Elisabethpfad 8. Etappe: Stadtallendorf – Amöneburg 12

Menschen stehen an
Es gibt Bratwurst mit Pommes
Ein Duft, der betört

Heute der vorletzte Tag mit der kürzesten Etappe. Trotzdem kein Zuckerschlecken. Eine gewisse Fasten- und Wandermüdigkeit macht sich im Laufe der Etappe bei mir breit. Die Waden ziehen, die Kniee sind eingerostet, Anfechtungen machen sich bemerkbar.

Das Frühstück sehr übersichtlich, leider kein Tee – das ist ein Problem für den Flüssigkeitshaushalt, wer trinkt schon einen Liter Wasser frühmorgens, ich nicht – aber etwas exotisch. Kombucha mit Ingwer. 2,4% Zucker, mit Kohlensäure, brennt etwas.

Stadtallendorf: Mein Frühstück

Geschichtsexkurs: Vor dem 2. Weltkrieg war Stadtallendorf noch ein Dorf mit 1.500 Einwohnern. Während des Krieges wurde es dann laut dem Dokumentationszentrum der größte Rüstungsindustriestandort Europas. Zwangsarbeiter aus vielen Nationen produzierten Sprengstoff für die Wehrmacht. Nach dem Krieg ließen sich viele Vertriebene in der Region nieder. Es siedelten sich diverse Industrieunternehmen an, was zu einem Wirtschaftsboom führte. Von den heute über 21.000 Einwohnern sind etwa ein Viertel Muslime.

Es geht halb zehn los, ich lasse mir viel Zeit, bin nicht motiviert. Draußen bin ich erst einmal desorientiert, laufe in die falsche Richtung, aus der ich gestern gekommen bin. Muss erst wieder den Weg finden, da ich etwas abseits bin. Das Wetter bedeckt, es muss geregnet haben, ein Gefühl der Klammheit. Temperaturcheck 8 Grad. Bingo!

Der Weg nach Westen ist leicht kurvig und abschüssig und läuft zwischen den Feldern lang. Man hat eine weite Sicht über die Felder und Wiesen. Aus einer Asphaltstraße wird ein Feldweg, der sehr angenehm zu gehen ist. Meine Anwesenheit scheucht die unauffälligen hellbraunen Feldlerchen auf, die tirillierend durch die Lüfte schweben.

Nach knapp einer Stunde komme ich in Langenstein an, benannt nach dem 10 t schweren, über 5 m hohen Menhir aus der Jungsteinzeit, wohl einer der Größten Deutschlands.

Langenstein: Namensgebender Menhir

Die schnucklige Jakobuskirche weist eine Besonderheit auf. Ein freischwebendes zweischichtiges und zweifarbiges Netzgewölbe im Chorraum. So etwas gibt es in Deutschland nur noch in Frankfurt (St. Leonhard) und in Meisenheim.

Langenstein, Jakobuskirche: Netzgewölbe

Als ich aus dem Ort heraustrete, fällt in der Ferne ein die Landschaft dominierender Hügel mit einer Kirche drauf auf. Es ist mein Etappenziel, Amöneburg. Einerseits ist es schön, sein Ziel so direkt vor Augen zu haben, man kann einschätzen, wie weit es weg ist. Andererseits zollt es einem natürlich auch Respekt ab, insbesondere die erhöhte Lage, da ist noch etwas physikalische Arbeit angesagt heute.

Langenstein: Blick auf Amöneburg

Mein Tempo ist heute gemächlich, ich bin um 14 Uhr im Hotel angemeldet, acht km in drei Stunden, die Zeit läuft nicht weg.

Ich gehe nun weiter zwischen Feldern und Wiesen, komme bald zum nächsten Ort, Kirchhain, den ich mehr oder weniger komplett durchqueren muss. Das Autokennzeichen ist hier jetzt MR für Marburg. In der nach 1945 wiederaufgebauten katholischen Elisabethkirche stempele ich in der Taufkapelle meinen Pilgerausweis, in dem noch Platz ist, pro Tag kriege ich meist mehrere Stempel zusammen.

Neben dem Standesamt steht eine längere Schlange an einem Imbiss, wo es Bratwurst mit Pommes gibt an. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen. So langsam beginne ich mich sehr auf das Ende meines Fastenintermezzos zu freuen.

Kirchhain: Standesamt

Aus Kirchhain raus geht es über die recht stattliche Ohm im Zickzack über Felder und Wiesen. Eine Gruppe von Landschaftspflegern macht ein Feuer. Es geht nun spürbar aufwärts, ich komme ins Schwitzen, ziehe die Jacke aus und binde sie mir um.

