Adam

rororo-Rocklexikon, 1975

Das erste Mal gesehen habe ich dich nach dem Vordiplom, du saßest in den Vorlesungssälen mit den Klappstuhlreihen immer hinten am Rand, ich glaube in schwarzen Klamotten. Hattest wohl ein Semester vor mir mit dem Statistikstudium an der LMU angefangen. Ich erinnere mich nicht, dass du dort je mit irgendwem gesprochen hättest. Ein Außenseiter. Wie ich.

1990 nach der Diplomarbeit wurde es dann ernst mit den Abschlussprüfungen. Für Ökonometrie – da gab es ein Fachbuch unseres Professors – lernten wir zusammen. Ich kam öfter zu dir in deine Bude im Münchner Westend. Von Moosach, wo ich wohnte, mit dem Rad nicht sehr weit. Du hattest die Materie besser kapiert als ich. Im Grunde war die ganze Ökonometrie mit den vielen Gleichungen nur Lineare Algebra, also Erstsemesterstoff. Multiplikation von Matritzen. Allerdings steckten hinter den einzelnen  Großbuchstaben zum Teil recht umfangreiche Matritzen mit vielen Zeilen und vielen Spalten. Das war schon recht komprimiert und abstrakt. Im Gespräch mit dir habe ich das erst so richtig begriffen. Es fiel mir wie  Schuppen von den Augen, im Grunde war es piss-easy. Und hatte eine mathematische Schönheit. War allerdings auch relativ praxisnah. In den Matritzen standen Zahlen. Andere sind dann ca. 10 Jahre später mit der Berechnung des Pageranks von Websites, auch mit Matritzenrechnung, Milliardäre geworden.

Nach dem gemeinsamen Lernen hörten wir öfter Musik, ich erinnere mich an das Album June 1, 1974, ein Konzert von Kevin Ayers, John Cale, Nico & Brian Eno im Rainbow Theatre in London. Du hattest die Erstausgabe des rororo-Rocklexikons von 1973 von Barry Graves und Siegfried Schmidt-Joos mit einem gezeichneten Jimi Hendrix auf dem Cover und sagtest spöttisch arrogant, dass alle Musik danach nicht der Rede wert sei, also auch o. g. Ayers-Album wie mir gerade auffällt. Ich hatte eine erweiterte Ausgabe des Rocklexikons von 1975 zur Konfirmation von einer Patentante bekommen, wahrscheinlich das zerlesenste Buch in meinem Regal. Ich habe es heute noch. Diese Ausgabe war dir schon zu modern.

Du rauchtest in einer kleinen Pfeife mit einem Metallgitter vorne Haschisch. Du hattest gerade eine Wette am Laufen. Es ging darum, ein Jahr lang keinen Tabak zu rauchen, pures Cannabis war aber ok. Die Wettsumme betrug 1000 Mark, eine Menge Kohle für einen Studenten 1990. Wir trafen uns dann zum Feiern der von uns beiden bestandenen Klausur in meinem Stammbiergarten, am Chinesischen Turm. Und du erzähltest mir, dass du die Wette verloren hattest. Das Inhalieren des Rauchs einer Zigarette war dir 1000 Märker wert gewesen.  Eigentlich bewundernswert, aber auch irgendwie dämlich. Ich hatte übrigens kurz davor auch richtig mit dem Drehen und Rauchen angefangen. Aber das ist eine andere Geschichte.

Wo du dich wohl jetzt rumtreibst?

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