Die Welt entgleitet
Ist heute nicht Weihnachten?
Stete Gegenwart
Die Welt entgleitet
Ist heute nicht Weihnachten?
Stete Gegenwart
Um sein Leben schrein
Hinterm Türspalt ein Lichtschein
Stehen bleibt keiner
Unglücklich wegen
gefühlter Nutzlosigkeit
Daran ansetzen
Es sieht ganz so aus,
als könnte ich mir demnächst
ein Maßband kaufen.
Achterbahnschlafen
Eine Nacht ein Murmeltier
Dann wie gerädert
Sie konnte es nicht
fassen, dass ich schon länger
über sechzig bin
Nicht selbstverständlich
Schlüssel im Schloss umdrehen
Lichtschalter drücken
Wenn es nicht mehr klappt,
die Haustür abzuschließen
mit dem Schlüsselein
Blick in ihr Gesicht
Letztes Mal war sie noch jung
Zeit kennt kein Pardon
Im Laden fällt mir
Luftpumpe runter, die mir
junge Frau aufhebt
Aus Schlaf geklingelt
Ihr Nachthemd klatschnass geschwitzt
Jammern, Trugbilder
Sie bedankt sich, dass
ich es mit Fassung nehme
Lichte Momente
Der Blick der Greisin
Diffus, durchdringend, entfernt
Aus dem Zwischenreich
immer weniger
ändern wollen
alt werden
Im alten Zimmer
Wir saßen auf dem Teppich
vor vierzig Jahren
Kollegen von Lux.
nach Vierteljahrhundert nicht
wiedererkennen
Saal voll. Popcornduft.
Summende alte Männer
mit Jungensblasen.
—
Näselnd-nuschelndes Landei
lässt am Ende die Sau raus
[James Mangold – A Complete Unknown]
In rear mirror
present moving away
Heading towards past
Vor vierzig Jahren
mein bester Freund. Erkennt mich
im Traum nicht wieder
Wortkarge Jugend
Redseliger Lebensherbst
Ein Männerleben
Die Sehnsucht nach den
Aus den Augen Verlornen
steigt mit dem Alter
Die ersten Schritte
für das linke Knie schmerzhaft
bis es sich rund läuft
In Endlosschleife
immer dieselben Fragen
cool beantworten
Linker Ringfinger
schräg zur Seite abgespreizt
will nicht mehr zurück
Alterserscheinung
Andauernd strenger riechend
Eigene Pisse
Sie pflegt ihn zuhaus
Das Babyphone Nabelschnur
Der morgende Tag
[Helga Schubert – Der heutige Tag]
Wenn ich bei euch bin
Gefühl, ich kann nicht helfen
Aber das stimmt nicht
Schön und jung und stark
Gib mir ein Brett zum Tanzen
Nimm dir, was du willst
[DAF – Verschwende Deine Jugend]
Mit jungen Leuten
zusammenzuarbeiten
Lebenselixier
Diebische Freude
jeden Tag die ganze Welt
neu zu entdecken
Sauge unterm Bett
auf dem Boden liegend Staub
Komme kaum noch hoch
Wir wachen alle
eines Tages als Käfer
auf dem Rücken auf
Rechts am Rhein abwärts
zu dritt mit drei km/h
bei leichtem Tröpfeln
Ein schwankendes Schiff
bei völliger Windstille
It’s the age, stupid!
Treffe ich heute
alte Leute, so seh ich
die eigne Zukunft
Junge Kollegen
lassen einen alten Sack
sich jünger fühlen
Klappern im Karton
Der Mund ein Würfelbecher
Die Zähne fallen
Fahrt durch Sturzregen
Zu sechst sechzig gefeiert
Kanadagänse
Die Erleichterung,
wenn das Gesicht im Spiegel
aussieht wie gestern.