschustern. Die Generalrichtung ist Süden. Ich treffe auf einen bunten Schmetterling und bewege mich zum Teil auf Wiesenwegen, die insbesondere gegen Ende fast zugewachsen sind. Viele Wege sind in keinem guten Zustand, Markierungen fehlen weil Bäume umgestürzt bzw. abgestorben sind. Der Grund ist der fehlende Nachwuchs in den Wandervereinen.

Schönbär

Es geht großräumig um ein Kalkwerk herum. Ich kann in meiner kurzen Hose zum Teil hüfthohen Disteln und Brennnesseln einigermaßen ausweichen. Auf einer unverhofften Bank – ich muss mal ein Loblied auf Bänke am Wegesrand singen – brauche ich meine letzten Trinkwasservorräte auf. Ich komme nun zu dem Wasserfall von Königshütte, den ich aber nicht sehe. Der eigentliche Ort liegt noch etwas weiter südlich und ich erreiche rund neun Stunden nach Aufbruch mein Ziel, die sehr familiär geführte Pension Am Felsen, wo ich sofort herzlich mit Namen begrüßt werde und zu Abend eine vom Hausherren zubereitete, exzellente Rinderroulade mit Kartoffelstampf und Rotkohl zu mir nehmen darf.

Vorher sehr erfrischend nach dem langen Wandertag übrigens die kälteste kalte Dusche auf der ganzen, rundum gelungenen Wanderung. Ein perfekter Abschluss.

Harzreise 21.6.24, 7. Tag Schierke – Ilsenburg

Juni 22, 2024

Brocken im Regen
Wilde Ilse rauscht ins Tal
Übers Ziel hinaus

Morgens komme ich wegen meiner steifen Beine kaum aus dem Bett, auch das Knie zwickt, die Bandage ein absolutes Muss. Es wird Zeit, dass die Wanderung zum Ziel kommt.

Beim Frühstück gibt es in Öl eingelegten Harzer Roller, dem außer mir ein junger, mundfauler Typ mit Bundeswehrpullover und eine Hessin zuspricht, die meint, „bei uns heißt das Handkäs mit Musik“.

Heute geht es erst einmal wieder hoch zur zweiten Gipfelbesteigung des Brocken, da ich ja im Brockenhotel kein Logis mehr gefunden hatte. Ich komme somit schon am frühen Morgen auf den großen Steinen, die sich wie die Hotelfachkraft bereits anmerkte, zum Aufstieg besser eignen, gut ins Schwitzen.

Nach einem erfrischenden alkoholfreien Weißbier auf dem Brocken, dieses Mal bin ich fast alleine, zieht sich der Himmel langsam zu, die Fernsicht ist sehr diesig. Goethe hat sich hier für die Walpurgisnacht im Faust inspirieren lassen.

Brockenhotel, Hexe
Brocken, Goethe was here

Das überteuerte Brockenhotel hat mich nicht als Gast gewonnen, wofür ich am Ende ganz froh bin.

Brockenhotel

Auf dem Plateau weht eine steife Prise. Am Gipfelstein machen die Leute von weit entfernt Gipfelfotos.

Ich gehe wieder den Brockenrundweg, dieses Mal in die andere Richtung und beginne, den Kolonnenweg abzusteigen. Nach wenigen Minuten fängt es an zu schütten. Trotz Regenjacke und -schirm wird zumindest die Hose unten klatschnass, aber ich habe Glück, dass genau hier eine Schutzhütte steht. Später kommt ein Einheimischer in kurzer Hose ohne Schirm vorbei, der jedoch sofort weiter absteigt nach Ilsenburg, weil er meint, dass das Wetter sowieso nicht besser wird. Ein Fehler, weil der Regen nach ca. 20 Minuten nachlässt und ich mich aus der übrigens nicht vollständig dchten Hütte herauswage.

Unterm Kleinen Brocken, Schutzhütte

Kurz vor der Hermannstraße, wo es nach rechts im Streichen abgeht, kommen mir zwei junge Frauen in Regenponchos auf dem steilen Plattenweg entgegen, die mich anlächeln. Angesichts des miesen Wetters und der Anstrengung beim Aufstieg, überraschen sie mich positiv. Wie Heine (s. Foto von Tafel gestern) habe ich hier jetzt ein Hochgefühl, höre die Vögel zwitschern, der Regen hört auf und der ebene Weg ist angenehm zu gehen.

Es geht nun ins Ilsetal, das Heine in starken Worten besungen hat, im Grunde war dies seine Lieblingsetappe auf seiner Harzwanderung, daher ist der Weg jetzt auch nach ihm benannt.

Schon damals waren hier die  Baumwurzeln auffällig, die an die Oberfläche treten, weil sie im harten Boden keinen Halt finden und für mich wie Finger einer Hand eines Riesen aussehen.

Rote Brücke, Auszug aus Harzreise
Rote Brücke, die Wurzeln der Tannen

Die Ilse rauscht links, es kommen mir trotz des Regenwetters bereits einige Wanderer entgegen. Bei Sonnenschein ist hier sicher die Hölle los, das bleibt mir erspart.

Ilsefälle, Auszug aus Harzreise
Bachschnellen der Ilse

Hier bei den Ilsefällen steht das Heine-Denkmal. Seine Phantasie ist hier etwas mit ihm durchgegangen, wobei er als Romantiker, der er zu diesem, frühen Zeitpunkt seines Lebens war, sich des örtlichen Märchen- und Sagenguts bediente. Mich erinnert die Harzreise in den Passagen über das Ilsetal sehr an den Taugenichts von Eichendorff, der übrigens ebenfalls 1826 erschienen ist.

Ilsetal, Heine-Denkmal

Kurz danach soll der Heineweg auf der linken Ilseseite weitergehen, doch die Brücke ist mit einer zaunartigen Holzkonstruktion versperrt. Angeblich aus Sicherheitsgründen. Hier mache ich meine Mittagspause mit Wasser und Datteln. Etwas später komme ich über eine andere Brücke dann doch auf den Heineweg zurück. Hier ist jemand fleißig gewesen und hat einen Steinmännchenpark angelegt.

Ilsetal, Steinmännchen

Kurz vor Ende der heutigen Etappe, auf der mir über große Strecken die Beine so schwer sind wie selten zuvor, müssen noch einige Höhenmeter bewältigt werden auf dem Weg zum Ilsestein. Ich kämpfe mich hier über einen eigentlich verschwundenen schmalen Weg über viele umgestürzte bzw. gefällte Baumstämme den Waldhang hinauf. Als ich den Berg in einem Halbrund am Waldrand hochgehe, links und rechts die so langsam verblühenden lila Kelche des Fingerhuts, definitiv die Blume meiner Harzwanderung.

