Essenspause

Letzte Woche habe ich es endlich einmal geschafft, länger als zwei Tage ohne Aufnahme fester Nahrung durchzuhalten. Ich hatte es in der Vergangenheit schon diverse Male probiert, war aber immer relativ schnell schwach geworden und hatte dann auch noch den Fehler gemacht, mir anschließend den Magen voll zu schlagen. Der Ausstieg ist so ziemlich das wichtigste beim Fasten, die Verdauungsorgane sollten langsam wieder ihre Arbeit aufnehmen; heute habe ich das Fasten mit einem Apfel gebrochen, als zweites Frühstück eine Banane ganz langsam zerkaut und mir heute Mittag ein Gemüsegericht auf Brokkolibasis gekocht.

Fünf Tage nichts zu essen war einfacher als ich es mir ursprünglich vorgestellt hatte. Immer wenn ich Hunger hatte, habe ich einfach etwas getrunken. Am Tag so um die fünf Liter, davon 3 l Kräutertee und 1 l Wasser. Mittags und abends gab es als Hauptspeise Gemüsesaft bzw. -brühe, der Nachttisch bestand aus einem Obstsaft, den ich mir genüsslich auf der Zunge zergehen ließ. Buchingerfasten also, das Buch, das mich begleitet hat, war Fasten von Hellmut Lützner. So – als Hungerkünstler – hätte ich eigentlich weitermachen können, heute morgen verspürte ich keinerlei Lust auf feste Kost, man kann sich wirklich daran gewöhnen mal eine Weile nichts außer Flüssigkeiten oral zu konsumieren. Ein Ergebnis war der Verlust von sieben Pfunden, wobei das Gewicht die letzten beiden Tage laut Körperfettwaage angeblich unverändert geblieben ist. Die Gewichtsabnahme war allerdings nicht der Grund für die Abstinenz.

Mir ging es eher um ein Abschalten, ein zu mir kommen, eine Periode des Nachdenkens über mich selbst und meinen Weg, den ich gehe. Das ist nicht so richtig gelungen, der Haupteffekt des Fastens war gerade nicht eine Beruhigung, sondern eher eine Aufputschung. Dadurch, dass meine Gedärme für fünf Tage still standen, fühlte ich mich selbst sehr aufgekratzt und hibbelig. Hierzu passt die Beobachtung der den ganzen Tag wiederkäuenden Kühe, deren ausgefeiltes Verdauungssystem ja wohl auch eher beruhigend wirkt. Der Schlaf war eher kurz, ich kam morgens meist deswegen nicht raus weil ich die Wärme nicht gegen die Kälte tauschen wollte, ich hatte übrigens Urlaub genommen, was das Projekt enorm erleichtert hat. Im Arbeitsstress bei dauernd klingelndem Telefon mit Leuten, die etwas von mir wollen, hätte ich wahrscheinlich sehr bald dem Essenstrieb nachgegeben.

Der Körper kennt zwei Energieprogramme. Zum einen das normale, in dem ihm Nahrung zugeführt wird, die er dann in Magen und Darm verarbeitet und in Energie umwandelt, die er für seinen Betrieb benötigt. Bei diesem Programm gehen allein 30% der Energie für die Verdauung drauf, ein Wirkungsgrad, der übrigens gar nicht so übel ist. Zum andern gibt es das Fastenprogramm, in dem die Verdauung ruht und die Energie aus den körpereigenen Reserven – der eigenen Speisekammer – bezogen wird. Alle überflüssigen und giftigen Stoffe im Körper werden in diesem Modus abgebaut. Man muss nur den Schalter zwischen den zwei Programmen umschalten, was am besten durch eine Reinigung der Gedärme eingeleitet wird.

Eine kleine Herausforderung war der Einstieg am Montag. Bei früheren Versuchen hatte ich es mit Glaubersalz versucht, das ist zwar sehr effektiv, aber dadurch wird auch die Innenflora, wie ich sie jetzt mal umschreiben will, vollständig wegschwemmt. Bei mir hat es anschließend immer mindestens eine Woche gedauert bis sich alles wieder intern normalisiert hatte. Nein, dieses Mal habe ich eine auch in dem o.g. Buch als sanfter empfohlene Methode probiert: den Einlauf. Ein entsprechendes Gerät habe ich in der Apotheke für 10 Euro erworben, es besteht aus einem Wassersack, den man z.B. an der Türklinke befestigt, einem daran hängenden Schlauch sowie einem Plastikrohr. Ich glaube, ich brauche das Vorgehen nicht im Detail zu beschreiben, es ist nicht die schönste Erfahrung, es gibt aber auch schlimmere. Auf jeden Fall ist auch dieses Verfahren sehr effektiv, es dauert gerade mal eine Minute bis zur ebenfalls explosiven Entleerung.

