Vor fünfzig Jahren:
eine Woche Leichtigkeit,
dann der Terror live.
Vor fünfzig Jahren:
eine Woche Leichtigkeit,
dann der Terror live.
1972 war Jesse Owens ein Jahr jünger als ich heute bin. Jesse Owens, der 1936 zu einem Zeitpunkt, der für mich in der Frühgeschichte der Menschheit liegt, auf dem Höhepunkt seines Lebens war. Während 1972 für mich vorgestern war. Ein ziemlich aufregendes Jahr. Ein Jahr, das in gewisser Weise den Beginn der modernen, unsicheren Zeit darstellt. Ich lese gerade ein Buch über die Olympischen Spiele in München. An die Namen vieler Olympiasieger erinnere ich mich noch.
Am folgenden Tag
nach Ergometer-Einheit:
Der Gang federleicht
Joggende Frauen,
die mich erst überholen,
dann weitergehen
Fast schwarz vor Augen
bei dem Zähneputzen nach
Ergometertrip
Am Ledersessel
klebt der verschwitzte Rücken,
löst sich langsam ab
Mit einem Kopfsprung
ins seichte Wasser sterben
nur meist junge Männer
Korrelation
zwischen Ausgeschlafenheit
und leichten Beinen
Morgenschwimmrunde
Wasser vierundzwanzig Grad
Am Strand von Racou
Befreit aufspielen
ohne Würfe zu zählen:
Jonglierhamsterrad
Karambolage,
Fangfehler, seitlicher Wurf,
Kein Fang-Wurf-Umstieg
Morgenluft schon lau
„Kalte“ Dusche erfrischt noch
nach Joggingrunde
Um sieben gejoggt
Thermofenster ausgenutzt
Bachstelze fliegt vor
Im Hängesessel
mit Pomuskeln rotierend
unterm Apfelbaum
Einsamer Morgen
Jog durch gemähte Wiesen
Im Heu versunken
Nach Sport kalt duschen
und nie mehr damit aufhör’n,
zum Fisch mutieren
Kaninchen en masse
Elektrorollstuhlfahrer
Drei Walkerinnen
Mit jedem Laufschritt
klebt nasses T-Shirt fester
an Oberkörper.
Auf nur einem Bein
mit drei Bällen jonglieren:
noch Luft nach oben
Meister Lampe lacht
über hundert Kilo Mensch,
spurtet Feld entlang.
Weicher Fall ins Gras
Gänseblümchenwiesenmahd
Klinker erneuert
Jog durchs hohe Gras
Mäusebussard getroffen
Brennnesseln gespürt
Auf Ergometer
30 Sekunden Endspurt
mit 40 Stuckis
Laufgruppe schwenkt ein.
Der Abstand wird nicht kleiner.
Sie dreht nach links ab.
Knie schmerzt. Umgeknickt.
Beine schwer. Durchgebissen.
Warte auf S-Bahn.
Morgens und abends
geh’n bis Feder entspannt ist.
Aufziehmännchen sein.
Die Sonne geht auf.
Zwischen sattgrünen Wiesen
ein langer Schatten.
Elster auf Holzzaun
Sehr grüßfreundliche Menschen
Die Moersbachschnellen
Kaninchen, Tauben
Windrad im Morgennebel
curro ergo sum
Acht Stunden gepennt.
Frostige Streuobstwiesen
bei Sonne durchrannt.
‚Waow!‘, rief die Frau,
als ich in kurzer Hose
bei Frost vorbei lief
40 Minuten
Jogging bei sonnigem Frost
Prime Time mit mir selbst
Morgensonnenjog.
Weit weg dröhnt es dumpf. Erst Schreck.
Ist nur die S-Bahn!
Der Boden steinhart
Locker zwei Runden gejoggt
Die Kniee halten
Seit knapp 5 Monaten
erster Doppelrundenjog
Zeit nebensächlich
Boden gefroren
Sonne blinzelt durch Wolken
Hundeleut‘ grüßen
Windböen, Niesel.
Mit beschlagener Brille
durch Matschwies’n gerannt.
Auf der Wand vor mir
drei sich jagende Schatten.
Das Jongliergleichnis.
Morgensonnengruß
Obstwiesen zugefroren
Es knackt und knistert
Joggen in T-Shirt
– egal bei welchem Wetter –
und kurzer Hose.