Fingerhut

Der Blick, der sich vom Ilsestein nach Osten nach Ilsenburg hinunter eröffnet, ist atemberaubend. Der Ilsestein ist ein Granitfelsen, auf dem im 11. Jahrhundert eine kleine Reichsburg von Heinrich IV. stand, die bereits 1105 auf Geheiß des Papstes zerstört wurde. Heute steht hier ein eisernes Kreuz, das am ersten Tag der Völkerschlacht von Leipzig 1814 von Graf Anton zu Stolberg-Wernigerode für seine in den Befreungskriegen gegen Napoleon gefallenen Freunde und Bekannte errichtet wurde.

Ilsestein, Blick auf Ilsenburg
Ilsestein
Ilsestein, eisernes Kreuz

Die trotz der langen Abstiege – es geht jetzt noch einmal auf halsbrecherischem schmalen Schotterpfad bergab – anstrengende Etappe findet ein unverhofft gutes Ende. Aus irgendeinem Grunde (evtl. weil mich gestern Abend in Schierke zwei Wanderinnen gefragt hatten, wo die  Bushaltestelle ist, sie hätten keine Lust mehr und müssten noch nach Wernigerode zu ihrem Auto), war ich davon ausgegangen, dass ich noch bis Wernigerode, also noch 8,6 km zusätzlich gehen musste und hatte mich aufgrund der fortgeschrittenen Zeit und zunehmender Wanderunlust damit angefreundet, den stündlich fahrenden Bus zu nehmen. Laut Internet fuhr der Nächste um 16h31. Ich spute mich also und bin kurz nach vier an der Straße nach Wernigerode und wer fährt direkt vor meiner Nase weg?  Der 270er Bus nach Wernigerode. Die Wartezeit verbringe ich also im Wartehäuschen und löffle einen Eiskaffee vom Bäcker. Bis mir einfällt, doch mal zu gucken, wo genau mein Hotel ist. Und was soll ich sagen, es stellt sich raus, dass es sich hier in Ilsenburg befindet und zwar 1,8 km weiter oben, ich bin also bereits vorbeigelaufen! Welch Glück, dass ich das noch gemerkt habe, bevor ich in den Bus gestiegen bin!

In jedem Fall gehe ich nun leichten Fußes – immer wieder überraschend wie Pausen mit Flüssigkeitszufuhr die vorher noch zentnerschweren Beine und Füße wieder beflügeln können – zu meinem Hotel im Park.

3807

Juni 21, 2024

Wenn der Diktator

dieses Lied hören würde,

statt Krieg zu führen…

[Robert Wyatt – Shipbuilding (Elvis Costello)]

Harzreise 20.6.24, 6. Tag Bad Harzburg – Brocken – Schierke

Juni 21, 2024

Grenzstein auf Staudamm
Kolonnenweg hochgeschwitzt
Felsbrocken hinab

Ein gutes, von der netten Pensionsbetreiberin vorbereitetes Frühstück mit Ei, grünem Tee, Holzbrettchen mit Aufschnitt und Käse sowie Sahnejoghurt mit Müsli erwartet mich nach einer erholsamen Nacht.

Draußen scheint die Sonne und ich gehe stracks durch den Kurpark zur Talstation der Burgbergseilbahn, wo die heutige Etappe beginnt.

Bad Harzburg, Burgbergseilbahnbasis

Hier geht es in den Wald, an einem Baumwipfelpfad vorbei, bei dem man sich schon fragt, ob er seine Umgebung verschönert. Er steht auf der Wiese im Kalten Tal, wo die Nazis mit 4000 SA-Leuten und dem Verband Stahlhelm 1931 einen Feldgottesdienst organisierten, um den Segen der Kirche für die geplante Abschaffung der Demokratie zu bekommen.

Bad Harzburg, Baumwipfelpfad

Ich komme auf dem ansteigenden Weg im schattigen Laubwald gut voran. Tafeln am Wegrand erklären die Baumwurzelarten als da sind Herzwurzler (die meisten Laubbäume, z. B. Buchen), Flachwurzler (z. B. Fichten) und Pfahlwurzler (z. B Kiefern, Lärchen und Eichen). An der Bushaltestelle des Molkenhauses – die erdgasbetriebenen Busse, genannt grüner Harzer, kommen hier fast überall hin – mache ich eine kurze Trinkpause. Ich komme nun zu einer großen Wiese mitten im Wald, die überquert werden muss.

Wiese oberhalb vom Molkenhaus

Nach dem vorherigen Anstieg geht es nun überraschenderweise erst einmal hinunter in das schmale Eckertal, das man wohl passender als Schlucht bezeichnen könnte. Am Talende geht es hinauf zur Eckertalsperre, die vor 1990 hälftig auf die beiden deutschen Staaten aufgeteilt war, was bis zu den bilateralen Verträgen Ende der 70er Jahre zu vielen Problemen bei der Nutzung führte. Ursprünglich wurde die Eckertalsperre 1943 fertiggestellt, um den zunehmenden Trinkwasserbedarf von Wolfsburg und Braunschweig zu stillen. Die Grenze verlief in der Mitte des Stausees und auf der Staudammmauer steht heute zur Erinnerung noch der alte Grenzstein.

Eckertalsperrenstaumauer, Ehemalige Grenze

Von hier hat man einen schönen Blick auf das heutige Wanderziel der Begierde, den Brocken mit dem Sendeturm. Aber bis dahin werden noch einige Tropfen Schweiß die Stirn hinunterrinnen.

Eckertalsperre mit Brocken im Hintergrund

Es geht nun auf dem Harzer Grenzweg, einem Teil des grünen Bandes, das der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze folgt, auf einem Kolonnenweg hinauf zum Brocken. Ich treffe hier auf sehr wenige Mountainbiker, die diesen steilen Aufstieg wagen. Die im Verlauf zunehmende Steigung beträgt im Schnitt 12 bis 15 Prozent, an einzelnen Stellen sogar bis zu 20 Grad, definitiv der anstrengendste Weg hinauf zum Brocken. Ein junger Mountainbiker überholt mich so gerade eben, Geschwindigkeit ca. 5 km/h und er muss zum Teil diagonal im Zickzack fahren, um hochzukommen. Ich überhole ihn dann wieder kurz vorm Kleinen Brocken, wo er auf einer Bank die weite Sicht aufs Umland genießt und sehe ihn nicht wieder.

Kolonnenweg zum Brocken

Auch Heine ist diesen Weg – damals natürlich noch ohne Platten – wohl rauf gegangen. Ich stoße nun auf den nach ihm benannten Weg, und zwar an der Stelle, wo sich für mich Auf- und Abstieg trennen werden. Er ging auf dem Rückweg vom Brocken über die Schneelöcher, heute Nationalpark, hinunter ins Ilsetal, wohin ich ihm morgen folgen werde.

Hermannchaussee, Heinrich Heine Weg

File under small pleasures of hiking: Je näher man dem Gipfel kommt, desto häufiger frischt der Wind auf und trocknet die nassgeschwitzten Klamotten und kühlt so den Körper. Was für eine Wohltat!

Kurz vor dem Kleinen Brocken überschreite ich die 1000 Metermarke, der Brocken ist jetzt in Griffweite, aber es sind noch 140 Höhenmeter.

