Malerweg, 23.7.25 Weißig – Pirna 15+5

Herumgeturne
inmitten Sandsteinfelsen
Renaissancekleinod

Morgens nehmen wir unser Frühstück ganz allein im großzügigen Frühstücksraum ein. Bezahlen tun wir in cash, der ältere der beiden Jungens des Hofes, die sich hier in den langen Sommerferien etwas zu langweilen scheinen, nimmt das Geld  entgegen. Im Garten ist der Großvater in den Blaubeeren zugange, der uns von ehedem erzählt.

Kurz nachdem wir aus Weißig raus sind, türmt sich vor uns der Rauenstein auf.

Rauenstein

Über Treppenstufen kommen wir zum Gasthaus, das gerade eben geöffnet hat. Die beste Aussicht auf Bastei, Lilienstein, Pfaffenstein, Königstein und die beiden Bärensteine hat man von einem Standpunkt etwas unterhalb des Plateaus, da sonst Bäume die Sicht versperren. Der Lilienstein auf der anderen Elbseite verdeckt den Papststein und den Gohrischstein auf dieser Seite. Das liegt daran, dass die von hier aus unsichtbare Elbe im Tal eine große Schleife um den Lilienstein macht.

Rauenstein: Aussicht auf Lilienstein
Rauenstein: Aussicht auf Bastei

Hinter dem Gasthaus geht es weiter treppauf und treppab, alles ist perfekt durch Geländer gesichert. Auch um halb elf morgens kommen uns hier schon einige Touristen entgegen, man ist hier wirklich mittendrin im Felsenlabyrinth des Elbsandsteingebirges.

Rauenstein

Es geht nun hinunter durch den Wald gen Pötzscha (gegenüber der Stadt Wehlen), wo wir vor einigen Tagen übernachtet hatten. Eine Mönchsgrasmücke singt laut ihr schönes Lied. Am Wegesrand neben Getränken zur Erfrischung, selbstgemachten Marmeladen (u.a. Minzgelee) und Hufeisen auch in die Natur integrierte Wanderschuhe.

Pötzscha

Der Weg geht weiter zur letzten signifikanten Steigung hinauf nach Naundorf. Hinter dem Ort durchqueren wir einen Laubwald, einzelne Wegpassagen sind aufgrund des Regens der letzten Tage immer wieder matschig. Ich höre die Rufe einer Mäusebussardfamilie, die Eltern miauen, die Jungvögel fiepen.

Wir treffen eine einheimische Gruppe älterer Wanderer, die den Malerweg in Tagestouren von Pirna in Gegenrichtung laufen. Kurz vorm Abstieg hinunter ins Elbtal nach Obervogelsang halten wir Mittagsrast mit den Pizzaresten von gestern und einem großen Apfel als Nachtisch.

Unten ist es spürbar heller und die Sonne knallt runter. Wir gehen auf dem sehr stark frequentierten Elberadweg noch rund eine Stunde bis nach Pirna. Die Kajaks auf der Elbe sind kaum schneller als wir, obwohl sie mit der zugegeben recht moderaten Strömung paddeln.

In Pirna gönnen wir uns einen Eiskaffee und ich kaufe mir ein Buch einer Bestsellerautorin über diverse Fernwanderungen in England und eins über den historischen Malerweg. Um 17 Uhr machen wir eine anderthalbstündige Führung durch die von den Weltkriegen verschonte Renaissancealtstadt mit. Der Führer stellt positiv heraus, dass in der DDR anders als im Westen alte Bausubstanz bei Neubau nicht zerstört wurde, sondern sich selbst überlassen und damit erhalten blieb. Dass die Sanierung Pirnas aber dann nach der Wende passiert ist, wird nur beiläufig erwähnt. Wie er überhaupt offensichtlich zu den in Pirna knapp 50 Prozent Wählern einer rechtsextremen Partei bei der letzten Bundestagswahl gehört; er leugnet den Klimawandel, schwadroniert in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts wäre es hier viel wärmer gewesen als heute. Dresden bekommt natürlich auch sein Fett ab, dort wurden viele Hexen verbrannt, in Pirna keine.

