In der Nacht habe ich einen Alptraum und meine, schreiend aufzuwachen, Hans merkt davon nichts. Dennoch schlafen wir beide schlecht und wälzen uns viel.
Unsere Gastgeberin begrüßt uns mit einem fulminanten Frühstück, ich erwähne exemplarisch die köstliche mit Zimt selbstgemachte Holundermarmelade. Wir sind jetzt in NRW, man merkt es an ihrem Dialekt, sie sagt z. B. „watt“. Früher wurde hier viel aus Hessen geschmuggelt, z. B. Butter. Hessen war landwirtschaftlich geprägt und arm, im reicheren Siegerland wurde Bergbau und Verhüttung betrieben. Sie hatte vor einer Weile den Deutschland-Wanderer Günter Kromer zu Gast, der hier im Winter durch tiefen Schnee stapfte und dessen auf einer Kommode stehendes Buch ich mir vorgemerkt habe.
Die Wolken hängen auch heute wieder tief, aber es regnet nicht und es ist heute nicht neblig, die Sonne sehen wir allerdings auch nicht.
Hinter Irmgarteichen, wo die Grundschulkinder gerade auf dem Schulhof spielend ihre Pause nutzen, kommen wir erst auf einen Kreuzweg, der sich in den Wald hoch zieht. Hinter dem Friedhof stoßen wir bald auf den Rothaarsteig, den bekannten Fernwanderweg zwischen Brilon und Dillenburg, der auf meiner To Hike Liste steht.

Meine Füße sind heute am dritten Tag leichter, die Beine und Gelenke schmerzen weniger und wir kommen schneller voran als gestern. Die Landschaft ist meist unspektakulär, es geht viel über Wiesen und Feldwege und durch aufgelockerte Wald- und Buschgebiete.

An die Traumata der Feuerwehrhelfer erinnert ein Gedenkstein. Eine Frage, die man sich kaum stellt: Wer hilft den Helfern?

Ich bewundere eine akkurat und ästhetisch geschnittene Hecke, Kunst an der freien Luft inmitten der Natur.

In Niederdielfen kommen wir an der Wassermühle am aufgestauten Teich an. Wir lesen dort von den gefährlichen Mehlexplosionen, die es beim Mahlen geben kann.

Auf einem Baugerüst neben der Bäckerei an der Hauptstraße machen wir unsere Mittagspause mit den beim Frühstück geschmierten Stullen und einem Kaffee aus dem Pappbecher.

Es geht nun aufwärts zur Wallfahrtskapelle Eremitage, die wir links liegen lassen. Anschließend umrunden wir die äußerlich saubere und nicht stinkende riesige Mülldeponie halb. Über uns kreisen die Krähen. Wir lauschen dem Geräusch der heruntergefallenen gelbroten Blätter, die wir mit den Füßen aufwirbeln.

Kurz vor drei erreichen wir unser Etappenziel, die Großstadt und das Oberzentrum Siegen. Es geht zum Teil steil abwärts. Gut, dass ich meine Wanderstöcke dabei habe. Die katholische Kirche St. Marien ist geöffnet, aber sehr duster innen. Sie stammt aus dem 17. Jahrhundert und wurde von Jesuiten erbaut.
Der Ort döst um diese Zeit im Mittagsschlaf dahin, fast alle Geschäfte sind zu. Über eine stark frequentierte Kreuzung kommen wir zu unserem Gasthof, einem historischen Gebäude, wo wir in einem Nebengebäude unterkommen. Die Altstadt Siegens wurde Ende 1944 bei einem Luftangriff der Engländer fast völlig zerstört.
Nachdem wir uns etwas ausgeruht haben, machen wir kurz nach fünf einen kurzen Stadtrundgang, es beginnt bereits zu dämmern. Es geht hinauf zur der ältesten Kirche der Stadt, der evangelischen Martinikirche, dann zum Schloss, gegenüber ein modernes Unigebäude. Das Museum für Gegenwartskunst ist schön bunt beleuchtet.

Wir flanieren die recht übersichtliche Fußgängerzone rauf und runter, überqueren die Siegbrücke mit den Statuen für die beiden Industriezweige, denen die Stadt ihren Wohlstand verdankt, dem Bergbau und dem Hüttenwesen. Im Apollo-Theater stehen am Eingang als Nonnen verkleidete junge Frauen, es wird das Musical Sister Act gegeben, nicht gerade unser cup of tea.


Abends essen wir in der gut besuchten Gaststube unseres Gasthofes Bratkartoffeln und trinken frisch gezapftes Pils dazu.
Hier ist der Etappenüberblick der gesamten Wanderung.
November 6, 2024 um 00:00
Stullen schmieren, das musste ich mir googeln 😉