Oben treffe ich auf Menschenmassen, die von ihrer Physis her zu urteilen, wahrscheinlich überwiegend mit der Brockenbahn hochgekommen sind. Ich nehme bis zum Bahnhof den Rundweg auf dem Brockenplateau, der heute weite Blicke in die Umgebung freigibt; ich hatte gelesen, dass es an über 300 Tagen im Jahr hier neblig ist. Oben am Bahnhof stehe ich bestimmt 15 Minuten an für eine Thüringer Rostbratwurst und ein Weißbier, das hier auch endlich wieder richtig heißt und nicht Hefeweizen wie in Westdeutschland außerhalb Bayerns.

Brocken, Blick nach Wernigerode

Da ich im Brockenhotel keinen Platz mehr gefunden habe, muss ich nun noch die 5,5 km nach Schierke absteigen. Das gestaltet sich als gar nicht so einfach, da der Wanderweg über große, rundliche Felsbrocken verläuft, wo man genau aufpassen muss, wo man hintritt, zum Teil muss man sogar die Hände zu Hilfe nehmen, um die Steine zu überwinden. Beim Einstieg kommt mir eine Gruppe von Jugendlichen mit geistigem Handicap mit ihren jungen Lehrerinnen entgegen. Sie zu einem Nachzügler: „Komm Gazelle, da vorne ist die Straße, Du hast es geschafft!“ Jetzt im Nachhinein, wo ich die über 3 km recht anspruchsvollen Felsenweg kenne, bin ich noch mehr voller Bewunderung, ob ihrer Leistung. Die Größe der Steine nimmt übrigens während des Abstiegs ab, das ist für mich angenehm.

Abstieg vom Brocken nach Schierke

Immer wieder hört man hier den langgezogenen Ton des Signalhorns bzw. das Schnaufen der Dampflok der Brockenbahn, deren Schmalspurgleise mehrfach überschritten werden. Passenderweise treffe ich gerade auf sie, als sie durch ein ausgedehntes Gebiet mit abgestorbenen Fichten fährt.

Brockenbahn im Fichtenfriedhof

Schließlich komme ich in Schierke an, wo das erste Hotel auf der linken Seite meins ist. Es ist etwas in die Jahre gekommen, strahlt aber auch einen gewissen Charme aus. Das Einbauduschbad erinnert mich etwas an ähnliche „Weltraumbäder“ in der Studentenstadt München-Freimann aus den Siebzigern. Schierke ist ein Wintersportort, der aber sicher auch schon bessere Zeiten gesehen hat.

Schierke, Hotel Brockenscheideck

P. S. Ich habe heute rund 100 Kilo ca. 1000 m hochgeschleppt. Wenn 1 Kilo einen Meter hochhieven 10 Joule entspricht, dann hätte ich eine physikalische Arbeit von 1000 Kilojoule geleistet. Wofür ich bestimmt 1000 Kilokalorien, also über 4.000 Kilojoule Nahrung aufnehmen musste. Der menschliche Körper ist gar nicht so ineffizient, aber der menschliche Geist kann Maschinen ersinnen mit noch vielfach höherem Wirkungsgrad. Zum Beispiel den Elektromotor.

Harzreise 19.6.24, 5. Tag Goslar – Bad Harzburg

Juni 20, 2024

Hose olivgrün
Das Regencape leuchtet gelb
unterm schwarzen Schirm

Wache recht erholt in meiner JH-Kemenate auf, obwohl sowohl spätabends als auch frühmorgens schon einige Leute auf den Gängen unterwegs sind. Das Frühstück um halb acht ist besser als erwartet, der O-Saft eine Plörre, aber es gibt Körnerbrötchen sowie Naturjoghurt, etwas Obst und Müsli. Außer mir einige noch ältere Gäste sowie auch schon die ersten Kinder am Buffet.

Draußen ist es feucht, was sich auch den ganzen Wandertag nicht ändern wird. Es nieselt mit gelegentlichen Schauern.

Ich gehe die Abkürzung runter in den Ort und komme dieses Mal am Siemenshaus (1692/93) in der Schreiberstraße vorbei. Der Leitspruch der Familie – ein Zweig gründete später das Weltunternehmen – ist ora et labora.

Goslar, Siemenshaus

Am Marktplatz komme ich gerade noch rechtzeitig an für das Ende des 9 Uhr Glockenspiels, das die Geschichte des örtlichen Bergbaus ab der Entdeckung durch Ritter Ramm erzählt. Es ertönt das Steigerlied.

Goslar, Glockenspiel

Die erste Kneipe auf dem Weg, wo das kleine Pils noch 1,60 kostet, hat leider noch zu…

Goslar, Pub

Ebenfalls an der Hauptstraße liegt die St Stephanikirche, die das Konzept der offenen Kirche nur eingeschränkt realisiert. Sie ist heute von 15 bis 16h30 geöffnet. Das ist mit meiner Tagesplanung leider nicht synchronisierbar.

Hinaus aus der Kreisstadt geht es durch das Breite Tor von 1443, das die Stadt damals sicher sehr gut gegen unerwünschte Eindringlinge geschützt hat. Ich gehe nun durch die Wallanlagen am ausgedehnten Schützenplatz vorbei, wo sich eine Kirmes mit Riesenrad und Achterbahn im Dornröschenschlaf befindet. Hier kommt just ein Regenschauer runter und ich verziehe mich in ein Bushaltestellenhäuschen. Die gute Businfrastruktur rettet mich heute mehrmals davor, noch nasser zu werden als ich schon bin.

Goslar, Breites Tor

Am Ortsausgang treffe ich einen Hundebesitzer, der seine zwei stattlichen Picards – französische Hütehunde – in seinem Kofferraum verstaut. Er wünscht mir eine schöne Wanderung. Auf jeden Fall kann ich mich über Trockenheit und Hitze nicht beschweren.

Ein altes Fabrikgebäude am Straßenrand wird vom Fraunhofer-Institut für ein Reallabor zum Recycling von Lithium-Batterie-Speichersystemen genutzt. Vor der Tür stehen zwei Arbeitnehmer und rauchen.

Es geht nun durch den Wald nach Oker. Netto gewinne ich heute gerade mal 27 Meter von Goslar nach Bad Harzburg, aber es geht viel rauf und runter. Am Ortsrand von Oker sehe ich die Türme der Bleihütte im leichten Nebel, die wie überflüssig gewordene Restposten eines vergangenen Industiezeitalters in den Himmel ragen. 

Oker, Bleihütte

Kurz nach Überquerung der Oker nutze ich eine weitere Bushaltestelle, um den Durchnässungsgrad meiner Klamotten so gut es gut zu minimieren. Bis auf die Schuhe gelingt mir das auch relativ gut, die Körperwärme und der Gehwind sorgen dafür, dass die Hose nur unten richtig nass bleibt.

