Auf leichten Füßen
durch zerschnittene Landschaft
an Haune entlang
So langsam wird das Wandern zur Routine, ich mache kaum noch Bilder, es geht scheinbar schnell voran, die Füße fliegen zumindest am Vormittag. Von der immer größer werdenden Blase merke ich nichts.
Aber zuerst müssen heute morgen um zehn Uhr drei mal zwei Berlinaletickets für den Publikumssonntag, den 23.2., ergattert werden. Und zwar für Köln 75, Monk in Pieces und La cache. Ich klicke schnell genug, es klappt.
Um 10h15 schließe ich die Gasthoftür zweimal zu, werfe den Schlüsselbund in den Briefkasten und werde von der Tageshelle sofort geflasht, ich fühle mich leicht wie ein Vogel, was aber leider nicht bis zum Ende des Wandertages anhält.
Aus dem Ort raus überquere ich auf einer Steinbrücke die Haune, die mich einen großen Teil des Tages begleiten wird. Ein Bildstock stimmt mich ein auf meinen Zielort, das erzkatholische Fulda. Die Weintrauben unten auf der Säule lassen vermuten, dass man den schönen, überflüssigen Dingen des Lebens aber auch nicht abgeneigt ist.

Es geht nun ein gutes Stück an der vielbefahrenen, mit Lärmschutzwänden versehenen B27, entlang. Ich komme in Rückers an, wo ich vor der offenen, schlichten Dorfkirche für „300 Seelen“ ein Päuschen auf einer Bank einlege. Auch hier ist der Fasching kurz davor, seinen Höhepunkt zu erreichen.

Im Ort überquere ich die B27 und unterquere eine weitere Verkehrsverbindung, die Bahntrasse Bebra – Fulda. Es herrscht reger Betrieb. Neben den ICEs, die gebremst unterwegs sind, fahren hier auch jede Menge Güterzüge. Nun geht es leicht bergan in einen Fichtenwald, den ersten auf der Wanderung. Der dunkle Wald hat etwas Beruhigendes, ich treffe niemand. Unter mir liegt ein See, der mir erst wie ein Bumerang geformt erscheint, aber sich dann doch länger erstreckt, es ist die Haunetalsperre, an der ich auf einer Bank mein Mittagsmahl bestehend aus Gemüse-, Kirschsaft und Wasser einnehme. Der See ist in der Mitte zugefroren, am Rand jedoch nicht, er taut gerade auf bei 3 Grad Außentemperatur. Es kommen zwei „Mütterchen“ vorbei, die eine slawische Sprache sprechen. Mir scheint, dass die in Deutschland lebenden Russen und Ukrainer die aktuelle Kälte genießen, weil sie sie an die Winter in ihrer Heimat erinnert. Es fällt jedenfalls auf, dass ich vielen slawisch sprechenden Spaziergängern begegne.
Im nächsten Ort, Steinau, treffe ich auf die ersten Schafe, es sind aber noch keine Rhönschafe, die ja einen schwarzen Kopf haben.

Am Wegesrand fasziniert mich ein im Wind wogendes Schilffeld, das wie ein Fremdkörper allein in der Landschaft dasteht.

Die nächste Rast mache ich kurz vor der Unterquerung der A7 (mit knapp 1000 km die längste Autobahn Deutschlands, geht von der dänischen Grenze bis Füssen). Es ist heute schon auffällig, wie die Landschaft von Verkehrswegen zerschnitten ist, ich befinde mich ja selbst auf einem, der Handelsstraße Via Regia. Mein Camino verläuft heute übrigens wieder viel über asphaltierte Wirtschaftswege, damit bin ich der Natur schon ein stückweit enthoben.
Die angebliche 16 km Etappenstrecke – ich glaube es sind mehr – ziehen sich nun. Ich komme nach Petersberg, gut 2 km vor meinem Zielort. Hier geht es plötzlich links einen Kreuzweg mit dunklen Steinplatten, die die Stationen darstellen, steil den Berg rauf. Eine jüngere, durchtrainierte Sächsin überholt mich. Die Kirche St. Peter, die eine Landmarke darstellt, ist montags leider geschlossen. Die Benediktinerkirche ist von ca. 836, die heilige Lioba ist hier bestattet.
Die Sicht zur Hochrhön, die Wasserkuppe liegt 18 km Luftlinie südöstlich, ist heute getrübt. Man kann die einzelnen Bergkuppen höchstens erahnen.