Aufstieg nach Amöneburg: Hinweis

Nach gut der Hälfte des Anstiegs lächelt  mich eine Liegebank an und ich kann nicht widerstehen. Vor meinen Augen ein grüner, rundlicher Hügel mit Steinen und Gebüsch drauf. Es hat etwas Künstliches, Steingartenartiges. Auf jeden Fall entspannend.

Aufstieg nach Amöneburg: Aussicht von der Liegebank

Oben angekommen, habe ich noch eine halbe Stunde Zeit und entscheide mich für den Mauerrundweg.

Amöneburg, Mauerrundweg

Man muss wissen, Amöneburg liegt komplett oben auf dem Hügel und wird zu großen Teilen auch heute noch von einer Stadtmauer umgeben. Der Weg bietet Ausblicke nach Kirchhain, wo ich gerade herkomme und nach Stadtallendorf, wo ich übernachtet habe. Es gibt einige Tore zu sehen sowie die alles überragende katholische Stiftskirche von 1871.

Amöneburg, Mauerrundweg: links Stadtmauer, rechts Stiftskirche

Der Blick nach Westen gibt einen Ausblick auf den Charakter der morgigen, letzten Etappe. Viel Grün, viel Natur, kaum Orte. Marburg ist von hier noch nicht zu sehen.

Amöneburg, Mauerrundweg: Blick nach Westen

In der geräumigen Stiftskirche fällt mir auf, dass ich, wenn ich mich recht erinnere, in keiner Kirche, die ich auf dieser Wanderung bisher besucht habe, auch nur eine Menschenseele getroffen habe. Das scheint mir doch schon sehr bezeichnend.

Den Elisabeth-Altar hinter dem Hochaltar finde ich genauso wenig wie den Pilgerstempel. Dafür eine Elisabethfigur, ich glaube, die erste, die ich im Blog präsentiere.

Amöneburg, Stiftskirche: Elisabethfigur

Ich schrieb es bereits, dies ist eine geschichtsreiche Region. 721 soll der angelsächsische Benediktinermönch Bonifatius sein Missionswerk mit einer Klostergründung hier begonnen haben. Wenn man der Statue Glauben schenken darf barfuß, knapp 50 Jahre alt und 1,80 m groß.

Amöneburg: Bonifatiusstatue

Nach dem Rundgang begebe ich mich ins Hotel, meine letzte Nacht auf dem Elisabethpfad möchte ich genießen.

Amöneburg: Himmelbett

Hier der Etappenüberblick über meine Fastenwanderung auf dem Elisabethpfad von Eisenach nach Marburg im Februar 2024.

3 Antworten to “Elisabethpfad 8. Etappe: Stadtallendorf – Amöneburg 12”

  1. Avatar von ꜼƢAMAɠYÑIC🌐 ꜼƢAMAɠYÑIC🌐 Says:

    kann ich auch als 90%Vegetarier gut nachvollziehen 😉 wenn auch nicht betörend *lach* das mit der Bratwurst

  2. Avatar von ohrenschmaus ohrenschmaus Says:

    Danke für den Kommentar. Eisenach hatte mehrere Vorteile, zum einen liegt es zwischen Berlin und Frankfurt, so dass ich quasi eine Bahnfahrt von Berlin nach Eschborn gemacht habe mit neuntägiger Wanderunterbrechung. Außerdem hat mich der Elisabethpfad gereizt, weil ich vor einigen Jahren in Eisenach einen Vater getroffen, hatte, der mit seiner Tochter diesen Weg ging. In Eisenach mag ich auch sehr das Bachhaus, wo man gerade, wenn es regnet, was es dort sehr oft tut, wundervolle Musik hören kann. Von der Wartburg will ich jetzt gar nicht anfangen. Außerdem habe ich eine Route gesucht, die ich in 9 Tagen bewältigen kann. Und die Tatsache, dass die wie die Via Regia von Görlitz nach Vacha, die wir vor ein paar Jahren gewandert sind, ein ökumenischer Pilgerweg ist, habe ich sehr gemocht. Ein bisschen Krämpfe im Bauch hatte ich auch, aber das war nichts im Vergleich zu dem, was Du da schilderst. Ich muss allerdings auch sagen, dass ich niemals auf die Idee käme, Babynahrung zu essen. Der Apfel war natürlich köstlich, ein sehr schmackhafter Elstar. Der Bratwurstduft war in dem Moment extrem verführerisch. Ich bin mir 100% sicher, dass sie nie so gut gewesen wäre wie ihr Duft.
    Jetzt noch eine Frage an Dich. Wer ist Else?

  3. Avatar von ꜼƢAMAɠYÑIC🌐 ꜼƢAMAɠYÑIC🌐 Says:

    Na 😉 die nicht siegende Siegessäule in Berlin

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