Ich nähere mich nun meinem Ziel und mache einen Abstecher ins Künstlercafé Winuwuk, das mit Worpswede im Zusammenhang steht. Das Haus ist originell gebaut (fast) ohne rechte Winkel, es passt irgendwie in den Harz, windzerzaust wie es aussieht. Leider macht die Galerie erst 14 Uhr auf, so lange kann ich aber nicht warten. Ich esse dort ein Tässchen mittelmäßige Gulaschsuppe für 8 Euro, was mir den Atem verschlägt, das hat mit Inflation nix mehr zu tun, das ist Nepp.

Auf den wenigen Metern, die mich jetzt noch von Bad Harzburg trennen, schaffe ich es noch, mich zu verlaufen. Es hat mit der Darstellung des Tracks als fette rote Linie auf meiner Wander-App E-walk zu tun. Das führt dazu, dass man denkt, der Hauptweg ist identisch mit dem eigenen Track, was aber nicht immer der Fall ist. Es geht ein schmaler, durch Büsche verdeckter Weg links ab, der in den Ort führt, den ich völlig übersehe, weil ich mich ja auf dem breiten Wirtschaftsweg befinde, der übrigens in der App nur gestrichelt dargestellt ist, während mein eigentlicher Trampelpfad fett rot erscheint. Na ja, alles nicht so tragisch, nachdem ich etwa 500 m leicht angestiegen bin, fällt es mir auf und ich finde dann auch Sherlock Holmesmäßig den Abzweig. Heine hat sich auf dieser Etappe übrigens auch verlaufen, er hat ebenfalls den Ort unterhalb der Harzburg, der damals noch deutlich kleiner war und noch Neustadt hieß, nicht auf Anhieb gefunden. Ich bin also in guter literarischer Gesellschaft.

Im Ort bewundere ich das vorbildliche Mülltrennungskonzept, da wird schön unterschieden zwischen Verbundstoffen, Restmüll, Glas/Dosen und Papier. Hoffen wir mal, dass die Fehlwurfquote nicht so hoch ist.

Bad Harzburg, Bunte Mülleimer

In Bad Harzburg hole ich mir mit einem per E-Mail übermittelten Code meinen Schlüssel aus dem Schlüsselkasten und lege mich in meinem Pensionszimmer erstmal hin. Der Regen hört jetzt langsam auf und ich spaziere an der wilden Radau entlang in den Kurpark. Das alte Kurhaus, das 1931 von der Nationalen Front, einem Bündnis aus NSDAP, DNVP, Stahlhelm und anderen nationalistischen Verbänden als Versammlungsort genutzt wurde, wurde  1964 durch ein modernes Gebäude ersetzt.

Bad Harzburg, Radau

Im Haus der Natur lasse ich mich im Schnelldurchlauf – mehr als eine knappe Stunde habe ich nicht – von einem Mädchen, einer Försterin und einen Nationalparkranger in Videos durch die Waldausstellung führen. Dass die Luchse gute Augen haben, wusste ich ja schon, aber, dass sie mit ihren großen Tatzen vor allem Rehe reißen, die viel größer sind als sie, war mir nicht klar. Inzwischen leben wieder rund 100 Luchse im Harz und angrenzenden Gebieten.

Bad Harzburg, Haus der Natur, Luchs mit Rehbeute

Bad Harzburg war um 1900 eines der führenden Heilbäder Deutschlands. Die Basis war eine Solequelle. Im Kurpark kann man weiterhin kneippen. Es stehen aus der damaligen Zeit noch viele Villen, die den Charme einer verlorenen Zeit verströmen.

Bad Harzburg, Villa

Harzreise, 18.6.24, 4. Tag Clausthal-Zellerfeld – Goslar

Juni 19, 2024

Nichts übereilen
Zu zweit den Blick genießen
Fachwerkoverkill

Auch in meinem luxuriösen Zweizimmerappartement wache ich morgens früh gegen halb fünf auf. Fünf Stunden Schlaf müssen reichen. Nach dem ausreichenden Frühstück packe ich meine Siebensachen, vergesse nichts und tippele durch Zellerfeld, das mir etwas gediegener vorkommt als Clausthal, die Bürgerhäuser an der Hauptstraße sind besser gepflegt. Aus dem Ort raus geht es bei Sonnenschein auf einem zweispurigen Weg, mit einem asphaltierten Teil für Fahrräder und einem schmalen Teil für Fußgänger. Die Temperaturen werden heute die zwanzig Grad leicht überschreiten, ideales Wanderwetter.

Weg aus Zellerfeld heraus

Heute am vierten Tag haben sich meine Füße eingegroovt, großartige Wehwehchen habe ich keine. Die Etappe ist mit 17,4 km überschaubar und ich gehe sie beschaulich an, warum in der Ferne schweifen, wenn das Schöne so nah ist? Ich komme wieder an diversen Teichen vorbei, die zum Verschnaufen einladen.

Kiefhölzer Teich

Im Wald dann plötzlich eine Bank, die Besorgnisse ausdrückt, die nicht völlig von der Hand zu weisen sind, aber auch von Parteien gekapert werden, die mir hinwiederum Angst machen. Die Welt ist komplizierter geworden, einfache Lösungen scheinen zwar attraktiv, werden die Probleme aber sicher nicht lösen. Ende der Klugscheißerei…

Bank mit politischer Agenda

Auf dem Wirtschaftsweg kommt ein schweres Forstfahrzeug mit diversen Baumstämmen heruntergefahren. Dort wo es herkommt, muss ich hin, den Berg hinauf. Auf dem Weg treffe ich mehrere Mountainbiker, die an den Kreuzungen die kleinen Wegschilder intensiv studieren. Ich erreiche den mit 762 Meter bisher höchsten Punkt der Wanderung, die Schalke. Auf dieser baumlosen Höhe gibt es einen Aussichtsturm, von dem man sehr schön im Osten bei bester Sicht den Brocken mit dem Sendemast ausmachen kann. Außerdem sieht man in der Ferne rechts Clausthal-Zellerfeld. Am Rastplatz um die Ecke sitzen drei Wanderfreunde, die ins nahegelegene Schulenberg gehen wollen, um dort einzukehren. Plötzlich klingelt mein Handy, ich Stoffel habe mal wieder vergessen, die Rufumleitung vom Büro rauszunehmen.

Schalke, Blick auf Brocken

Es geht nun langsam wieder hinab auf einer Piste, ein weiterer Wanderer ist gerade dabei, mich zu überholen, als er mich fragt, ob der Ort da vorne unterhalb des Brocken Altenau ist, ich kann das nach Studium der Karte im Führer bestätigen. Wir gehen nun gemeinsam den Weg nach Goslar und quatschen die ca. zwei Stunden über den Harz, das Wandern und Gott und die Welt. Er kommt aus Holzminden und ist mit dem Deutschlandticket erst mit der Bahn und dann mit dem Bus die Harzhochstraße nach Auerhahn gefahren, von wo er seine Tageswandertour nach Goslar, wo er wieder in den Zug nach Hause steigen wird, begonnen hat. Wir laufen auf dem Kamm bei schönster Aussicht erst nach Osten, dann nach Norden. Der Weg ist zwar nicht identisch mit dem in meinem Führer, der tiefer verläuft, aber das ist egal, Hauptsache wir landen in Goslar. In der Ferne sieht man schon das Bergwerk Rammelsberg, dem Goslar seinen Reichtum zu verdanken hat. Hier wurden Silbererze abgebaut, das Bergwerk war das erste Erzbergwerk auf deutschem Boden und insgesamt über tausend Jahre in Betrieb und schloss erst 1988. Man kann es heute besuchen und es gehört zum Weltkulturerbe.