Während der Fastentage bin ich relativ viel spazieren gegangen, der Körper will sich einfach bewegen, es ist ein bisschen wie ein zur Ruhe kommen im Gehen. Man fühlt sich auch leichter und beschwingter im Fastenmodus, was ja auch einleuchtend ist. Ich bin allein zweimal von Wilmersdorf in die Nähe des Alexanderplatzes gegangen. Wichtig bei längeren Promenaden war auf jeden Fall, sich Zeit zu nehmen, also auch mal ein Päuschen zu machen, bei dem man sein Wasserfläschchen getrunken hat. Nächstes Mal möchte ich unbedingt Fasten und Wandern noch besser kombinieren, ich denke an Langstreckenwandern, z.B. Jakobsweg von Berlin nach Tangermünde mit 20 Km-Etappen.

Was habe ich sonst so während der fünf Tage gemacht? Ich bin sie eher ruhig angegangen. Habe viel gelesen, viel Musik gehört, war im Kino, wo ich nachmittags in einer Vorstellung, in der ich mit Abstand der jüngste war, The Artist gesehen habe, einen Zombiefilm, in dem die Stummfilmzeit perfekt nachgebildet wird, der aber völlig hohl und leer erscheint, ein symptomatischer Film für unsere Zeit, in der die Nachempfindung vergangener Epochen egal ob in Kunst, Musik oder Film der Hauptzeitvertreib des Mainstreams in den schönen Künsten geworden zu sein scheint. Gegen Ende der Woche habe ich dann endlich unter dem Druck der mir davonlaufenden Zeit etwas mit dem Aufräumen begonnen. Ich habe übrigens überhaupt nicht ferngesehen, hingegen habe ich natürlich jede Menge Zeit im Internet vor dem Monitor des Netbooks verbracht. Sportlich habe ich neben den Spaziergängen ein bisschen mit den Hanteln gearbeitet, etwas jongliert und einmal habe ich mich sogar auf das Ergometer gesetzt, trotz im Verhältnis zum normalen Programm deutlich reduzierter Maximalleistung von 275 Watt, habe ich allerdings nach knapp 20 Minuten abgebrochen, die Atmung war etwas kurz und unregelmäßig, aber der Grund für die Aufgabe lag vor allem im Kopf, ich verspürte keinerlei Lust auf den Kampf mit dem inneren Schweinehund.

Gerüche waren während der Fastenperiode besonders penetrant, das war neben der Aufgedrehtheit und generellen Überempfindlichkeit ein weiterer Grund, wieso ich kaum unter Leute wollte. Zum einen natürlich Essensdüfte, die auch das Wasser eines Fastenden im Munde zusammenlaufen lassen. Am schlimmsten waren allerdings ganz klar die Parfüme und Deos. Die Attacke auf meinen Geruchssinn Kulminierte in der Volksbühne am Donnerstag Abend beim Tindersticks-Konzert. Was da einige Damen aufgetragen hatten, das ging auf keine Hundenase. Wobei ich gerechterweise sagen muss, dass ein Fastender jetzt auch nicht immer nach Rosenwasser riecht, vor allem nicht aus dem Mund, aber lassen wir das jetzt.

Was habe ich im einzelnen zu mir genommen? Da waren neben dem Mineralwasser – ich hatte medium, still war eigentlich empfohlen – natürlich zum einen verschiedene Teesorten, anfangs habe ich mir morgens schwarzen Tee geleistet, das aber bald aufgegeben, als ich gemerkt habe, dass die aufputschende Wirkung noch stärker war als sonst schon. Als Kräutertee habe ich häufig Minze getrunken, auch leicht belebend, gleichzeitig gut für den Atem. Andere Kräutertees waren eher beruhigend wie Rooibos, Zitronengras (gerne mit Minze oder Johanniskraut gemischt) und Süßholz. Ich habe auch oft frischen, in Scheiben geschnittenen Ingwer hinzugetan, dessen reinigende Wirkung sich in der Schärfe manifestierte, die er auf dem Boden der Teekanne entwickelte. Außerdem hatte ich noch einen sehr aromatischen, erfrischenden Früchtetee, der vor allem aus roten Früchten wie Erd- und Himbeeren bestand. Die klare Gemüsebrühe, die ich die ersten Tage in Niederhöchstadt gegessen habe, hatte C gekocht. Sie basierte auf Karotten, Stangensellerie, Tomaten, Porree, Kartoffeln, Brokkoli, Zwiebeln, Knoblauch, Ingwer, Chili, Thymian und Salz. Die Gemüsesäfte, die ich probiert habe, waren ein gemischter Saft (im Grunde mein Lieblingsgemüsesaft), ein Tomatensaft (auch gut), sowie ein Karottensaft und ein Sauerkrautsaft, die ich beide allein nicht trinken konnte, der eine war zu süß, der andere zu sauer. Aber in der Kombination waren sie genießbar. Schlussendlich noch die Obstsäfte, die ich meist als Nachtisch trank. Sehr lecker war der trübe Apfelsaft von einer lokalen Apfelkelterei, die Süße konnte ich in kleinen Zügen genießen. Außerdem habe ich eine leckere Mischung aus Wasser und Johannisbeersaft zu mir genommen. Morgens trank ich meist mein Gläschen Orangen- bzw. Grapefruitsaft.

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