Pirna zeichnet sich durch seine vielen schmucken Erker aus, neben dem Engelserker gibt es auch einen Teufelserker, der von Teufeln getragen wird.

Pirna: Teufelserker

Immerhin kann er nicht umhin, zu erwähnen, dass auf dem Schloss Sonnenschein, einer damals führenden  reformpsychiatrischen Heilanstalt für Geisteskranke, 1940/41 weit über 10.000 Menschen – Stichwort Euthanasie – ermordet wurden, für jeden Toten haben Freiwillige ein buntes Kreuz auf dem Weg vom Schloss hinunter in die Altstadt bis zur Elbe gemalt.

Pirna: 14.751 bunte Kreuze

Die meisten Portale in Pirna sind sich sehr ähnlich mit Jakobsmuscheln und Eiformen. Aber es gibt auch prachtvolle Ausnahmen wie das Portal des Hauses von Wolf Blechschmidt, einem Baumeister des 16. Jahrhunderts, das heute den Eingang eines Hotels ziert.

Pirna: Portal Niedere Burgstr. 1

Der Führer zeigt uns das Geburtshaus des Predigers Johann Tetzel, der mit seinem Ablasshandel ein wichtiger Anlassgeber für Martin Luthers 95 Thesen war. In diesem Haus wurde vor rund 20 Jahren hinter vielen Tapetenschichten eine Holzbohlenstube aus dem 14. Jahrhundert entdeckt. Das Holz wurde solange versteckt, weil die Feuerversicherungspolicen für holzvertäfelte Häuser früher deutlich höher waren als für Unvertäfelte.

Pirna: Tetzelhaus, Bohlenstube

Schließlich gehen wir zurück zum Marktplatz, den Canaletto im 18. Jahrhundert in seinem bekannten Gemälde abgebildet hat.

Pirna: Marktplatz

Nach der Führung machen wir uns zu Fuß auf zu unserem Sporthotel, das nochmal zweieinhalb Km südlich liegt. Eine großartige Wanderung mit einer sehr hohen Dichte an Highlights hat ihr Ende gefunden. Was uns ein Wandergenosse vor einem Jahr sagte, den wir auf dem Eifelsteig trafen, kann ich nun sehr gut nachvollziehen. Ja, dies ist sicher einer der schönsten Wanderwege der Welt. Wenn auch nicht mein Liebster und das nicht nur wegen der mir zu hohen Wandererdichte, zur Ruhe kommt man hier nicht, es ist oft jemand hinter einem, der überholen möchte. Dieses Gedränge kenne ich eigentlich nur von den letzten 100 km des Jakobsweges.

Die Preise sind m.E. auch zu hoch, die Markierungen nicht besonders gut und eher in der umgekehrten Richtung Pirna – Liebethal angebracht. Das kaum sichtbare, dünne, stilisierte „M“ zwar ästhetisch, aber vom praktischen Gesichtspunkt aus Wanderersicht einfach idiotisch.

Der Wegverlauf mit all seinen Volten nicht immer ganz nachvollziehbar, am Anfang war mir auch der Asphaltanteil zu hoch. Am Ende übrigens auch, schnurstracks geradeaus auf dem Elberadweg zu latschen ist nicht meine Vorstellung von Wandergenuss.

Die Menschen häufig sehr nett, manchmal sind es aber auch seltsame Charaktere. Über Politik möchte ich mit den meisten lieber nicht reden. Heimat, Tradition und Lokalpatriotismus spielen mir hier einfach eine zu große Rolle.

Das Wetter war bei unserer Begehung recht wechselhaft, was aber normal zu sein scheint in dieser Gegend. Mein Fazit, im Großen und Ganzen sind meine Kritikpunkte zwar valide, aber nicht wirklich stichhaltig. Ich bin sehr froh, dass ich den Malerweg gegangen bin, er hat mich insbesondere landschaftlich sehr stark beeindruckt.

Hier ist die Übersicht unserer Malerwegwanderung im Juli 2025.

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