Museumsbergwerk Rammelsberg

Hier trennen sich nun unsere Wege, mein Wandergenosse geht zum Goslarer Bahnhof, während ich mich in der Jugendherberge einchecke, wo ich erstmal ein Eis schlecke. Kurz nach 14h ist hier die Ruhe vor dem Sturm und ich lege mich nach der Dusche in meinem Zimmerchen für eine halbe Stunde aufs Ohr.

Goslar, Jugendherberge

Es fängt nun an zu regnen, so dass ich erst kurz vor fünf in den Ort runter gehen kann. Die frühere Hansestadt ist ein riesiges Fachwerkensemble, es wird mir fast zuviel, die herausragenden Bauten wie das Siemenshaus oder das Gildehaus Kaiserworth am Markt – heute ein Hotel – habe ich gar nicht photographiert.

Goslar, Neue Straße

In Goslar steht seit ca. 1000 die gegen Ende des 19. Jahrhunderts renovierte Kaiserpfalz, wo die deutschen Kaiser seit Heinrich dem II. dem Heiligen, gerne Hof hielten. Gegen 1250 war es mit der Kaiserzeit vorbei, nun blühte Goslar mit dem von den Welfen an die Stadt gepfändeten Bergwerk aber erst richtig auf.

Goslar, Kaiserpfalz, rechts Barbarossa, links Wilhelm I.

Neben der Kaiserpfalz steht die 6 m hohe Skulptur „Griff in die Freiheit“ von 1955, die an die Heimkehrer, Kriegsgefangenen und Vermisstenangehörigen aus dem 2. Weltkrieg erinnern soll. Außerdem steht dort eine Tafel für die über 12 Mio. Vertriebenen.

Goslar, Denkmal für Kriegsgefangene

Cut. Wer in Goslar mit dem Bus fährt, kann es sich beim Warten auf einem Thron bequem machen und sich auch einmal kurz wie ein Kaiser fühlen.

Goslar, Bushaltestelle

3806

Juni 18, 2024

Himmlischer Soul-Groove

Danke für Deine Musik

Sie ändert die Welt

[Meshell Ndegeocello – Love vom neuen Album No More Water. The Gospel of James Baldwin, das am 2.8. erscheint]

Harzreise, 17.6.24, 3. Tag Osterode – Clausthal-Zellerfeld

Juni 18, 2024

6 km/h, echt?
Der Natur am Teich lauschen
Wasser hoch halten

Ich wache so gegen halb fünf auf, aber ich war ja auch früh ins Bett gegangen, und ich tippe mein Tagebuch. Die Waden schmerzen etwas. Das Frühstück gegen halb acht üppig, die Pensionsgäste sind Frühaufsteher. Der Gastgeber, der in meinem  Alter ist, erzählt mir davon, dass er die Strecke nach Clausthal in 3,5 Stunden geht, das wäre ein 6 Km/h-Schnitt, im Führer schreiben sie von 5,5 Stunden. Ich ärgere mich, dass er es schafft, mir schlechte Laune zu machen. Ich brauche an reiner Gehzeit um die 5 Stunden, es geht allerdings auch noch zu den Teichen und ist damit nicht ganz der direkte Weg.

Startpunkt ist der große Parkplatz Bleichestelle, wo auch der Harzer-Hexen-Stieg beginnt, der über knapp 100 km über den Brocken nach Thale geht und dessen erster Etappe ich zu einem großen Teil heute folgen werde.

Ich wende mich allerdings erst einmal nach links zum Friedhof hinauf. Dort stehen die traurigen Überreste der alten Burg, man ahnt noch den Bergfried. Sie wurde wohl im 12. Jahrhundert von den Grafen von Katlenburg gebaut. Später gehörte sie Heinrich dem Löwen.

Osterode, Burgruine

Oberhalb des Friedhofs wende ich mich auf einem Weg direkt nach Osten, ein mir entgegenkommender Autofahrer bestätigt, dass es hier nach Clausthal-Zellerfeld geht, er spricht von „Zahle“. Damit vermeide ich, wieder runter zum Parkplatz gehen zu müssen. Ich komme durch Wiesenwege auf den breiten geschotterten Hexen-Stieg, der auf der Strecke bis Clausthal – und dann weiter bis Bad Harzburg – auch Hundscher Weg heißt und früher insbesondere für den Transport von Materialien und Nahrungsmitteln für die Bergleute in Clausthal sehr wichtig war. Am Wegrand die Holzskulptur einer Frau mit einer Kiepe auf dem Rücken, die bis zu 40 kg wiegen  konnte.

Hundscher Weg, Frau mit Kiepe

Der sukzessive ansteigende Weg ist breit und erinnert mich anfangs etwas an die von mir ungeliebte Wanderautobahn Rennsteig. Allerdings gibt es später dann doch einige, schöne Ausblicke. Wanderer treffe ich auch kaum. Der erste Rastplatz ist der Eselsplatz mit Stempelstelle für die Wanderer, die ihre Aktivität gerne dokumentieren.

Hundscher Weg, Eselsplatz

Es eröffnet sich nun ein Ausblick zurück nach Osterode, wo man sehr schön die kurz hinter dem Ort abbrechende Gipskante sieht. Außerdem weiter vorne, einige Häuser des heute zu Osterode eingemeindeten Straßendorfs Lerbach, das sich viele Kilometer lang an der Straße im Tal hinzieht.

Hundscher Weg, Blick auf Osterode, vorne Lerbach

Der nächste Stopp ist der Marienblick, wo man die letzten Häuser von Lerbach sehen kann. Der Mischwald besteht zu jeweils rund einem Viertel aus Fichten und Buchen, dann kommen Eichen und Kiefern. Von den Fichten hat der Borkenkäfer nur noch die kahlen Stämme übrig gelassen.

Hundscher Weg, Marienblick: Die Fichte ist tot, lang lebe der Laubwald!

Auf einer Tafel am Wegrand steht, dass ein Hektar (intakter) Wald ca. 10 t CO2 im Jahr bindet. Wenn man das hochrechnet, dann kann der deutsche Wald den überwiegenden Teil der deutschen CO2-Emissionen durch den Straßenverkehr kompensieren.

