Eifelsteig, 4. Etappe: Einruhr – Gemünd

Suppe am Staudamm
Kreuz hebt Arme zum Himmel
Nazikaderburg

Endlich mal eine erholsame Nacht mit gut sechs Stunden Schlaf, der Körper holt sich, was er braucht. Das Frühstück wird uns serviert, es ist alles dabei, was das Herz begehrt, allerdings sind die Brötchen abgezählt, was uns nicht stört. Ob das der Dutch way of life ist?

Draußen schönster Sonnenschein, die Luft frisch, gereinigt vom Regen am Abend und über Nacht. Die Etappe geht gut los, auch die Beine haben sich – oh tägliches Fernwanderwunder – vollständig regeneriert, der Körper ist geradezu scharf auf mehr Kilometer.

Einruhr

Wir steigen auf einem schmalen, befestigten, steilen Weg aus dem Ort heraus. Nach wenigen Metern lädt uns schon ein Schild zum Verweilen ein. Eine Privatinitiative hat in 500 stündiger Arbeit einen Rastplatz für Wanderer mit Mauer, Bullauge, Spiegel, Sitzen, Tisch, Geländer, Kreuz, Bank etc. geschaffen. Eine der kleinen Freuden am Wegesrand, ich bin sehr gerührt. Man sollte den Glauben an die Menschheit nicht zu früh verlieren.

Wanderraststätte

Es geht so ähnlich weiter, wir bekommen als Lohn der Aufstiegsmühen eine schöne Sicht auf den tiefblauen Obersee geschenkt und stoßen auf eine geschwungene Wohlfühlbank, auf der man auch mit Rucksack herrlich chillen kann und über die Wiese runter zum Uferweg sehen kann, wo schon so einige Leute zu Fuß unterwegs sind.

Obersee

Gegen elf kommen wir an der Staumauer der Urfttalsperre an. Erst geht es noch einen steinigen, engen Weg steil hinauf, dann stehen wir auf dem zu seiner Entstehungszeit Anfang des 20. Jahrhunderts größten Bauwerk Europas (wie das wohl gemessen wird?). Hier wird das kleine Flüsschen Urft – wohl eher ein Bach – aufgestaut. Die Energie wird bei Stromspitzen angezapft, der Obersee unten auch für die Trinkwasserversorgung genutzt. Hier liegt auf der anderen Seite des Staudamms ein Ausflugslokal, das gerade geöffnet hat und wo wir uns eine Schale reichhaltige Linsensuppe mit Bockwurst leisten. So viele geöffnete Einkehrmöglichkeiten gibt es laut Führer und Internetrecherche nicht auf dem Weg, wobei wir später noch überrascht werden.

Urfttalsperre

Es geht nun über die Ginsterheide nach Wollseifen, einem nach dem 2. Weltkrieg von britischen Streitkräften geräumten und zerstörten Ort, von dem außer der Kirche und den Fassadenhäusern, die zur Übung des Häuserkampfes auf dem späteren Truppenübungsplatz (s. u.) genutzt wurden, so gut wie nichts mehr steht. Die Wollseifener wurden umgesiedelt und bekamen den Flüchtlingsstatus.

Wollseifen, Straßenname zum Gedenken
Wollseifen, Kirchenkreuz
Wollseifen, Kirche
Wollseifen, Relikte des Kalten Krieges

Wir kriegen nun nach dem Abstieg in ein Bachtal und dem anschließenden Aufstieg zur Nazi-Ordensburg Vogelsang die ersten Tropfen ab, ich stelle mich kurz in einem Türrahmen unter. Es handelt sich um eine gigantische, typische Nazianlage, die auf einem Hügel liegt und von weit sichtbar ist. Nach den Parteitagsbauten in Nürnberg gilt sie mit 50.000 qm Bruttogeschossfläche als das zweitgrößte erhaltene Beispiel der Naziarchitektur. Sie wird heute zu Bildungszwecken genutzt, es gibt Führungen, ein Besucherzentrum mit einer Dauerausstellung „Bestimmung: Herrenmensch“ sowie einer weiteren zum Nationalpark Eifel, in dem wir uns befinden, Gästehäuser, einen Sportplatz, ein Café, wo wir Capuccino und Käsekuchen genießen etc. Kurz nach der Machtergreifung am 30.1.1933 hatte Hitler das „Problem“, dass es einen sehr großen Mitgliederzustrom in die Partei gab. Er ging davon aus, dass die meisten dieser Neuankömmlinge unzuverlässige Opportunisten waren. Hier in Vogelsang wurden die Nazifunktionäre geschult, die sich der Aufgabe widmeten, die nötige „Überzeugungsarbeit“ zu leisten, um zu verhindern, dass die Naziideologie verwässert wurde durch die Nachzügler.

In der Zeit des Kalten Krieges war Vogelsang eine belgische Kaserne. Für diesen Westabschnitt des NATO-Gebiets BRD war Belgien zuständig. Große Teile unserer heutigen Etappe durchqueren den ehemaligen Truppenübungsplatz, der heute zum Nationalpark umgewidmet ist.

Ordensburg Vogelsang

Der Eifelsteig verläuft zum Teil um Vogelsang herum, wir kommen noch an einem Tor und zwei langgezogenen Gebäuden mit großen Reiterreliefs vorbei. Jetzt beginnt es zu schütten und wir finden eine hölzerne Mülleimergarage, wo wir uns dem  Nasswerden entziehen können. Glück gehabt!

Regenunterstand

Ein weiterer Abstieg führt uns über Holzplanken, die das Ausrutschen verhindern, hinab. Bald kommen wir zu einem Aussichtspunkt, von dem wir in der Ferne unser Ziel sehen können.

Kickley, Blick zum Ziel: Gemünd

Am Modenhübel haben wir einen Eifelrundumblick, direkt vor uns Morsbach, das wir nur touchieren. Wir sind hier auf der Hochfläche ganz alleine, einige Vögel, u. a. ein Greifvogel, wahrscheinlich ein roter Milan, fliegen in weiter Entfernung auf. Wir kommen raus an einer Reitsportanlage mit Hindernissen und erhaschen einen Blick auf das rege Treiben der Bienen.

Fleißige Bienen

Unsere Unterkunft, die Jugendherberge, liegt am Ortseingang und bietet uns ein komfortables Zimmer mit getrenntem Bad und Klo. Abends nach dem nächsten Regenguss gehen wir an dem gut ausgelasteten Wohnmobilhafen vorbei in den Ort und essen Salat mit Ayran beim Türken.

Draußen hinter der Jugendherberge spielen die kleinen Kinder lautstark ohne Aufsicht bis zum Einbruch der Dunkelheit nach 22 Uhr. The times they have a changed...

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3 Antworten to “Eifelsteig, 4. Etappe: Einruhr – Gemünd”

  1. Avatar von zartgewebt zartgewebt Says:

    Wenn es wie aus Eimern schüttet, das kann ich nachvollziehen, aber dass die Dunkelheit eimbricht 😉 … das ist mir neu *schmunzel*

  2. Avatar von ohrenschmaus ohrenschmaus Says:

    Danke fürs genaue Lesen, schon korrigiert!

  3. Avatar von zartgewebt zartgewebt Says:

    😉

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