Achtzig Sekunden
Fingerpicking-Wirbelwind
Für Schwindelfreie
[Bert Jansch & John Renbourn – East Wind, 1966]
Achtzig Sekunden
Fingerpicking-Wirbelwind
Für Schwindelfreie
[Bert Jansch & John Renbourn – East Wind, 1966]
Saal voll. Popcornduft.
Summende alte Männer
mit Jungensblasen.
—
Näselnd-nuschelndes Landei
lässt am Ende die Sau raus
[James Mangold – A Complete Unknown]
Übers Mittelmeer
Mit Oud, Cello, Klavier, Bass
Zu neuen Ufern
[Anouhar Brahem, Anja Lechner, Django Bates, Dave Holland – After the Last Sky]
Zwei Herren der Welt
Rechtskräftig Verurteilter
und Massenmörder
Mit Pferdewagen
losziehen, Augen öffnen
Natur einatmen
[Vashti Bunyan – Rose Hip November, 1970]
Gewalt beim Frühstück
Milchkarton im Tetrapack
den Kopf abdrehen
Es entfaltet sich
eine friedliche Landschaft
vor meinen Augen
[Harold Budd & Brian Eno – An Arc of Doves von The Plateaux of Mirror, 1980]
Cockpit, Luxembourg
Strawberry Daiquiri flash
Sommerterrasse
[Green Cosmos – Opus X von Abendmusiken, 1983]
Vorhin auf dem Ergometer habe ich zur Abwechslung mal Jazz gehört. Es ging recht leise los, also habe ich den Bluetooth-Lautsprecher übers Handy lauter gestellt. Irgendwann – mein Ergometer-Programm steigert die Leistung um 25 Watt alle 2 Minuten bis zum Maximalwert, heute 270 Watt, der dann 15 Minuten gehalten werden muss, bevor es dann 6 Minuten wieder sukzessive runter geht mit der Leistung – habe ich das Handy auf den Teppich geworfen, weil der Tretwiderstand so stark geworden ist, dass er mir alles abverlangt hat, dass ich in meine konstante Trittfrequenz kommen musste, weil ich das 27 Minutenprogramm ansonsten nicht durchstehe. Na ja auf jeden Fall fiel mir dann, nachdem das Handy unerreichbar auf dem Boden lag, plötzlich auf, dass die Musik evtl. etwas zu laut war für die Nachbarn. Vor allem das Saxophon hörte sich so an, als würde es mir jemand in 1 Meter Abstand ins Ohr blasen. Am Ende hat sich niemand beschwert und ich habe mein Programm erfolgreich durchgezogen, es war also alles paletti.
Achso, was ich vergessen habe, das erste Stück auf dem Album, das den Titel Über dem Berg trägt, fängt mit einem repetitiven Kalimbapart an, ein bisschen wie bei Steve Reich’s Drumming, meinem Lieblingsalbum von 1974. Wo sich die Drumpatterns ganz langsam verschieben, so dass man es kaum merkt. Minimal Music, die Erste. Zurück zu Green Cosmos, einer deutschen Band, deren einziges Album Abendmusiken aus dem Jahr 1983 geblieben ist. Ich frage mich gerade, ob man die Platte unter Spiritual Jazz subsumieren könnte. Ich glaube ja, auch oder gerade weil sie in vielen Stücken diese lässige Late Night Atmosphäre ausstrahlt. Ja, es stimmt, der Pianist spielt so locker wie Bill Evans, die Töne perlen z. B. bei Concentration nur so aus dem Klavier. Der Saxofonist hat seinen John Coltrane und seinen Pharoah Sanders inhaliert, wobei er seine eigene Intonation hat, nicht so wild und expressiv wie Pharoah spielt, aber mindestens genauso spirituell. In Vollmondscheinsonate hat er diesen zärtlichen Nebelton, einfach umwerfend. Der Bassist thront über dem Ganzen wie Kronos in der griechischen Mythologie, der Bass – besonders schön blubbernd auf Kalimba Suite, Part 1 – hält den Laden zusammen. Meine Lieblingsstücke sind Lovely Suite und der Closer Opus X. Beide sehr lyrisch und wundervoll melodisch. Aber auch sonst ist dies ein von Grund auf entspanntes Album, das gleichzeitig vor Spielfreude sprüht, an dem man seine Freude haben muss. Jazz at the top of its game. Mit einer großen Bandbreite, ohne Berührungsängste mit verschiedensten Stilen. Mehr kann man von Jazz nicht verlangen.
Ein Dankeschön an Michael Engelbrecht, ohne den ich dieses Album niemals entdeckt hätte.
Vor vierzig Jahren
Sonne. Boot. Marmara-Meer.
Mein erster Ayran!
Mütze auf dem Kopf
Kalte Hände auf dem Rad
Wo bleibt der Frühling?
Kehlige Stimme
Als hätte er gesoffen
Trost von down under
[Ed Kuepper – Sea-Air, 1986]
Ein komplettes Buch
über das Lied River Man
von Nick Drake schreiben
[Ich lese gerade die neue, gut recherchierte „Annäherung“ von Jürgen Goldstein an meinen „traurigen Helden“]
Beschauliches Meer
Viele emsige Menschen
Friede sei mit euch!