Hundscher Weg, Liebespaar

Das Waldsterben, das in meiner Studienzeit in den Achtzigern medial in aller Munde war (Stichwort saurer Regen mit der Verbindung von Stick- und Schwefeloxiden und Wasser, übrigens schon früh im Harzbergbau entdeckt), hat in den letzten trockenen Sommern in großem Maße real eingesetzt. Es ist inzwischen eine Waldfläche von der Größe des Saarlands betroffen. So steht es in dem Buch vom Waldwanderer Gerald Klamer (einem ehemaligen Förster), das ich in Clausthal erstanden habe. Die langfristige Lösung kann ja nur sein, hitzebeständigere Baumarten zu pflanzen. Das werden dann jedenfalls keine Fichten mehr sein.

Hundscher Weg, Der Wald steht still und schweiget

Das letzte Stück der heutigen Etappe ist ein Wasserwanderweg auf den Spuren der Wasserwirtschaft in Clausthal. Für das Betreiben der Silbererzbergwerke war Energie nötig, die man aus den umliegenden Teichen durch geschickte Leitung des Wassers gewann. Sie setzte dann bis zu 10 m große Schaufelräder in Bewegung, die dann Pumpen, Gebläse und Pochwerke antrieb, indem die drehende Bewegung des Rades z. B. in Auf- und Abbewegungen von Stangen umgesetzt wurden.

Ich gönne mir am Hirschler Teich eine Pause, trinke einen Liter Wasser, beobachte das Treiben der Vögel und Insekten und lausche ihren Lautäußerungen. Ich bilde mir ein, Teil der Natur zu sein und versuche für ein paar Momente einzutauchen in sie.

Vor Clausthal, Hirschler Teich

Über die Harzhochstraße, die B242, gehe ich hinunter nach Zellerfeld, wo ich mich einquartiert habe. Kurz vor dem Ziel kann ich einem Regenschauer ausweichen, indem ich im Discounter Proviant besorge. Mein Zimmer hat ein Upgrade bekommen, ich darf in einem 2 Zimmer-Appartement nächtigen, hoffentlich vergesse ich hier bei den vielen Ablageorten nichts.

Clausthal, Marktkirche

Nach der Dusche und einem weiteren Regenguss gehe ich raus. Vorher habe ich mir die Schuhe vorne noch fest zugebunden, um beim Abwärtsgehen nicht immer vorne am Schuh anzustoßen. Es macht einen großen Unterschied. Zuerst gehe ich hinunter zur B242, dann wieder hinauf die Hauptstraße, den Zellbach, in den anderen Ortsteil Clausthal. Hier stehen viele, oft ziemlich heruntergekommene Holzhäuser. Man sieht auch viele junge Leute aus allen möglichen Ländern, es gibt rund 4.000 Studenten an der TU, bei rund 15.000 Einwohnern insgesamt. Ich gehe bis zur blauen Marktkirche aus Holz, mit über 2.000 Plätzen die größte Holzkirche Deutschlands. Gegenüber ist das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie.

Interessant und im zweiten Fall erschreckend die Ergebnisse der letzten Europawahl im Harz. Im Landkreis Goslar, der die westlichen Teile vereint, war die CDU vor der SPD und der AfD stärkste Kraft, soweit so gut. Im Landkreis Harz mit dem Ostharz hingegen war die AfD vor der CDU und dem BSW an der Spitze, die SPD war nur noch einstellig. Die Ergebnisse in ganz Ostdeutschland waren ähnlich. Da gibt es nichts schönzureden, der eiserne Vorhang hat sich in den Köpfen wieder gesenkt.

Zum Nachdenken noch ein

P. S. Bevor ich einschwenkte auf den Wasserwanderweg gab es eine Hinweistafel zu den Todesmärschen der Nazis im April 1945. Vom KZ Gandersheim marschierten am Samstag, dem 4.4. 450 Häftlinge Richtung Wernigerode über den Harz. Die Nazis sperrten sie in die Zellerfelder Kirche. Viele litten an Durchfall weil sie völlig ausgezehrt Hundefutter gegessen hatten. Sie konnten nicht anders, als ihre Notdurft in der Kirche zu verrichten. Das nahmen die Nazis als Vorwand für zwei Massaker an 21 Häftlingen (Franzosen und Italiener). Viele andere KZ-Insassen bezahlten den Todesmarsch mit dem Leben. Ende April kamen noch 150 lebende Häftlinge nach  einem Güterwaggontransport in Dachau an.

Hinweistafel zu KZ-Todesmärschen im Westharz

Harzreise, 16.6.24, 2. Tag Northeim – Katlenburg – Osterode

Juni 17, 2024

Füße schwer wie Blei
Abstecher in die Kindheit
Gips unter dem Fuß

Morgens suche ich als erstes meine Brille. Sie taucht später unter den Sachen wieder auf. Das Frühstück nehme ich mit einem dänischen Paar ein, das auf dem Rückweg ist. In der Fußgängerzone bin ich alleine und sehe verschiedene Skulpuren u. a. von Momo aus dem Buch von Michael Ende, das ich als Jugendlicher von Tante H. geschenkt bekommen hatte, aber aus Arroganz nie gelesen habe. Das sollte ich eventuell mal korrigieren.

Northeim, Momo und Kassiopeia auf dem Weg zu Meister Hora (Michael Ende)

Ich verlasse nun Northeim, komme am Friedhof vorbei, wo im östlichen Teil mit den frischen Gräbern eine größere Anzahl von Muslimen an einem Grab steht, keine einzige Frau dabei. Der Imam in seiner weißen Tracht kommt auch gerade. Heute ist das Opferfest.

Mir sind heute am zweiten Tag die Beine klumpenschwer, ich habe das Gefühl, nicht voranzukommen. Auf dem Leine-Ruhme-Radweg geht es unweit letzterer meist auf Asphalt gen Osten. Vereinzelt treffe ich auf Sonntagsradfahrer, an einer Stelle geht es auf einem Schotterweg etwas bergauf und dann wieder bergab, ansonsten ist die heutige Etappe mehr oder weniger flach. Hinter Elvershausen wende ich mich nach rechts auf die Straße nach Katlenburg, dessen oberen, auf einer Anhöhe liegenden Teil man in der Ferne sieht. Ich komme an der Fruchtweinkellerei vorbei, wo es nach vergorenem Obstsaft riecht. Das Stammhaus wurde von einem Dr. Demuth 1853 erbaut.

Nun komme ich zum ehemaligen Stillehof, wo wir in meiner Kindheit häufig bei meiner Großmutter, von uns Omi Katlenburg genannt zu Gast waren. Die andere Omi, die Mutter meines Vaters, hieß Omi Einbeck, das nicht weit entfernt ist. Omi K. wohnte in einem, inzwischen abgerissenen Gebäudeteil zwischen der heute mit PV zugepflasterten Scheune und dem Wohngebäude von Bauer Stille. Da wo der weiße Kleinbus auf dem Bild steht. Ich klingele, leider ist niemand zuhause. Marlene Herwig, die Enkelin(?) von August Stille, den ich noch kannte, betreibt nun mit ihrem Mann eine Walnussveredelung hier.

