Elisabethpfad 5. Etappe: Spangenberg – Homberg/Efze 31 (+1)

Langsam ansteigend
Der kalte Wind ins Gesicht
Der Weg schnurgrade

Wache nach unruhiger Nacht um 5 auf. Die kalte Dusche ist so richtig kalt, wie ich es liebe. So geht Aufwachen. Ich trinke zwar Mineralwasser und Rhabarbersaft zum Frühstück, vergesse jedoch in die Küche zu gehen und mir einen Tee zu kochen. Das Ergebnis: Ich bin schon durstig, bevor ich überhaupt losgehe. Um zehn vor acht bin ich unterwegs. Es scheint über Nacht geregnet zu haben, jetzt ist es nur noch bedeckt. Die Sonne wird sich den ganzen Tag verstecken, aber es wird trocken bleiben.

Aus Spangenberg raus gehe ich an der munter vor sich hinströmenden Pfieffe und komme an einem längeren Komplex vorbei, einer Sägenfabrik. Der geteerte Radweg anschließend, der in etwa parallel zur Bundesstraße verläuft, ist wie Kanonenfutter für meine Füße, heute drehe ich auf. Das ist auch gut so, denn ich gehe heute zwei Etappen, weil ich nur eine Woche Zeit habe. Heute ist übrigens Halbzeit.

Über uns drei Wildgänse, die ihren Schwarm verloren haben. Ich treffe mehrere Hundebesitzer und muss feststellen, dass die Kackbeutel hier gerne an den Wegrand gestellt werden. Ich sehe 5 solcher Beutel. Ich hoffe mal, die Müllabfuhr kümmert sich drum.

In Mörshausen besuche ich die etwas muffig riechende romanische Kirche aus dem 12. Jahrhundert, stempele den Pilgerausweis und schaffe es, die größte Attraktion, den Schmerzensmann, eine gotische Säule im dunklen Kircheninneren nicht zu sehen. Kann es sein, dass romanische Kirchen generell innen dunkler sind als gotische Kirchen? Angesichts der Fenstergrößen scheint mir das plausibel.

Mörshausen: Romanische Kirche aus dem 12. Jahrhundert
Hinter Mörshausen: Hundekotbeutel

Auch hinter Mörshausen geht es auf einem asphaltierten Weg weiter. Es ist nur leicht wellig. In Adelshausen passiere ich erst einen Trupp Männer mit Warnwesten. Dann stoße ich auf eine Hinweistafel an einer Brücke. Es stellt sich raus, dass hier früher die Kanonenbahn von Berlin nach Metz passierte. Es ist die Bahn, die nach dem 1870/71er Krieg mit Frankreich gebaut wurde, um die Hauptstadt besser mit dem Westen des Deutschen Reichs zu verbinden. Einen anderen weiter westlich gelegenen Streckenabschnitt dieser Bahn, der z.T. in den Berg hineingebaut gewesen war, hatte ich vor einigen Jahren auf einer Radtour mit meinem Vater an der Mosel gesehen.

Wie mich eine zweite Hinweistafel lehrt, bin ich hier auf der historischen Straße Die Langen Hessen, die insbes. für den Güterverkehr zwischen Eisenach und Frankfurt genutzt wurden. Die Kurzen Hessen verlaufen über Alsfeld (Vogelsberg) und sind zwar eine Abkürzung, aber dafür der beschwerlichere Weg.

Adelshausen: Hier fuhr früher die Kanonenbahn nach oder von Metz

Hinter Adelshausen erstreckt sich das ausgedehnte Fabrikgelände einer Pharmafirma, das noch erweitert wird. Vor mir in großer Höhe kreist ein Greifvogel, wahrscheinlich ein schwarzer Milan. Es geht nun über die B83 an einem Kreisverkehr zur Domäne Fahre. Hier steht ein Eier- und Getränkeautomat, den ich mir ansehe. Es gesellt sich nun eine Appenzeller Sennenhündin zu mir, die mich ausgiebig beschnüffelt, etwas scheu ist, mir aber folgen möchte, wobei ich ihr klarmachen kann, dass das keine gute Idee ist. Love at first sight.

Appenzeller Sennenhündin auf der Domäne Fahre

Hinter der Domäne komme ich zu den Fuldaauen, die Fulda ist hier ein schnell fließendes Flüsschen. An einem der vielen Klärwerke vorbei und über die Fuldabrücke geht es nach Malsfeld rein und die erste kurze Flachetappe von 12 km ist beendet, ich gönne mir eine Rast. Heißgetränke gibt es nur in der Supermarktkette. Allerdings ist der Tee aus. Wir lösen die Sache dann so, dass ich einen Pott heißes Wasser bekomme, den ich eigentlich nicht bezahlen darf, dann aber doch in Form eines Trinkgelds bezahle. In den Pott senke ich dann meinen eigenen Teebeutel.

