Archive for 11. Februar 2024

Elisabethpfad 2. Etappe: Creuzburg – Röhrda 19 (+3)

Februar 11, 2024

Stimmen hinter mir
Quietschende Regenjacke
Als wärs ein Seufzen

Ein völlig vernieselter Tag, an dem ich mich daran erfreue, dass das Teilstück zum überwiegenden Teil geteert ist, weil ich so dem Matsch entgehe. Außerdem überquere ich die ehemalige Grenze fünfmal. Aber im Einzelnen:

Ich wache schon wieder um 4 Uhr morgens auf, das scheint zur Gewohnheit zu werden. Anschließend fliegen mir Haiku zu und ich schaffe es später noch in den Halbschlaf. Der aktuelle Blick auf den Regenradar – gestern Abend sah es noch ganz anders aus – verheißt nichts Gutes. Am frühen Morgen soll es noch recht trocken bleiben, später alerdings sollen die Niederschläge zunehmen. Als ich das begreife, spute ich mich, verabschiede mich von der Servicekraft, bekomme von ihr noch einen Stempel mit der Burg in all ihrer Pracht in meinen Pilgerausweis und bin um 8h15 auf der Rolle.

Von Creuzburg nach Westen folgen der Jakobsweg und der Elisabethpfad, die oft identisch sind, zwei verschiedenen geteerten Routen. Ich gehe einen dritten Wiesenweg anfangs an der Werra entlang, die mich verblüfft, weil sie von West nach Ost fließt. Flüsse haben eben immer die Tendenz, zu mäandern und nicht direkt auf ihr Ziel zuzufließen. Manchmal geht es dann auch in eigentlich „kontraproduktive“ Richtungen. An der Brücke über die Ifta, die unweit in die Werra mündet, vereinigt sich mein Weg wieder mit dem Elisabethpfad. Es nieselt nun leicht und es geht bergauf bis zur alten innerdeutschen Grenze (1. Überschreitung) im Wald. An der Stelle ist eine Rastbank sowie eine metallene Deutschlandkarte. Quer verläuft der Kolonnenweg, mitten im damaligen Todesstreifen, heute das Grüne Band, dessen 1393 km man komplett abwandern kann.

Ehemalige innerdeutsche Grenze: Kolonnenweg kurz vor Willershausen, heute das Grüne Band

Hinter dem Wald geht es links auf der Straße hinunter nach Willershausen im ehemaligen Westen. Ich besuche die dreischiffige, schlichte Kirche, hole mir einen Stempel und gebe einen kleinen Obolus für die Restaurierung der von Pilzen befallenen Orgel.

In Willershausen ist auch im Februar noch Weihnachten

Die Autokennzeichen sind jetzt natürlich nicht mehr WAK (Wartburgkreis) oder EA (Eisenach), sondern meist ESW (Eschwege). Aus dem Ort heraus gehe ich auf einer Straße nach Norden, die auch wieder ansteigt. Auf der Bergkuppe im Wald ist erneut die alte Grenze (2. Übertritt). Ich bin also jetzt wieder in Thüringen. Es geht auf einem Betonplattenweg bergab, damit die DDR-Panzer schnell an die Grenze fahren konnten. In der DDR ging sehr viel Material wie z. B. Zement an den Grenzschutz und fehlte dann in der Privatwirtschaft. Ich komme in Ifta an und gehe in den Ort rein und damit ca. 300 m über den Wegabzweig hinaus. Das Gasthaus macht zwar eigentlich erst um 15h auf – jetzt ist es 11h – aber die Wirtin, die gerade noch fleißig saubermacht, kocht mir Teewasser und wir kommen ins Gespräch. Sie erzählt mir auf Nachfrage bzgl. der Stimmung von der Verunsicherung der Leute, die nicht genug mitgenommen werden von der Politik, möchte sich selber damit aber nicht auseinandersetzen, hat schon genug zu tun in ihrem Alltag. Das hört sich alles sehr nachvollziehbar an und doch… Nach 45 Minuten breche ich auf. Die Kirche mit dem Himmelszelt an der Decke und dem blutenden Pelikan auf der Kanzel ist geschlossen, heute ist kein Gottesdienst. Jede Kirche, die wertvolle Kunst enthält, ist normalerweise geschlossen.

