Timm Kruse: 40 Tage Fasten

Nachdem ich ja vorletzte Woche selber fünf Tage gefastet habe und zufällig von diesem Buch gehört hatte, musste ich es mir natürlich sofort besorgen und habe es in kürzester Zeit verschlungen. Es ist sehr einfach zu lesen, mich hat allerdings die Geschwätzigkeit irritiert. Der Autor ist freier TV-Redakteur beim NDR und arbeitete z.T. auch während der Fastenperiode weiter. Gerade bei einem Buch über das Fasten, das für Konzentration und Einkehr bei sich selbst steht, hat es mich verwundert, dass einerseits soviel banale „Erkenntnisse“ ausgebreitet werden, z.B. der doch sehr abgedroschene Gedanke, wie gut es uns doch in der Wohlstandsgesellschaft geht, und dass andererseits bestimmt die Hälfte des Buches aus im Internet aufgelesenen Informationen besteht. Besonders hanebüchen war da die Sache mit der Lichtnahrung: angeblich kann man nach einer Woche Fasten und Dursten (für eine Weile?) nur noch von Licht leben. Esoterischer Humbug. Mitgenommen habe ich aus dem Buch u.a. dass das Schlafen wohl immer schwieriger wird je länger man fastet, ähnliches hatte ich ja auch selber bei meinem Kurzfasten schon bemerkt. Der Autor kämpft hier besonders mit seiner Blase, da er abends viel trinkt, muss er nachts oft mehrmals aufs Klo. Nicht überraschend fand ich, dass sich im Laufe der langen Fastenzeit der Körper immer mehr runterregelt (Puls geht runter, Blutdruck dito, man friert, man wird langsamer in den Bewegungen) in eine Art Winterschlafmodus. Auch die Überempfindlichkeit gegenüber äußeren Eindrücken – sehr schön als eine erhöhte Durchlässigkeit des Körpers gegenüber der Umwelt gedeutet – und der Hang, sich auf sich selbst zurückziehen, der parallel läuft zu einer gewissen sozialen Inkompatibilität bzw. Unausstehlichkeit waren mir nicht ganz neu. Angeblich soll die Lust auf Sex nachlassen, das halte ich für eine individuelle Eigenheit des Autoren und kann ich aus meiner im Verhältnis sehr kurzen Fastenzeit nicht bestätigen. Dass die Verdauung nahezu bis zum Ende der 40 Tage aktiv ist und Einläufe daher an der Tagesordnung bleiben, war mir vorher noch nicht bekannt. Man hat am Ende des Buchs allerdings ein bisschen das Gefühl, dass es dem Autor mehr darum geht, sich selbst zu beweisen, dass er 40 Tage ohne Essen durchhalten kann als diese Aktion dafür zu nutzen, wirklich neue Erkenntnisse über sich selbst bzw. eine tiefere Selbsterfahrung zu machen. Hierzu passt auch, dass er nach Ende seiner Fastenzeit seinen Job hinwirft, nach Indien reist und einem Guru auf seiner Weltreise zu seinen Anhängern als Assistent folgt. Der Mann ist vierzig, aber scheint noch einen großen Bedarf nach Abenteuer und Flucht vor der Realität zu haben. Das lässt ihn eher als sprunghaften Teenager erscheinen denn als reifen Mann. Er erinnert mich auch in seiner Naivität an mich selbst vor dreißig Jahren. Neben der Gurugeschichte, von der er auch völlig überdreht in Elstners „Menschen der Woche“ erzählt hat, denke ich da an seine Bettelgeschichte, er sagt zwar nicht warum er einmal bettelt, aber ich kann mir eigentlich nur vorstellen, dass er sich auch hier austesten wollte, ob er den eigenen Stolz soweit überwinden kann, sich soweit erniedrigen kann, dass er andere anschnorrt. Eine andere Banalität, die er nicht müde wird dauernd zu wiederholen, ist dass wir alle riesige Egoisten sind. Aber muss man, um das zu realisieren wirklich 40 Tage fasten?

Zwei Sterne.

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