[Bernie Maupin – Ensenada von The Jewel in the Lotus, 1974]
hartem Widerstand
gleichmäßige Trittfrequenz
entgegensetzen
We move in silence
.. found a way to shape my rage
Peace, love, unity
[Greentea Peng – TARDIS (hardest) from Tell Dem It’s Sunny]
Benommenheit nach
halbstündiger Siesta
Rausch ohne Kater
In rear mirror
present moving away
Heading towards past
Ich höre das Lied,
und es scheint mir, das muss doch
über Nick Drake sein
[John Martyn – Solid Air, 1973]
Vor vierzig Jahren
mein bester Freund. Erkennt mich
im Traum nicht wieder
Wortkarge Jugend
Redseliger Lebensherbst
Ein Männerleben
Was hast du gesagt?
Wie bitte? Ich verstehe
mein eignes Wort nicht
[Jamie xx feat. Romy – Loud Places, 2015]
Konfuse Zeiten
Wo es langgeht, entscheidet
heute der Wauwau
Sonore Stimme
Warum geht er an Straßen?
Plötzlich war er weg
[Wolfgang Büscher liest aus Der Weg bei Ferlemann & Schatzer]
Schlummernde Schönheit
Die Welt ist tiefer gedacht
Gefühl schlägt Verstand
[Anja Lechner & Vassilis Tsabropoulos –
3 morceaux après des hymns byzantins: II]
Um fünf Gang zum Klo
Vater besänftigt Mutter
Das Schluchzen hört auf
Vom Gurren geweckt
Elsternpaar im Nest vereint
Ganz oben im Baum
Blick in Rückspiegel
Blendende Abendsonne
Spurwechsel riskant
Leichtigkeit des Seins
Hasch mich, ich bin der Frühling!
Frauen an die Macht!
[Throwing Muses – Not too Soon, 1991]
Dröhnen der Heizung
Es juckt am ganzen Körper
Sand in den Augen
Tiefstehender Rhein
Laarer Promenade voll
Reger Schiffsverkehr
Sie tuschelt zu mir:
„Was macht der fremde Mann hier?“
Krankheit schreitet fort
Familienkreis
Ein reichhaltiges Frühstück
Saft und Tee für mich
Schlucke Heilerde
Draußen schnurrt miaut ne Katze
Halb vier Uhr morgens
Astral Weeks, jemand?
Entwaffnende Offenheit
Samtene Stimme
[Rosali – Rewind]
Niemand möchte es
Viele werden es trotzdem
Ganz allein sterben
[Antony & the Johnsons – Hope There’s Someone, 2005]
Als ein anderer
aus dem Film rausgekommen
als reingegangen
[Petra Volpe – Heldin]
Bei einem Gläschen
Flirt mit zarter Melodie
Hinaus ins Freie
[Sylvie Courvoisier & Mary Halvorson – Bone Bells]
Wohlige Wärme
In Matratze versunken
Unter Bettdecke
Magische Stimmung
Trompete im Bambuswald
Nach Hause denken
[David Sylvian – Brilliant Trees, 1984]
Lebensbegleiter
Nicht mehr unter uns weilend
Wunden der Seele
polyrhythmic drums
tight, not a second wasted
bass kills, guitars blast
[Smashing Pumpkins – I Am One from Gish, 1991]
From out of the blue
Wrapped me around her finger
And vanished again
[The Cranberries – Linger, 1993]
Auf Gassirunde
Mehrmals Pferdeapfelduft
Pferde nicht in Sicht
Weißes Blütenmeer
Auf dem Weg nach Mammolshain
Schneeglöckchenwiese
Hinter Klappläden
Breites Grinsen der Sonne
Der Frühling ist da!
[Shelleyan Orphan – Burst aus Humroot, 1991]
Spätabends knülle
Musik von früher hören
Freien Lauf lassen
Zugucken wie der
Häcksler die dicken Äste
des Apfelbaums frisst
Gitarrenkrachen
Tief ins Herz der Finsternis
Fade out mit Feedback
[Giant Sand – Seeded (‚tween Bone and Bark) aus Center of the Universe, 1992]
Treffe ich dich, gibst
du mir’s Gefühl, dein Lächeln
ist allein für mich
Midwest. Achtziger.
Sechzehn. Endloser Sommer.
Liebe und Abschied.
[Benedict Wells – Hard Land]
Motorischer Beat
Gitarrentrip ohne Ziel
Neu! lassen grüßen
[Yo La Tengo – End Credits von der Soundtrack-EP Old Joy]
Intervallfasten
Vierzehn Stunden Vorfreude
aufs nächste Essen
Some kind of fatigue
Guitars stopping the time pass
Cortez memories
[Eleventh Dream Day – Just Got Home (in Time to Say Good-Bye), 2021]
Nachteskapaden
Fingerspitzengefühle
Aus Handgelenken
[Yo La Tengo – Today Is the Day, live on McEnroe, 2004]
Abendsonne scheint
Satte, braune Farbtöne
Die Erde leuchtet
Bis hundert zählen
In Melatoninstarre
Entspannt im Hier-Jetzt
Es ziehen vorbei
Heerscharen Verkleideter
Ich säge im Baum
There is no music
I ever listened to that
touched me more than his
[Jeroen Berkven – A Skin Too Few. The Days of Nick Drake]