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Jakobsweg MR-K: 7. Marialinden – Köln-Merheim

November 3, 2024

Nach einem servierten Standardfrühstück, das ich komplett verputze, mache ich mich gegen neun bei bedecktem Himmel auf. Das trübe Wetter hat gehalten, aber Regen bekomme ich glücklicherweise auch heute wieder nicht ab. Die Füße sind etwas schwergängig nach der langen Etappe gestern, außerdem laufe ich im ersten Teil viel auf der asphaltierten Straße oder auf den noch härteren Bodenplatten des Bürgersteigs, was meinen Gelenken und Füßen gar nicht behagt.

Es geht die Brüderstraße hinab ins Tal der Agger nach Overath, dem nach Siegen zweitgrößten Ort auf meiner Strecke.

Overath, Agger

Hier besichtige ich die geöffnrte katholische Kirche St. Walburga, eine recht große dreischiffige Pfeilerbasilika aus dem 12. Jahrhundert. Im Gäste- bzw. Fürbittenbuch ist der letzte Eintrag über ein halbes Jahr alt.

Overath, Gästebuch St. Walburga

Ich zünde am Eingang mehrere Teelichter an und bin von der besinnlichen Stimmung angetan – ich bin allein in der Kirche – direkt vor einem Seitenaltar brennen viele unter- und nebeneinander aufgestellte Teelichter.

Overath, St. Walburga, Teelichter

Abgekordelt links neben mir ein Seitenaltar, der mich mit seinen „Augen“ anzuschauen scheint.

Overath, St. Walburga, Seitenaltar

Schließlich noch die modernen Kirchenfenster mit farbigen Segmenten, die mich etwas an die Gedächtniskirche in Berlin erinnern.

Overath, St. Walburga, Kirchenfenster

Nach einem kleinen Einkauf im Discounter  geht es über die Bahngleise und die Bundesstraße an einem Reiterhof vorbei, wo mich die Frauen mit den Pferden an der Leine eine Weile in den Wald hinauf begleiten. Ich komme nach Heiligenhaus, wo ich in der Nähe des modernen Kirchengebäudes, aus dem Chorgesang schallt, eine Rast einlege.

Es geht nun wieder steil die Straße hinab  zur Sülz, die ich bei Altenbrück überschreite. Hier gibt es einige alte Fachwerkhäuser, eines ist nun ein kostspieliges Restaurant.

Altenbrück, Altes Zollhaus
Altenbrück, Sülz

Die moderne katholische Kirche in Untereschbach auf der anderen Seite der Sülz hat neben dem Pilgerstempel, eine Karte zu bieten mit den Anteilen der Katholiken in Deutschland, am höchsten ist der Anteil mit 77% in Passau.

Weiter geht es hinauf zum Königsforst, den ich komplett von Ost nach West auf knapp 10 km durchquere. Erst einmal mache ich meine Mittagspause in einer Schutzhütte. Die Wohltat, aus dem Schuhgefängnis auszubrechen und die Socken auszuziehen, ist unbeschreiblich.

Ich höre nun immer wieder die Schreie der in V-Formation fliegenden Kranichschwärme, die hoch oben in etwa in derselben Richtung wie ich nach Westen bzw. Südwesten unterwegs sind. Es sind tausende Vögel.

Königsforst, Kraniche

Im Wald treffe ich viele sehr schnell fahrende Sportradfahrer, einer warnt mich aus der Ferne und bedankt sich, als ich auf der rechten Seite bleibe. Außerdem sind natürlich sehr viele Hunde mit Herr- bzw. Frauchen unterwegs, häufig mit jungen Paaren, die sich statt eine Familie zu gründen, einen Hund angeschafft haben.

Ich komme nun nach Köln-Brück, ein gut erhaltener, vom Krieg wenig in Mitleidenschaft gezogener Stadtteil ganz im Osten mit einigen Fachwerkhäusern. Die Olpener Straße, der ich gen Westen folge, hat hier vierstellige Straßennummern, ein Phänomen, das ich eigentlich nur aus den USA kenne. Ich passiere den von Nord nach Süd verlaufenden Mauspfad, einen historischen Handelsweg.

Hinter Brück wird es ungemütlicher, ich gehe durch Neubrück, ein Stadtrandgebiet mit Gewerbe, die Straße wird breiter, die Autos fahren schneller. Schließlich gehe ich unter der A4 durch nach links und erreiche bald mein Hotel.

Zu Abend essen tue ich heute in einem sehr gut frequentierten syrischen Lokal am Ende der Straße. Draußen unter einer Plane sitzen neben den Heizpilzen die Wasserpfeifenraucher, viele meist verschleierte Frauen. Ich bekomme innen einen Platz zugewiesen. Im ganzen Restaurant bin ich der einzige Biodeutsche (ich mag das Wort nicht, kenne aber kein besseres). Meine Mahlzeit besteht aus Fatusch (Salat mit Brotchips), Falafel und Ayran dazu. Alles sehr schön leicht.

Ich schlummere ein zu dem beruhigenden, gleichmäßigen Rauschen der Autobahn, als würde sich die Trommel der Waschmaschine im Nebenzimmer drehen.

Hier ist der Etappenüberblick der gesamten Wanderung.