Gehe Kiesel-Auffahrt hoch,
das Tor bereits halb geöffnet,
nach nur wenigen Laufschritten
fühle ich das linke Knie,
gehe es langsam an,
links den asphaltierten Chemin de la Boutade hinab,
vor mir hinter einem rötlich-braunen,
in Morgensonne getauchten Streifen
die Corbières,
rechts ist das Mittelmeer zu erahnen,
davor in der Ebene,
die weiße Kathedrale von Elne,
links zum Greifen nah,
der langgezogene, mit Puderzucker bestreute
Bergrücken des Canigou-Massivs,
schneeweiß, jungfräulich,
in der Sonne glänzend,
die Landschaft vollkommen beherrschend,
vor der Doppelkurve
mit dem Schlenker
das Ortsausgangsschild,
laufe vor einer Linkskurve
rechts in das Wäldchen hinein,
über die Straße
dann zwischen alten Weinstöcken,
an der kleinen Brücke am Ortsrand von Saint Génis
der tiefste Punkt der Tour,
nun geht es aufwärts, erst leicht,
dann 100 m Steigung rauf zwischen den Pinien,
am Himmel die Halbmondsichel, abnehmend
rechts daneben fliegt
ein die Sonne reflektierendes
Propellerflugzeug durchs Bild,
vor mir im Hintergrund
erheben sich die grün bewaldeten Albères,
auf der rechten Straßenseite
– ich laufe links –
geht ein Paar mit zwei Hunden,
sie leinen sie beide an,
der Schäferhund schweigt,
der kleine Köter kläfft
als ich vorbeilaufe,
nun im Einfamilienhaus-Neubaugebiet
von Villelongue,
am Friedhof vorbei
hinaufgeschnauft ins Ortszentrum,
die enge Kurve
vor der Départmentale nach Laroque
schneidet ein dunkler französischer Kleinwagen
fährt Millimeter an mir vorbei,
ich kann mich gerade noch
an die mit Wein bewachsene
Hauswand schmiegen,
noch ein paar Meter
bis zum Zebrastreifen,
dem höchsten Punkt,
in der Ferne
der Pic Martineau,
lasse die Beine locker auslaufen,
den Berg hinab
bis zum Ortsausgang,
dann rechts quer durch
ein Stück Wiese
hinunter zur ersten Brücke
hinter der Kurve,
die Straße wieder eben,
der Himmel voller Schäfchenwolken,
eine Amsel singt ihr Morgenlied,
rechts vor mir Schleierwolken
links unterhalb des Néolous,
da wo die Albères
langsam zum Mittelmeer hin auslaufen,
versucht die Sonne aufzusteigen,
überquere noch zwei Brücken,
vor mir zwei Frauen,
die eine jung, die andere alt,
was ich erst sehe
als ich sie links überhole,
setze zum Endspurt an,
direkt vor dem Ortseingangsschild
geht das Tor auf.
[33:18]
A jogging group that
meets daily before sunrise
in all big cities.
Canigou versteckt.
Frischen Jogger überholt.
Am Ende spurtlos.
Der Typ, der abends
zehn Runden um den Block läuft
in kurzer Hose.
Orgeldrones pushen
zu Hundertertrittfrequenz
auf Ergometer.
Baumsilhouetten
schälen sich aus Frühnebel.
Sinke ins Geläuf.
[20:22]
Kaninchenblumen.
Leuchtende Gassigeher.
Jog ins Morgenrot.
Von der Dämmerung
in das Morgenlicht gejoggt.
Wolkendecke dicht.
Drehe Laufrunde,
sehe fern am Horizont
Sonne aufgehen.
Morgenfrische-Jog.
Fenchel-, Kamillendüfte.
Spätsommer gibt Gas.
Ein Zusammenspiel
von Händen, Augen, Gehirn,
Bällen und Schwerkraft.
Auf Ergometer
klatschnass geschwitztes Handtuch
völlig auswringen.
Hoher Ruhepuls.
Warm. Anfangs langsamer Tritt.
Durchgebissen. Yeah!
Lange Schürfwunde
am Schienbein nach missglücktem
Mini-Trimm dich-Sprung.
In Streuobstwiesen
den kühlen Sommermorgen
am Schopfe gepackt.
Die Brille beschlägt
beim Sommermorgenjogging.
Nachschweiß strömt nur so.
Karnickel verschreckt.
Kornweihe vom Ast verscheucht.
Am Moersbach gejoggt.
Die Mensch-Maschine
und das Radergometer:
Hochzeit im Himmel.
Erst als ich weglauf,
bellt der Hund, den ich joggend
überholt habe.
Richtig ausatmen,
um genug Platz zu schaffen
für den Sauerstoff.
Werfen statt denken.
Mit den Bällen verschmelzen.
So geht Jonglieren.
Der Rückwärtsläufer
läuft auf dem Hinweg vorwärts
und zurück rückwärts.
Sonne steht schon hoch.
Jogging mit Vogelkonzert
in Streuobstwiesen.
Zeit aufgehalten.
So gut wie 2005
mit 2-9-0 Watt.
Maximalleistung
auf Hometrainer nicht erhöht.
Ruhepuls zu hoch.
Wurfbahnen, die sich
im Unendlichen schneiden.
So geht Jonglieren.
Sitz‘ auf Lieblingsbank.
Drei Radler pesen vorbei.