Katlenburg, Klosterhof (früher Stille-Hof)

Ich gehe nun die Treppenstufe hoch zur „Burg“, was mir mit meinen schweren Beinen schwer fällt. Ich erinnere mich nicht, hier jemals zu Fuß hochgegangen zu sein, oft war ich nicht hier oben, wahrscheinlich immer mit dem Auto. Oben ist die St. Johanneskirche, wo meine Eltern im kalten Dezember 1962 sich haben trauen lassen.

Katlenburg, St Johanneskirche auf der „Burg“

Im Gebäude neben der Kirche ist die Bücherburg, wo nicht mehr gebrauchte Bücher ihre hoffentlich nur vorübergehende Heimat finden. Ich finde dort in dem recht gut geordneten Second Hand Bücherreich doch tatsächlich einen Bildband über den Harz, obwohl mir Martin Weskott, wie ich gerade übers Internet erfahre, seit 1979 Pfarrer der Gemeinde, sagte, dass Bücher über die Gegend immer sofort weggingen. Eine tolle Bücheraktion, die ihm sogar das Bundesverdienstkreuz eingebracht hat.

Katlenburg, Bücherburg

Ich verlasse Katlenburg auf der Bundesstraße 241 nach Osterode über die Brücke über die Rhume, die hier ganz flott dahinfließt, aber natürlich viel schmaler ist, als ich sie in meiner kindlichen Erinnerung habe.

Katlenburg, Rhume

Ich sehe bald im Osten in der Ferne einen mit Nadelbäumen bestandenen Berg, der Brocken war es wohl noch nicht, in jedem Fall ist der Harz nicht mehr weit. Die Bundesstraße verlasse ich in Berka und komme bald wieder auf den Radweg.

Baumsterben

Hier zieht es sich nun, ich lutsche Lakritzbonbons und komme durch das scheinbar endlose Straßendorf Droste. Im heimeligen, kopfsteingepflasterten Uehrde, das in der Gipskarstlandschaft liegt, hat jemand das Dorf zu einem Drink zu sich eingeladen. Die Gaststätte ist dementsprechend zu. Die letzten paar km schaffe ich jetzt auch noch. Am Straßenrand eine Bank und dahinter eine Rehherde. Plötzlich setzt sich der „Leitbock“ in Bewegung und die ganze Herde folgt ihm. Am Ende steht noch ein einsames Reh an der Stelle, das entweder den Anschluss verloren hat oder ganz froh ist, allein auf dem Magerrasen zu äsen.

Bei Uehrde, Rehherde

Das letzte Stück gehe ich durch ein Wäldchen die Gipskante steil hinab nach Osterode. Dort begebe ich mich auf dem schnellsten Weg in mein Dreisternehotel und erhole mich mit 0,2l Cola aus der Minibar, einer Dusche und der 2. Halbzeit Niederlande Polen, das so ausgeht, wie von mir getippt. Später gehe ich noch einmal durch den am Sonntagabend doch recht verlassenen Ort, esse beim Griechen – er heißt wirklich so – und bestaune in der Fußgängerzone noch eine Skulptur, die einen Eseltreiber zeigt, der Korn (das Getränk!) für die Bergleute in den Harz transportiert.

Osterode, Markt mit Aegidienkirche
Osterode, Eseltreiber

Harzreise, 15.6.24, 1. Tag Göttingen – Northeim

Juni 16, 2024

Holzstamm im Schatten
Literflasche H2O
Mehr brauchts nicht zum Glück

Nachdem ich am Vorabend mit dem Zug aus Frankfurt angereist bin, vom Bahnhof in mein Hotel in der Nordstadt an der Weender Straße getippelt bin, dort in der Sauna schön geschwitzt habe, zum Abendbrot einen Flammkuchen gegessen habe und die drei Tore der ersten Halbzeit Deutschland gegen Schottland genossen habe und dann eingepennt bin, geht es heute an einem am Morgen vom Wetter her wenig verheißungsvollen Samstag los auf die Wanderschaft auf den Spuren Heinrich Heines.

Das Frühstück nehme ich in einer Fast Food Kette ein, wo ich um 8 der erste Kunde bin. Es wird bis zum Abend meine einzige Mahlzeit bleiben, Orangensaft, ein kleiner Bun mit Ei und gepresstem Würstchenfleisch, ein Croissant und ein Capuccino. Der Regen lässt langsam nach. Ich habe jede Menge WandergenossInnen, auf die ich aufpassen muss, um ihnen kein Leid zuzufügen.

Weinbergschnecke on the road

Es eröffnen sich Ausblicke auf Weende, ich komme an einem Gatter mit Rehen vorbei, bin von dem Rot des langen Mohnstreifens am Feldrand hypnotisiert. Außer mir sind einige Radfahrer, Jogger und Gassigeher unterwegs. Hier entscheide ich mich, nicht Heines Route im Tal über Bovenden zu nehmen, sondern die beiden Burgen unweit des Weges mitzunehmen. Was natürlich heißt, dass es Auf und Ab geht, ich würde denken, der reizvollere Weg, ich habe ja auch mehr Zeit als Heine, der am ersten Tag angeblich 47 km von Göttingen nach Osterode ging, ich habe diese Strecke in zwei Etappen aufgeteilt.

Mohnstreifen neben Gerstenfeld

Oberhalb von Eddigehausen steht die sehr gut erhaltene Burg Plesse. Ich komme von Süden durch den Wald über den steilen Eselstieg, den ich fast übersehe. Oben angekommen habe ich das ausgedehnte Burggelände mit Eingangstor, mehreren Türmen, Burghof, Kapelle, ehemaligem Herrenbau, heute Gaststätte, ganz allein für mich. Es ist windig hier oben, das Restaurant macht erst mittags auf. Die Sicht nach Nordwesten ist gut, es ist noch bedeckt, aber der Himmel wird sich im Laufe des Tages aufklaren.

Burg Plesse von Süden
Burg Plesse, Wehrturm
Blick von Burg Plesse

Auf der Karte sieht es nicht weit aus, aber laut Maps sind es 7 km zu meinem nächsten Zwischenziel, der Burgruine Hardenberg, passenderweise waren wir ja vor kurzem auf der Burg Neuhardenberg 60 km nordöstlich von Berlin, wo ein anderer Teil der Familie Hardenberg später residierte. Ich komme etwas vom Weg ab, der durch Laubwald verläuft, ich muss durch den zugewachsenen Wald recht steil absteigen, mache eine Trinkpause im Restaurant Rodetal und komme schließlich nach Nörten-Hardenberg, wo ein größeres Reitertreffen stattfindet. Oben am Tor der Burgruine steht ein Schild, dass das Betreten verboten ist aufgrund von Einsturzgefahr, offensichtlich ein Witz. Hier ist auch eine Nebenstelle des Standesamtes, es hat sich eine Hochzeitsgesellschaft eingefunden, die gerade ihren Aperitiv nimmt. Oben steht ein älterer unscheinbarer Herr, der mich darauf hinweist, dass wir (!) hier nicht mehr lange bleiben können, weil die Hochzeitsfeiernden demnächst das Tor schließen werden, um ihre Ruhe zu haben. Ich bin mir ziemlich sicher, dass dies der Burgherr war, bin aber zu verdutzt, zu fragen. Bei Hardenberg wird es den Germanisten in den Ohren klingeln. Der früh gestorbene Romantiker Novalis gehört auch zur Familie, wurde aber auf einem anderen Gut der Familie in der Grafschaft Mansfeld geboren.

