Harzreise, 15.6.24, 1. Tag Göttingen – Northeim

Holzstamm im Schatten
Literflasche H2O
Mehr brauchts nicht zum Glück

Nachdem ich am Vorabend mit dem Zug aus Frankfurt angereist bin, vom Bahnhof in mein Hotel in der Nordstadt an der Weender Straße getippelt bin, dort in der Sauna schön geschwitzt habe, zum Abendbrot einen Flammkuchen gegessen habe und die drei Tore der ersten Halbzeit Deutschland gegen Schottland genossen habe und dann eingepennt bin, geht es heute an einem am Morgen vom Wetter her wenig verheißungsvollen Samstag los auf die Wanderschaft auf den Spuren Heinrich Heines.

Das Frühstück nehme ich in einer Fast Food Kette ein, wo ich um 8 der erste Kunde bin. Es wird bis zum Abend meine einzige Mahlzeit bleiben, Orangensaft, ein kleiner Bun mit Ei und gepresstem Würstchenfleisch, ein Croissant und ein Capuccino. Der Regen lässt langsam nach. Ich habe jede Menge WandergenossInnen, auf die ich aufpassen muss, um ihnen kein Leid zuzufügen.

Weinbergschnecke on the road

Es eröffnen sich Ausblicke auf Weende, ich komme an einem Gatter mit Rehen vorbei, bin von dem Rot des langen Mohnstreifens am Feldrand hypnotisiert. Außer mir sind einige Radfahrer, Jogger und Gassigeher unterwegs. Hier entscheide ich mich, nicht Heines Route im Tal über Bovenden zu nehmen, sondern die beiden Burgen unweit des Weges mitzunehmen. Was natürlich heißt, dass es Auf und Ab geht, ich würde denken, der reizvollere Weg, ich habe ja auch mehr Zeit als Heine, der am ersten Tag angeblich 47 km von Göttingen nach Osterode ging, ich habe diese Strecke in zwei Etappen aufgeteilt.

Mohnstreifen neben Gerstenfeld

Oberhalb von Eddigehausen steht die sehr gut erhaltene Burg Plesse. Ich komme von Süden durch den Wald über den steilen Eselstieg, den ich fast übersehe. Oben angekommen habe ich das ausgedehnte Burggelände mit Eingangstor, mehreren Türmen, Burghof, Kapelle, ehemaligem Herrenbau, heute Gaststätte, ganz allein für mich. Es ist windig hier oben, das Restaurant macht erst mittags auf. Die Sicht nach Nordwesten ist gut, es ist noch bedeckt, aber der Himmel wird sich im Laufe des Tages aufklaren.

Burg Plesse von Süden
Burg Plesse, Wehrturm
Blick von Burg Plesse

Auf der Karte sieht es nicht weit aus, aber laut Maps sind es 7 km zu meinem nächsten Zwischenziel, der Burgruine Hardenberg, passenderweise waren wir ja vor kurzem auf der Burg Neuhardenberg 60 km nordöstlich von Berlin, wo ein anderer Teil der Familie Hardenberg später residierte. Ich komme etwas vom Weg ab, der durch Laubwald verläuft, ich muss durch den zugewachsenen Wald recht steil absteigen, mache eine Trinkpause im Restaurant Rodetal und komme schließlich nach Nörten-Hardenberg, wo ein größeres Reitertreffen stattfindet. Oben am Tor der Burgruine steht ein Schild, dass das Betreten verboten ist aufgrund von Einsturzgefahr, offensichtlich ein Witz. Hier ist auch eine Nebenstelle des Standesamtes, es hat sich eine Hochzeitsgesellschaft eingefunden, die gerade ihren Aperitiv nimmt. Oben steht ein älterer unscheinbarer Herr, der mich darauf hinweist, dass wir (!) hier nicht mehr lange bleiben können, weil die Hochzeitsfeiernden demnächst das Tor schließen werden, um ihre Ruhe zu haben. Ich bin mir ziemlich sicher, dass dies der Burgherr war, bin aber zu verdutzt, zu fragen. Bei Hardenberg wird es den Germanisten in den Ohren klingeln. Der früh gestorbene Romantiker Novalis gehört auch zur Familie, wurde aber auf einem anderen Gut der Familie in der Grafschaft Mansfeld geboren.

Burgruine Hardenberg
Blick von Burgruine auf Nörten-Hardenberg

Von Nörten-Hardenberg sind es etwa noch 10 km zu meinem Etappenziel. Ich finde einen Wiesenweg, der teilweise am Waldrand nach Norden verläuft und mich bis kurz vor Sudheim bringt. Anschließend stoße ich auf die vielbefahrene B3, kann aber meist auf dem Grünstreifen zwischen Radweg und Straße unter blühenden, gut duftenden Linden laufen. Ich treffe dort außer Autos bis kurz vor Northeim niemanden.

Am Stadtrand ein weiterer Outpost der o.n. g. Fast Food Kette, wo ich unbedingt einen Milk Shake zu mir nehmen muss. Das Eis ist so kalt, dass ich beim Trinken mit dem Strohhalm hinter der Nase einen Kälteschock mit leichtem Kopfschmerz erleide, Anfängerfehler. Ich beobachte das Treiben im Restaurant, bin überrascht, dass die meisten ihre Bestellungen über die Displays aufgeben und nicht mündlich. Etwas spooky, aber evtl. sogar schneller, weil die Bestellungen oft ziemlich komplex sind. Außerdem fällt mir auf, dass insbesondere Frauen, die hier essen gehen, fast durchwegs vollschlank sind. Keine so wirklich überraschende Beobachtung.

In Northeim gehe ich in mein Hotel, dusche mich, leiste mir mehrere Weißbiere, gucke den Spaniern zu, wie sie die Kroaten vernichten und futtere nach einem Gang durch  die schmucke Fußgängerzone voller Fachwerkhäuser am Münsterplatz Schnitzel mit Spiegelei und herrlich krossen Bratkartoffeln.

Die Füße spüre ich überraschend stark nach der Wanderung, habe leichten Muskelkater und einen ganz kleinen Wolf. Also eigentlich alles ganz normal nach dem ersten Wandertag.

Northeim, Fußgängerzone
Northeim, Münsterplatz

3 Antworten to “Harzreise, 15.6.24, 1. Tag Göttingen – Northeim”

  1. zartgewebt Says:

    Schööön das! Du, was ist den das „einen Wolf haben“?

  2. ohrenschmaus Says:

    Mmm. Das ist, wenn es zwischen den Pobacken brennt, weil man beim Wandern dort geschwitzt hat und die Schweißtropfen dort die Haut aufgerieben haben. Es ist dann rötlich dort und schmerzhaft. Habe die Stelle mit Arnikacreme eingerieben und am nächsten Tag war alles gut. So, jetzt weißt Du es!

  3. zartgewebt Says:

    *augenverdrehundschmunzeldabei*

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