Ich entdecke hier den 780 geborenen Gelehrten Rabanus Maurus, der am Hof Karls des Großen ausgebildet wurde, dem Kloster Fulda vorstand und später Erzbischof von Mainz war. Er hat viele Texte verfasst, u. a. Kreuzgedichte.


Auf dem Pfaffenpfad geht es nun hinab nach Fulda, wo ich unweit des Schlossgartens mein Quartier – in der Rabanusstraße! – für die nächsten 2 Nächte finde. Ich werde hier einen Ruhetag in Form von Home Office einlegen. Nach zwei Saunagängen im Stadtbad bin ich rechtschaffen erschöpft und schlummere bald ein.
Hier ist der Überblick über meine Wanderung auf dem Jakobsweg von Vacha nach Niederhöchstadt im Februar 2025.
Februar 12, 2025 um 14:50
Ein Ticket für „Monk in Pieces? Ahhh … Meredith Monk ist sooooowas von … also, ich steh da drauf, auf vieles, was von ihr kommt!
Der Wald hat etwas sehr Beruhigendes, jaaaa, wobei, so alleine unterwegs … ist jener auch enterisch (für mich).
Februar 12, 2025 um 18:00
Was heißt denn enterisch? Meredith Monk habe ich in meiner Jugend mit meinem damals besten Freund „entdeckt“, aber seitdem fast völlig vergessen. Ich bin sehr gespannt auf den Film. Was sie mit ihrer Stimme alles so anstellt, ist schon ziemlich beeindruckend.
Februar 13, 2025 um 11:48
https://www.ostarrichi.org/wort/7321/enterisch
Na ja, sich als Frau alleine im Wald aufzuhalten, das erzeugt mitunter ein flaues Gefühl im Magen. Nicht, dass der Wald unheimlich auf mich wirken würde, den Wald empfinde ich als sakral, als „heil“, also, da passiert ganz viel in mir. Der WALD ist durchwegs positiv für mich behaftet. 😉 Aber um das geht es mir hier nicht bei enterisch, sondern darum, dass ich mich als Frau alleine im Wald dem MANN ausgeliefert fühle. Da steigt vielleicht eine Urangst in mir hoch; der Mann als potenzialer Täter, wenn mir denn DORT einer begegnen würde.
Meredith empfinde ich als enorm beeindruckend, … habe sie nie aus den Augen verloren. 😉
Februar 13, 2025 um 12:36
Ich verstehe, daran hatte ich überhaupt nicht gedacht. Aber ich glaube, das ist unbegründet. Frag mal Christine Thürmer: https://de.m.wikipedia.org/wiki/Christine_Th%C3%BCrmer
Februar 13, 2025 um 17:05
Wow, was für eine Frau aber auch! … dennoch, so ganz als unbegründet würde ich meine Bedenken damit nicht abtun. Selbst bin ich auch hin und wieder gerne für mich alleine unterwegs, doch vordergründig bevorzuge ich die Zweisamkeit, mag gerne mein Erleben, alles, was mir beim Wandern so widerfährt, mit jemanden teilen, möchte mich dahingehend austauschen. In Gruppen bin ich dagegen ungern unterwegs, denn da wird beim Wandern meist über Alltägliches gesprochen, über Beruf, Probleme in der Familie oder Partnerschaft, auch über viel Belangloses, das mich dann abhält, das Wandern, das Gehen, das UM-Mich-Herum wahrzunehmen. Es entgeht mir dabei unendlich viel. Mit einem mir vertrauten Menschen hingegen findet ein anderer Austausch statt, ich kann da ganz bei mir bleiben und es findet trotzdem Zwiesprache statt.
Februar 14, 2025 um 04:11
Bei Fernwanderungen zu zweit geht es nach meiner Erfahrung vor allem darum, gemeinsam schweigen zu können. Man redet dann meist nur das Nötigste. Es ist ja auch oft so, dass man leicht versetzt geht, weil die Geschwindigkeiten verschieden sind. Das Reden über den Wandertag geschieht dann oft erst abends bei einem Gläschen. Just my 2 Cents.
Februar 14, 2025 um 16:57
Ja, so in etwas meinte ich das auch, wobei, ich tausche mich da schon auch beim Gehen aus, nicht erst abends, aber, so wie auch du verlautest, nicht gezwungenermaßen, nur minimal, auf das Drum-Herum, auf den Moment bezogen, wenn mich etwas besonders touched; da findet einfach eine andere Interaktion untereinander statt.