Die Malsfelder Kirche gehört zu den Offenen Kirchen, eine Initiative, die ich immer mehr zu schätzen weiß, weil ich inzwischen in fast jede Kirche am Weg versuche, hineinzugehen und oft überrascht bin, was es dort alles gibt. Vom Gästebuch zu Teelichtern bzw. Kerzen, die man gegen eine Spende anzünden kann über Pilgerstempel, Papier für Bitten/Wünsche/Kritiken etc., die man einwerfen kann, Mineralwasser, 2nd hand Bücher, Luftpumpen und Flickzeug, Spielzeug für Kinder, Wetterstationen, Steckdosen (wichtig fürs Handy) etc. Es ist jedes Mal wie eine Wundertüte. Heute bekam ich sogar eine Hundepostkarte (mit Bibelvers) für 20 Cent.

Signet der Offenen Kirchen

Von Mörshausen ging es auf einem Schotterweg hoch nach Dagobertshausen, ein langsamer, schnurgerader Anstieg mit einer kühlen Brise von vorne. Links und rechts Felder. A propos, die Gegend ist eines der ältesten Siedlungsgebiete in Deutschland. Ein wichtiger Grund ist die Fruchtbarkeit der Böden. Dagobertshausen begrüßt mich schelmenhaft.

Dagobertshausen steht Kopf

Der rote Kübel ist für mich ein bisschen wie ein Madeleine für Proust. Ich fuhr so eine Karre, natürlich in Tarngrün 1983/84 bei der Bundeswehr. Was für ein Schrottauto. Auf der Autobahn konnte man nicht mehr als 90 fahren, weil alles wackelte und einen Heidenlärm machte. Die Lenkung hatte weit über 90 Grad Spiel, Servolenkung gab es damals noch nicht. Ganz schlimm waren die abgedeckten Notlichter. Im Wald bei Übungen gaben die weniger Licht als ein Streichholz. Dass ich nie gegen einen Baum gefahren bin, ein Wunder. Das Verdeck habe ich nur selten zum Cabriofahren im Kofferraum versenkt. Ölwechsel und Inspektion inkl. Ölfilter wechseln, musste man natürlich selber machen. Festgefahren habe ich mich auch einmal, wurde vom Koffer (Unimog) aber wieder aus der Matsche gezogen. Ich bin dann bei der Marke geblieben, habe jedoch modernere, zivile Modelle bevorzugt.

Dagobertshausen, roter Kübel

Es sind jetzt keine 100 km mehr zum Ziel. Also auch auf der Entfernungsskala Halbzeit.

Dagobertshausen, Wegweiser

Es geht nun hinauf bis zum Waldrand. Am Scheitelpunkt öffnet sich ein phantastisches weites Panorama mit dem langen Gebirgszug des Hohen Meißner im Hintergrund. Die Landschaft hat etwas Magisch-Märchenhaftes.

Hinter Dagobertshausen, Blick auf Hohen Meißner

Gut vernehmlich ist auch schon ein Rauschen aus dem Tal, dass anschwillt, je weiter ich vorangehe. Es ist die A7, meine erste Autobahnüberquerung auf dieser Wanderung. A propos Autos, das hiesige  Kfz-Kennzeichen ist seit geraumer Zeit nicht mehr ESW für Eschwege sondern HR für Homberg oder MEG für Melsungen. Beide Kennzeichen gehören zum Schwalm-Eder-Kreis.

Zwischen Dagobertshausen und Ostheim, A7

Es geht weiter mit den geraden, ansteigenden Wegen, hier ein Blick zurück.

Blick zurück nach Ostheim
Hinter Ostheim: Blick zum Hohen Meißner

Vom Segelflugplatz am Mosenberg (402 m) geht es hinunter nach Homberg, allerdings verpasse ich einen Abzweig und bewege mich in Richtung des Nachbarortes Mardorf. Ich muss jetzt mühsam auf den geraden Feldwegen Zickzack laufen, z. T. sogar wieder bergauf, um schließlich nach Homberg zu kommen.

Eine wichtige Person für Hessen ist Philipp der Gutmütige, der 1526 die Homberger Synode einberuft, wonach mehr oder weniger ganz Hessen evangelisch wurde.

Homberg/Efze, Markt: Philipp der Großmütige

In Nordhessen sind Fachwerkhäuser sehr verbreitet, insbesondere in Homberg, wo der Markt von der Stadtkirche und diversen herausgeputzen Fachwerkhäusern eingerahmt wird. Hier befindet sich mit dem Gasthaus Krone von 1480 eines der ältesten Gasthäuser Deutschlands.

Homberg/Efze, Gasthaus Krone (geschlossen)

In Homberg komme ich leider etwas zu spät für die Kirche, die um 16h schließt. Ich kaufe ein paar exotische Säfte (Banane/Mango) im asiatisch ausgerichteten Tante Emma Laden direkt am Markt. Die Fachwerkhäuser sind zum Teil von Migranten bewohnt. Anschließend gehe ich zur Supermarktkette, um die Wartezeit rumzukriegen bis meine Landlady nach Hause kommt und trinke grünen Tee.

Hier der Etappenüberblick über meine Fastenwanderung auf dem Elisabethpfad von Eisenach nach Marburg im Februar 2024.

Eine Antwort to “Elisabethpfad 5. Etappe: Spangenberg – Homberg/Efze 31 (+1)”

  1. Avatar von zartgewebt zartgewebt Says:

    Also, wenn der Hundekot derart entsorgt wird, dann doch lieber das Gackerl ohne Sackerl.

Hinterlasse einen Kommentar