Der Gegner: die Zeit.
Gravitation
so einsetzen, dass Bälle
in Hände fallen.
Nimm die drei Bälle.
Guck unfokussiert nach vorn.
Es kann losgehen.
Karambolage.
Auf Boden nieder prasselt
Jonglierballreigen.
Voll aufgedreht nach
morgendlichem Sport-Exploit
für Rest des Tages.
Trotz hohem Startpuls
recht niedriger Endpuls dank
gefundenem Tritt.
Siebenundzwanzig
Minuten können einen
ganzen Tag retten.
Nicht genug Selbsthass,
um auf dem Ergometer
zum Ziel zu kommen.
Eintausend Würfe
bei der Dreiballjonglage.
Rund fünf Minuten.
Sich erst auspowern,
dann jede Muskelfaser
einzeln entspannen.
Zwei km vor Ziel
auf Ergometer entgleist:
Senkel um Kurbel.
Buttermilchgenuss
nach Schwitzen auf Hometrainer.
Himmel auf Erden.
Erst zwackt das linke,
dann tut das rechte Knie weh.
Schließlich Wadenkrampf.
Die neuen Häuser
bejubeln meinen Einlauf
ins Dorf Villelongue.
A l’aube je double
les éboueurs qui m’observent
avec des grands yeux.
Im Morgengrauen
sachte gejoggt wegen Knie.
Canigou in clouds.
Wirf die Bälle hoch
und pflücke sie in der Luft.
Und wieder von vorn.
Die Geschichte vom Laufen. Laufen, um von etwas wegzukommen. Mit dem eigenen Körper das System Weißer Hirsch ausschwitzen, wegarbeiten, aus sich rauskriegen. Schritt für Schritt. Bis ich so schnell rennen konnte, dass ich aus mir rauslaufen würde. Der Körper sollte herhalten, um in einen Zustand zu kommen, der nur mir allein gehörte. Ganz vorn war der. Und da so schnell demmeln, dass ich nicht mehr erreichbar sein konnte von niemanden und nichts. Darum ging es.
[Ines Geipel – Mauerkinder, S. 93/94]
Die Füße schmatzen
auf stark durchweichtem Boden,
der kaum Halt bietet.
Ich frage mich, ob ich besser oder schlechter jonglieren würde, wenn der nächste runtergefallene Ball mein Todesurteil wäre. Natürlich mit einer vorher definierten Mindestwurfzahl z. B. 300. Man muss dazu sagen, ich zähle die Würfe beim Jonglieren und zwar laut. Ich glaube, es würde keinen Unterschied machen. Beim Jonglieren ist man so im Jetzt da lauert die Gefahr hauptsächlich darin, dass man sich ablenken lässt, dass man anfängt, zu denken. Im Moment des Jonglierens würde das über einem schwebende Fallbeil nichts ändern. Während des Jonglierens würde ein Denken daran das Risiko zu versagen sogar eher vergrößern da man ja gerade im Automatismus, sozusagen auf Autopilot sein muss, um es zu schaffen. Da braucht man keine Zusatzmotivation.
Obwohl es sein könnte, dass ich vor Publikum fehlerfreier jongliere als ohne. Weil die Konzentration eine andere ist. Sich vor anderen zu blamieren ist einfach etwas anderes als dies vor sich selbst zu tun. Kann es sein, dass die Eitelkeit stärker ist als die Todesangst? Seltsamer Gedanke.
Ein Fehler, der mir oft passiert ist es, mich in Sicherheit zu wiegen. Sagen wir, ich habe mir 300 Würfe vorgenommen und ich habe 250 geschafft. Wenn ich jetzt anfange zu denken, dass ich schon fast am Ziel bin, der Rest ist ein Klacks, dann ist das der Beginn eines Abschweifens von den Objekten, die im Fokus stehen, den in der Luft fliegenden Bällen und rächt sich meist sofort. Oder ganz ähnlich, ich bin kurz vor dem Ziel und mache mir bewusst, dass ich fast da bin und es schaffen muss. Dann werde ich nervös und verkrampfe mich und mache einen Fehler. Entweder werfe ich zwei Bälle gegeneinander oder schaffe es nicht, einen Ball zu fangen weil z. B. die Würfe nach oben nicht senkrecht genug sind.
Ich kann es bis heute nicht fassen, dass ich noch mit über 35 jonglieren gelernt habe. Damals einfach aus einer schriftlichen Anleitung, erst mit zwei dann mit drei Bällen, schönen bunten Jonglierbällen, die super in der Hand liegen. Man muss es sich trauen, etwas üben und es kommt dann irgendwann. Es wird aber für mich immer ein Wunder bleiben. A propos Jonglierobjekte, habe ich das schon mal geschrieben im Blog? Ich glaube in Boston war es, da sahen wir einen Typen, der hat doch tatsächlich mit Toastern jongliert.