Ich überschreite auf dem Weg nach Lüderbach ein drittes Mal die Ex-Grenze und bin wieder in Hessen im Werra-Meißner-Kreis. Ich habe heute hier die gesamte, herrliche Landschaft für mich.

Zwischen Ifta und Lüderbach

Ein paar Meter abseits des Wegs gehe ich ein paar glitschige Steinstufen hinunter zum Leprakreuz und stürze fast. Hier war wohl eine Station für aus den Kreuzzügen an Lepra erkrankte Rückkehrer.

Leprakreuz unweit Lüderbach

Kurz vor der Grabespyramide, mache ich einen 1,5 km Abstecher zum Baumkreuz. In der Ferne sehe ich einen Schimmel und zwei Braune mit Reitern, die weiter Richtung Lüderbach reiten. Ich schreibe das, weil ich heute quasi niemand auf dem Weg treffe. Das Baumkreuz ist eine Anpflanzung von Eschen und Linden in Kreuzform, da wo die B7 auf die alte innerdeutsche Grenze trifft. Es ist noch ein langer Abschnitt des damaligen Grenzzauns erhalten. Hier überquere ich die nicht mehr existierende Grenze ein viertes Mal, um gleich wieder zurückzukommen.

Teil des Baumkreuzes – hier Eschen – an der B7 mit altem Grenzzaun

Von hier mache ich noch einen Abstecher hoch zur Grabpyramide, wo der letzte Schlossherr von Lüderbach, Herr von Castellan, der keine Nachkommen hatte, mit seiner Schwester begraben ist.

Lüderbach, Grabpyramide

In Lüderbach ist die Kirche mit dem Schnitzaltar natürlich geschlossen. Ich mache meine Mittagsrast mit Gemüse-,  Kirschsaft und Ingwerwasser in einem schmucken überdachten Bushaltestellenhäuschen aus Fachwerk.

Lüderbach, Bushaltestellenhäuschen

Auf gerader Strecke geht es weiter nach Netra, wo die Kirche mit dem Wehrturm leider auch wieder zu ist. Am Ortsausgang steht ein langsan verfallendes Wasserschloss, um das sich niemand zu kümmern scheint.

Netra, Wasserschloss der Familie von Boyneburg

Noch knapp 3 km und ich bin in Röhrda, meinem Tagesziel angekommen. Die Regenjacke und der Rucksackschutz sind zwar nass geworden, aber ansonsten habe ich den Regentag recht trocken überstanden.

Weg vor Röhrda, man sieht die Kirche im Hintergrund

Die Inneneinrichtung der Kirche ist sehr einfach, das Buntglasfenster mit dem auferstehenden Jesus ist ein Blickfang.

Röhrda, ev. Kirche, Buntglasfenster

Ich kehre ein in die Pension Iris, bekomme einen Kräutertee kredenzt und lasse meine müden Knochen etwas zur Ruhe kommen.

Hier der Etappenüberblick über meine Fastenwanderung auf dem Elisabethpfad von Eisenach nach Marburg im Februar 2024.

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Februar 11, 2024

Eine Kohlmeise

zwitschert hoch oben im Baum

Wo genau sitzt sie?

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Februar 11, 2024

Wandern und Fasten

Täglich ein paar Gramm leichter

Gleich hebe ich ab!

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Februar 11, 2024

Wie ich auf Wandrer

neidisch war als Radfahrer,

wenn es steil hoch ging

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Februar 11, 2024

Stimmen hinter mir

Quietschende Regenjacke

Als wärs ein Seufzen

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Februar 11, 2024

Egal, ob du schläfst

Schön warm unter der Decke

Das Glück des Dösens

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Februar 11, 2024

Gefahr beim Fasten

Nicht wieder mit dem Essen

starten zu wollen

3685

Februar 11, 2024

Morgens um halb sechs

Verschiebt da jemand den Tisch?

Die Heizung läuft an.

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Februar 11, 2024

Sich verabschieden,

ohne dass es jemand merkt.

Das gibt zu denken.

3683

Februar 11, 2024

Fastend andauernd

gemahnt werden ans Essen

von den Mitmenschen

3682

Februar 11, 2024

In der Nacht um vier

Im Kopf summt ein Bienenschwarm

Im Hals ein Feuer