Burgruine Hardenberg
Blick von Burgruine auf Nörten-Hardenberg

Von Nörten-Hardenberg sind es etwa noch 10 km zu meinem Etappenziel. Ich finde einen Wiesenweg, der teilweise am Waldrand nach Norden verläuft und mich bis kurz vor Sudheim bringt. Anschließend stoße ich auf die vielbefahrene B3, kann aber meist auf dem Grünstreifen zwischen Radweg und Straße unter blühenden, gut duftenden Linden laufen. Ich treffe dort außer Autos bis kurz vor Northeim niemanden.

Am Stadtrand ein weiterer Outpost der o.n. g. Fast Food Kette, wo ich unbedingt einen Milk Shake zu mir nehmen muss. Das Eis ist so kalt, dass ich beim Trinken mit dem Strohhalm hinter der Nase einen Kälteschock mit leichtem Kopfschmerz erleide, Anfängerfehler. Ich beobachte das Treiben im Restaurant, bin überrascht, dass die meisten ihre Bestellungen über die Displays aufgeben und nicht mündlich. Etwas spooky, aber evtl. sogar schneller, weil die Bestellungen oft ziemlich komplex sind. Außerdem fällt mir auf, dass insbesondere Frauen, die hier essen gehen, fast durchwegs vollschlank sind. Keine so wirklich überraschende Beobachtung.

In Northeim gehe ich in mein Hotel, dusche mich, leiste mir mehrere Weißbiere, gucke den Spaniern zu, wie sie die Kroaten vernichten und futtere nach einem Gang durch  die schmucke Fußgängerzone voller Fachwerkhäuser am Münsterplatz Schnitzel mit Spiegelei und herrlich krossen Bratkartoffeln.

Die Füße spüre ich überraschend stark nach der Wanderung, habe leichten Muskelkater und einen ganz kleinen Wolf. Also eigentlich alles ganz normal nach dem ersten Wandertag.

Northeim, Fußgängerzone
Northeim, Münsterplatz

3805

Juni 15, 2024

Baumstamm im Schatten

Literflasche H2O

Mehr brauchts nicht zum Glück

3804

Juni 14, 2024

Werde angeschnorrt,

Menschen reden ins Handy,

mit mir spricht keiner

[F-Hbf]

3803

Juni 14, 2024

Sie hat mir gefehlt,

Deine Stimme voller Soul

Glad to have you back

[Joan As Police Woman – Long for Ruin]

Der Blick von meiner Lieblingsbank nach Westen zum Altkönig am Morgen, vorne links im Schatten Kimba im Gras

Juni 13, 2024

3802

Juni 13, 2024

Null Bock auf Gassi

Sie setzt sich in den Schatten

Kimba kneippt im Bach

3801

Juni 13, 2024

Von ihnen bleiben

nichts als Erinnerungen

Die Gestorbenen

3800

Juni 13, 2024

Der 2. Weltkrieg

Vom Osten der Republik

nie verarbeitet

3799

Juni 12, 2024

Wie man im Sommer

in den Süden fahren kann

Ewiges Rätsel

3798

Juni 12, 2024

Cover me, darling

Serge’s Wortspiele mit „ex“

n’ont pas pris une ride

[Françoise Hardy – Comment te dire adieu]

3797

Juni 11, 2024

Bis zum Horizont

Der Weg eine Linie

Auf dem Seil tanzen

3796

Juni 10, 2024

Dem Tod frohgemut

ins Auge hineinblicken

Der Wiener kann das

[Ludwig Hirsch – Komm großer schwarzer Vogel]

3796

Juni 8, 2024

Einfach nur gehen

Fuß vor Fuß und Schritt für Schritt

Ganz im Hier und Jetzt

3795

Juni 7, 2024

Hinter Magdeburg

rechts der Autobahn ein Feld.

Ein rotes Meer: Mohn!

3794

Juni 7, 2024

Vor Ampel gegähnt

Rentner auf Rad neben mir:

„Einfach mehr schlafen!“

3793

Juni 7, 2024

Vor roter Ampel

auf stehendem Rad sitzen,

mit Lenker schlenkernd

3792

Juni 7, 2024

Noch Potenzial

Eine Fremde anlächeln

Aus Lebensfreude

[Gianna Nannini – Sorridi]

3971

Juni 5, 2024

Das Weltall besteht

im Wesentlichen aus Nichts

Ist das nicht traurig?

[Fennesz – Shisheido]

3970

Juni 5, 2024

Mikadomäßig

das Rad herausgehoben

aus dem Radständer

3969

Juni 5, 2024

Je mehr ich trinke,

desto mehr bin ich ich selbst,

dachte ich lange

3968

Juni 4, 2024

Hinter den Ohren

für den Brillenbügelsitz

die Haare kürzen

3967

Juni 4, 2024

Kurdischer Frisör

Versengte Ohrenhärchen

Zündplättchengeruch

3966

Juni 3, 2024

Die Futtersäule

Ein Spatz unter dem Stäbchen

ein andrer darauf

3965

Juni 2, 2024

Einst Pogo getanzt.

Heute gucken die Leute,

wenn ich sie streife.

3964

Juni 2, 2024

Die Stimme scheint hell.

Überirdisch. Todtraurig.

Sie spricht Deutsch und lacht.

[Beth Gibbons @Verti Music Hall, Berlin)

3963

Juni 2, 2024

Drei junge Mädchen

stehen da, starren mich an

Güntzel-U-Bahnhof

3962

Juni 2, 2024

Suizid missglückt,

überlebt Sachsenhausen,

Deutscher Widerstand

[Carl-Hans Graf von Hardenberg]

3961

Juni 2, 2024

In zwei Minuten

mehr sagen als die meisten

im ganzen Leben

[J. S. Bach – Das Wohltemperierte Klavier Präludium C-Dur (András Schiff)]

XIX

Juni 2, 2024

Mozarts Leichtigkeit

Bachs tiefe Harmonien

Liszts Unbändigkeit

Byrd’s unbeugsamer Glaube

Widor’s Orgelshownummer

[Kit Armstrong an Flügel und Orgel @Schinkelkirche Neuhardenberg]

3960

Juni 2, 2024

Into the forest

Seen, fichtenumstanden

Farb- und Lichtspiele

[Der Himmel über Brandenburg @Schloss Neuhardenberg]

XVIII

Juni 1, 2024

Lichter Laubmischwald

Kranichpaar fliegt auf im Bruch

Wiesenweg zurück

—-

Ein See, von Schwänen bedeckt

Zeckenkopf rausgezogen

[Altfriedland, Klosterseerundweg]